Die Ergebnisse sind ernüchternd: Mehr als 125 Milliarden Euro gibt der Bund jedes Jahr allein für familienpolitische Leistungen aus, 39 Milliarden davon für das Kindergeld. Doch trotzdem setzen die Deutschen nicht mehr Nachwuchs in die Welt. Die Geburtenrate liegt seit rund 40 Jahren ziemlich konstant bei etwa 1,4 Kindern pro Frau.
Ist das Kindergeld also sinnlos? Unumstritten war diese staatliche Leistung auch vor 60 Jahren nicht, als der Bundestag am 14. Oktober 1954 das erste Kindergeldgesetz verabschiedete. Ganze 25 Mark sollte es pro Monat geben, allerdings erst ab dem dritten Kind und nur für Arbeitnehmer. Finanziert werden sollte die Leistung nach den Plänen der Regierung Adenauer nicht aus Steuergeldern, sondern allein von den Arbeitgebern. Der SPD reichte das nicht: Mütter und Väter würden trotz ihrer großen Leistung für die Gesellschaft mit lächerlichen Beträgen abgespeist, hieß es.
Die Geschichte beginnt im Nationalsozialismus
Dabei existierte ein Kindergeld schon im nationalsozialistischen Deutschland. Seit September 1936 erhielten Angestellten- und Arbeiterfamilien, deren Monatseinkommen unter 185 Reichsmark lag, ab dem fünften Kind monatlich 10 Reichsmark. Ab 1938 wurde dann bereits ab dem dritten Kind bezahlt.
Die 1949 gegründete Bundesrepublik distanzierte sich von dieser bevölkerungspolitisch motivierten Leistung. Sie beschränkte die Familienförderung zunächst auf steuerliche Kinderfreibeträge - was die höheren Einkommensgruppen deutlich begünstigte. Das Bundeskindergeldgesetz von 1954 war vor diesem Hintergrund ein deutlicher Fortschritt.
184 Euro pro Kind
1957 erhöhte das Parlament im Wahlkampf den Betrag auf 30 Mark und stockte ihn 1959 noch einmal um zehn Mark auf. 1961 wurde dann zusätzlich aus allgemeinen Steuermitteln des Bundes ein Kindergeld für das zweite Kind eingeführt. Mit dem Bundeskindergeldgesetz von 1964 übernahm der Bund dann die Kosten des Kindergeldes insgesamt.
Die genauen Regelungen veränderten sich immer wieder: Zwischenzeitlich waren die Zahlungen an Einkommensgrenzen gebunden.
Gezahlt wurde zunächst ab dem zweiten Kind, ab 1975 dann bereits ab dem ersten Kind. Derzeit werden für das erste und zweite Kind - inzwischen wieder einkommensunabhängig - 184 Euro gezahlt, für das dritte Kind 190 Euro und ab dem vierten Kind 215 Euro pro Monat. Für Einkommensschwache besteht zudem noch die Möglichkeit, zusätzlich einen Kinderzuschlag zu erhalten. Er soll Familien mit Kindern davor bewahren, in den Hartz-IV-Bezug zu rutschen. Außerdem gibt es steuerliche Kinderfreibeträge, wenn der Steuervorteil höher ist als das erhaltene Kindergeld.
Zankapfel Kindergeld
Unter den politischen Parteien ist das weitere Vorgehen beim Kindergeld umstritten, auch wenn es derzeit um das Thema ruhiger geworden ist. Vor allem die Union spricht sich - insbesondere in Wahlkampfzeiten - für einen Ausbau der Leistung aus, um damit ihre Familienfreundlichkeit zu dokumentieren. Die Sozialdemokraten fordern dagegen mehr Investitionen in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen sowie eine stärkere Förderung sozial benachteiligter Familien. Nach ihrer Meinung hält das Kindergeld Frauen davon ab, in ihrem Beruf zu arbeiten.
"Familien überproportional zur Kasse gebeten"
Für Jürgen Borchert dagegen, Darmstädter Sozialrichter und Politikberater, ist das Kindergeld nicht ins Belieben des Gesetzgebers gestellt. "Das Kindergeld ist kein Geschenk des Staates, sondern zu größten Anteilen die Rückgabe von Diebesgut, nämlich die verfassungswidrige Besteuerung von Familien", erklärt er. Sowohl in den Sozialsystemen als auch bei den Verbrauchssteuern würden Abgaben erhoben, die "extrem familienfeindlich sind", betont der Richter, der vor dem Bundesverfassungsgericht bahnbrechende Urteile zugunsten von Familien erwirkte. Allein über Renten-, Pflege- und Krankenversicherung würden jährlich 120 Milliarden Euro von Familien hin zu Kinderlosen verteilt. "Familien werden in diesem System überproportional zur Kasse gebeten. Und das wird auch durch Familienleistungen wie Elterngeld oder Kindergeld nicht ausgeglichen."