Das Leben Salman Rushdies mit Khomeinis Fatwa

Meinungsfreiheit als Lebensthema

Die Todes-Fatwa des iranischen Ayatollah Khomeini von 1989 überschattet Rushdies halbes Leben. Erst seit einigen Jahren trat der Autor wieder öffentlich auf. Nun wurde er bei einem Angriff in den USA schwer verletzt.

Autor/in:
Paula Konersmann und Christoph Schmidt
Salman Rushdie mit seinem Buch der "Satanischen Verse" vom 14.02.1989 in London / © Keystone (epd)
Salman Rushdie mit seinem Buch der "Satanischen Verse" vom 14.02.1989 in London / © Keystone ( epd )

Unlösbar sind Person, Leben und Werk von Salman Rushdie mit einem Datum verknüpft: dem 14. Februar 1989. An diesem Tag verurteilte der iranische Religionsführer Ayatollah Khomeini den Schriftsteller mit einer Fatwa zum Tode. Begründet wurde der islamische Richtspruch damit, dass Rushdies Buch "Die satanischen Verse", ein Jahr zuvor erschienen, "gegen den Islam, den Propheten und den Koran" gerichtet sei. Erst seit einigen Jahren trat Rushdie wieder öffentlich auf, nachdem er lange Zeit unter Polizeischutz in verschiedenen Verstecken gelebt hatte.

Junge Frau mit einem Bild von Ayatollah Khomeini / © Marwan Naamani (dpa)
Junge Frau mit einem Bild von Ayatollah Khomeini / © Marwan Naamani ( dpa )

Hat das barbarische Urteil den britisch-indischen Autor nun nach 33 Jahren doch noch eingeholt? Am Freitag stach ein Mann bei einer Lesung im US-Bundesstaat New York auf Rushdie ein, der schwer verletzt in eine Klinik geflogen wurde. Über seinen Zustand ist wenig bekannt. Angeblich droht ihm der Verlust eines Auges. Die Armsehnen seien durchtrennt, und der 75-Jährige werde künstlich beatmet, berichtete sein Agent der "New York Times".

Sympathisant des iranischen Regimes

Bei dem mutmaßlichen Attentäter (24) aus New Jersey soll es sich einigen Medienberichten zufolge um einen Sympathisanten des iranischen Regimes handeln. Sie berufen sich dabei vor allem auf Informationen über den Social-Media-Account des Verdächtigen. Augenzeugen berichteten US-Medien, der Veranstaltungsort sei kaum gesichert gewesen.

Salman Rushdie

Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen Literaten. Aufgrund seines Romans "Die Satantischen Verse", durch den sich fundamentalistische Muslime beleidigt fühlten, wurde 1989 gegen ihn eine Fatwa verhängt, ein Todesurteil.

Schriftsteller Salman Rushdie  / © Frank Franklin II (dpa)
Schriftsteller Salman Rushdie / © Frank Franklin II ( dpa )

In den vergangenen Jahren stieß Rushdies Lebensthema - der Kampf für die Meinungsfreiheit - auf erhöhte Aufmerksamkeit: Denn immer wieder eskalierte dieser Streit. Die Ermordung des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh 2004; der Streit um die Mohammed-Karikaturen, die 2005 in einer dänischen Zeitung erschienen; 2015 der Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" - das waren besonders drastische Stationen einer Auseinandersetzung, die viele als Zusammenprall von westlicher und islamischer Kultur betrachten.

Viele Jahre unter Polizeischutz

Rushdie, 1947 als Sohn muslimischer Eltern in Mumbai (damals Bombay) geboren, lebte unterdessen über viele Jahre unter Polizeischutz in Verstecken. Erst seit einiger Zeit tritt er wieder öffentlich auf. Über sein Leben unter der Todesdrohung berichtete der Autor, den Königin Elisabeth II. allen Protesten aus Teheran zum Trotz in den Adelsstand erhob, in seiner Autobiografie "Joseph Anton" von 2012.

Mit 14 Jahren kam Rushdie nach England. In Cambridge studierte er Geschichte und arbeitete zunächst am Theater, als freier Journalist und als Werbetexter. Das Buch "Mitternachtskinder" (1981), für das er den renommierten Booker Preis erhielt, verschaffte ihm den internationalen Durchbruch. In seinem jüngsten Roman "Quichotte" (2019) griff er aktuelle Themen wie Rassismus und Medienkritik auf. Die Textsammlung "Sprachen der Wahrheit", die im vergangenen Jahr erschien, gibt Einblicke in sein politisch-philosophisches Denken.

Fatwa als illegal verurteilt

Die Wahrnehmung Rushdies blieb geprägt durch das Todesurteil. Religiöse Autoritäten der ägyptischen Al-Azhar-Moschee verurteilten die Fatwa gegen den Schriftsteller als illegal: Die Scharia gestatte es nicht, einen Menschen ohne ein Gerichtsverfahren zum Tode zu verurteilen. Im März 1989 widersprachen alle Mitgliedsstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz der Fatwa - mit Ausnahme des Iran. Zwar erklärte Teheran 1998, man unterstütze die Tötung Rushdies nicht mehr, doch offiziell zurückgenommen wurde die Fatwa nie.

So wurde die Meinungsfreiheit zu Rushdies Lebensthema. Sie sei ein Menschenrecht, betonte der Autor 2015 auf der Frankfurter Buchmesse. Der Iran boykottierte damals die größte Bücherschau der Welt - wegen Rushdies Auftritt. Allerdings bedrohten nicht nur Terror und Gewalt die Meinungsfreiheit, sondern auch Political Correctness, mahnte der Autor: Die französischen Aufklärer hätten vor 200 Jahren die Macht der Kirche gebrochen - heute gelte es erneut, gegen Versuche von Religionen anzugehen, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.

Religion als "eine mittelalterliche Form der Unvernunft"

Bereits nach dem Attentat auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" bezeichnete Rushdie die Religion als "eine mittelalterliche Form der Unvernunft". Mit modernen Waffen kombiniert werde sie "zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten", hieß es noch am Tag des Anschlags in einer Erklärung des Autors. Derartiger religiöser Totalitarismus habe "zu einer tödlichen Mutation im Herzen des Islam geführt".

Bei aller Religionskritik mahnt Rushdie auch immer wieder zu Gelassenheit. "Den Krieg gegen den Terror kann man nicht gewinnen", sagte er einmal der Deutschen Welle. Man könne dem Terror nur trotzen, so der Schriftsteller, indem man nicht zu Hause bleibe - und der Furcht keinen Raum gebe.

Quelle:
KNA