Das Musikfest Berlin stellt religiöse Werke in den Mittelpunkt

Die Himmel über Berlin

Mit internationalen Spitzenensembles und Konzerten unter anderem im Flughafen Tempelhof und der Berliner Philharmonie geht in diesem Jahr das "Musikfest Berlin" an den Start. Für die Berliner Kulturszene ungewöhnlich: die Präsenz religiös inspirierter Werke.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Mit den Komponisten Anton Bruckner (1824-1896), Olivier Messiaen (1908-1992) und Karlheinz Stockhausen (1928-2007) stellt das diesjährige Musikfest Berlin ganz bewusst das Thema Transzendenz in den Mittelpunkt. Winrich Hopp, der künstlerische Leiter des Festivals vom 4. bis 21. September, spricht von einem "spirituellen Dreigestirn", an dem sich das gesamte Programm ausrichte. Dabei bringen 16 internationale Spitzenorchester und Ensembles mehr als 40 Werke zur Aufführung - mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Daniel Barenboim, Ingo Metzmacher, Marek Janowski, Daniel Harding und Philippe Herreweghe.

Der 47-jährige Hopp wagt eine Präsenz religiös inspirierter Werke, die für die Berliner Kulturszene ungewöhnlich ist. Dabei kennt der Musikwissenschaftler und Philosoph die Bedenken, wie er am Montag bei der Vorstellung des Programms erkennen ließ. So habe der im Dezember verstorbene Stockhausen selbst ihm einmal brieflich Zweifel vorgetragen, seine Komposition "Stimmung" in Berlin zu wagen, dieser "anti-religiösen Stadt". Nun bildet diese Arbeit aus dem Jahr 1968 den Auftakt des Musikfests - in einer Kirche.

"Mit Musik den Transzendenzgedanken religiöser Art nachzeichnen"
Vor Journalisten betonte Hopp seinen "durch und durch musikalischen", künstlerischen Zugang: Zu den drei allesamt katholischen und sehr gläubigen Komponisten habe er überhaupt kein religiöses Verhältnis, meinte er. "Aber dass man mit Musik auf schönste Weise den Transzendenzgedanken religiöser Art nachzeichnen kann, sollte man sich nicht entgehen lassen und präsentieren." Sicher, man könne Bruckner einfach auch aus Freude an der symphonischen Musik heraus hören, ähnlich auch Messiaen. Aber diese Komponisten, meint Hopp, haben eine "spirituelle Flughöhe".

Mit diesem Begriff ist er bei einem weiteren Thema der Festspiele, dem Fliegen. Im 60. Jahr der alliierten Luftbrücke und in den letzten Tagen des Flughafens Tempelhof knüpft es auch an den schrägsten Veranstaltungsort des Festivals an. Am 20. und 21. September laden die Berliner Philharmoniker in den Hangar 2 von Tempelhof, schließlich braucht Stockhausens "Gruppen für drei Orchester" Platz.

Zugleich sieht Hopp das Fliegen als verbindendes Element und spricht von "metaphysischem Grenzverkehr": Da sei neben dem Transzendenzgedanken, sich durch die Möglichkeiten der Kunst und auch des Glaubens zu Gott aufzumachen, eben auch der Freiheitsgedanke, wie er beispielsweise im Dädalus-Motiv der Antike zum Ausdruck kommt. Auf dem Dach der weltbekannten Berliner Philharmonie, bald nach dem Mauerbau 1963 eingeweiht, steht ein imposantes Flügelpaar genau für diesen Dädalus-Mythos. "Ein Bild für die Kunst und speziell für die Musik, die Freiheit für sich braucht und Freiheit in Aussicht stellt", so der Festival-Leiter.

Stockhausen mit "Hoffnung"
Auf dem Programm der Festspiele stehen in zwölf Konzerten 13 Werke aus allen Phasen des orchestralen Schaffens Messiaens. Dazu zählt gleich zur offiziellen Eröffnung dessen "Hymne au Saint Sacrament", mit der er den meditativen Charakter der Musik betont. Sie steht neben einer von den fünf zur Aufführung kommenden Symphonien Bruckners. Dabei bieten die Philharmoniker unter Sir Simon Rattle auch die "dem lieben Gott" gewidmete unvollendete 9. Symphonie. Von Stockhausen gibt es zudem, kurzfristig statt der ersten prominenten Arbeit "Kreuzspiel" von 1951 ins Programm genommen, dessen letztes Werk "Hoffnung", das kurz zuvor in Köln uraufgeführt wird.

Die Plakate des Musikfests Berlin 2007 zeigten einzelne Köpfe mit geschlossenen Augen. Das stand für tiefes Zuhören, hörende Betrachtung, "Kontemplation", wie Hopp sagt. Sie wurden von manchem Kritiker belächelt. Nun sind in der Werbung erneut nur Köpfe zu sehen, diesmal mit dem offenen Blick nach oben - in die musikalischen, philosophischen, religiösen Himmel über Berlin.