Das neue Oratorium von Klaus Wallrath vertont Ostern

Zwischen Jubelgesang und herben Klängen

Wie klingt die Auferstehung? Klaus Wallrath vertont in seinem neuen Oratorium das Ostergeschehen. Im Interview erzählt der Komponist, was ihn für diese Musik inspiriert und warum Ostern schwerer als Weihnachten in Musik zu fassen ist.

Das Oratorium von Klaus Wallrath ist für Chor und Orchester / © Sonja Filitz (shutterstock)
Das Oratorium von Klaus Wallrath ist für Chor und Orchester / © Sonja Filitz ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: An Fronleichnam strahlt DOMRADIO.DE die Uraufführung Ihres Werkes aus. Wenn ich den Begriff Oratorium höre, dann denke  ich an das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach oder an das berühmte "Halleluja" von Händel aus dem Oratorium "Messias". Mit wie viel Respekt geht man als Komponist an eine so berühmte Gattung heran?

Der Düsseldorfer Komponist und Kirchenmusiker Klaus Wallrath / © privat
Der Düsseldorfer Komponist und Kirchenmusiker Klaus Wallrath / © privat

Wallrath: Natürlich mit relativ viel Respekt! – zumal Ostern nicht das Thema ist, was von den Komponisten in den meisten Fällen bearbeitet wird. Sie sprachen schon das Weihnachtsoratorium an, es gibt jede Menge Weihnachtsmusik, Kantaten, Oratorien, Motetten etc.

Es gibt auch sehr viel Passionmusik, aber es gibt sehr wenig Ostermusik. Insofern ist das noch mal eine besondere Herausforderung, da etwas zu schreiben und sich damit zu beschäftigen.

DOMRADIO.DE: Sie haben es angesprochen, es ist ein Osteroratorium. Wie kann man so etwas wie eine Auferstehung musikalisch darstellen? Das stelle ich mir sehr schwierig vor...?

Prof. Richard Mailänder dirigiert den Figuralchor der Künstlerunion Köln / © Beatrice Tomasetti (DR)
Prof. Richard Mailänder dirigiert den Figuralchor der Künstlerunion Köln / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Wallrath: Ja, da hören Sie am besten selber selber mal rein, wenn das Stück erklingt (lacht). Das zu beschreiben ist natürlich auch immer schwierig.

Der Hintergrund für die ganze Geschichte ist der, dass Richard Mailänder, der der Leiter des figuralchores und Erzdiözesankirchemusikdirektor in Köln ist, den Auftrag dazu erteilt hat.

Er hat seit langem schon die Idee, die ich auch sehr richtig finde, die Gattung des Osteroratoriums oder der Ostermusik zu fördern. Es gibt durch ihn bereits eine Menge Aufträge dazu, weil es in der Tat eine, man kann sagen, vernachlässigte Gattung ist. Das hängt aber vielleicht auch damit zusammen, dass das natürlich nicht so dramatisch ist wie zum Beispiel das Passionsgeschehen um den Tod Jesu. Das bietet natürlich erst mal sehr viel Sinn- und Augenfälligeres in der ganzen Dramaturgie, die es beinhaltet.

So eine Auferstehung ist ja schon etwas anderes. Das darzustellen ist schwierig. Und in meinem Oratorium ist es so, dass die Evangelien zu Ostern zugrunde liegen, aber nicht nur die Auferstehungsgeschichte selber, sondern in der Folge dann auch der Gang der Jünger nach Emmaus und die Begegnung von Jesus und Maria Magdalena, wie sie im Johannesevangelium steht.

Das ist ja auch eine sehr intime Geschichte, also nichts, wo man jetzt mit Pauken und Trompeten rangehen könnte. Es endet dann mit der Himmelfahrt Jesu. Es gibt also fünf Evangelienteile, die vertont sind, und es gibt auf jede Vertonung dieses Evangeliums ein anderes "Responsum", das darauf antwortet. Das sind dann Texte, die kommen teilweise aus der Ost-Liturgie oder auch unserem Lieder und Hymnen-Schatz, also Choräle. Das ist auch etwas typisch Oratorisches, dass man solche verschiedenen Formen ineinander setzt und miteinander reflektiert.

DOMRADIO.DE: Was ganz interessant ist: bei vielen Oratorien gibt es dann vor allem im Barock Zeitalter Koloraturen-Sopranistinnen, die sehr kunstvoll singen. Sie aber verzichten auf einzelne Sängerinnen und Sänger. Es singt "nur" der Chor. Was hat das für Vorteile? Aber vielleicht auch Nachteile?

Konzert am 18. Februar 2015 in St. Maria im Kapitol / © Beatrice Tomasetti (DR)
Konzert am 18. Februar 2015 in St. Maria im Kapitol / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Wallrath: Ja, das hat mich einfach sehr gereizt, ein wirkliches Chor-Oratorium zu schreiben ohne Solisten. Das ist sicherlich nicht typisch, aber ich fand das sehr interessant und eigentlich auch naheliegend, das zu tun. Erst mal ist es für den Chor natürlich eine besondere Herausforderung, die, wie ich finde, der Figuralchor wirklich ganz großartig gemeistert hat.

Klaus Wallrath

"Erst mal ist es für den Chor natürlich eine besondere Herausforderung, die, wie ich finde, der Figuralchor wirklich ganz großartig gemeistert hat"

Und ich fand es bei der Aufführung, das muss ich sagen, wirklich sehr beglückend zu sehen, dass der Chor sich sehr intensiv mit dem Stück beschäftigt hat. Das ist sicher auch ein Verdienst von seinem Leiter Richard Mailänder, da den Zugang geschaffen zu haben. Ich hatte wirklich das Gefühl, der Chor hat verstanden, was ich meine und konnte das umsetzen.

Zumal die Aufführung durch die Corona-Epidemie noch unter sehr erschwerten Bedingungen gestanden hat. Eigentlich sollte das Stück ja schon 2020 uraufgeführt werden und es ist zwei Mal verschoben worden.

Der Chor hat sich also über eine sehr lange Zeit damit auseinandersetzen müssen und da die Spannung zu halten, ist natürlich noch mal eine zusätzliche Herausforderung. Ich finde, sie haben das ganz großartig gemeistert.

DOMRADIO.DE: Und wie hat das funktioniert, da es ja in dem Sinne keine verteilten Rollen gab wie sonst bei einem Oratorium?

Wallrath: Es war für mich nicht nur eine Herausforderung, sondern ich fand es sehr, sehr spannend, einfach mal nicht so verteilte Rollen zu haben. Der Chor übernimmt alle Rollen bei diesem Stück. Und es gibt dafür auch jetzt keinen Plan, wie das Ganze passiert, sondern man muss der Handlung folgen, indem man den Chor verfolgt und in den verschiedenen Richtungen, die die Musik nimmt, mitgeht.

DOMRADIO.DE: Natürlich waren bei dem Konzert dann auch Zuhörerinnen und Zuhörer dabei. Was wollten Sie denn mit dem Werk bei den Menschen erreichen, die sich das anhören? Was sollen die im Optimal-Fall beim Hören dieses Werkes für sich mitnehmen?

Wallrath: Ich hoffe, dass sie das Ostergeschehen vielleicht auf eine andere Art neu mitvollziehen oder nachvollziehen konnten und dafür für sich etwas gewinnen konnten. Ich will vielleicht kurz erzählen, wie der Bogen in dem Oratorium gespannt ist. Die Musik ist in der ersten Viertelstunde, in den ersten 20 Minuten, eigentlich sehr ruhig.

Klaus Wallrath

"Ich hoffe, dass die Zuhörer das Ostergeschehen vielleicht auf eine andere Art neu mitvollziehen oder nachvollziehen konnten und dafür für sich etwas gewinnen konnten"

Es beginnt mit einer ruhigen Orchester-Introduction, die das motivische Material des Stückes vorstellt. Das Osterschehen wird zunächst in einer sehr ruhigen oder fast erstarrten Weise dargestellt. Der Gedanke war bei mir, dass dieses Osterngeschehen, die Auferstehung von den Toten, eigentlich unerhört und nicht zu verstehen ist.

Und so ist die Musik wirklich sehr verhalten oder eher eher statisch, wenn man so will. Und erst im dritten Block, wenn die Emmaus-Jünger sich auf den Weg machen, dann gerät auch die Musik in ziemliche Bewegung und da wird es auch ein bisschen heftiger. So gibt es eben diese Entwicklung in der Musik, die dann in der Himmelfahrt von Jesus Christus gipfelt, wo es dann noch mal eine große Kulmination und dann am Ende auch einen sehr festlichen, hymnischen Schluss-Choral gibt.

DOMRADIO.DE: Was mich dann wieder zu der Frage bringt: Was können die Menschen mitnehmen? Vielleicht ein bisschen mehr erahnen, was Ostern ist?

Wallrath: Natürlich, das ist der Gedanke dabei. Was ich natürlich als Komponist versuche, ist, verschiedene Kompositionstechnik aufzugreifen. Insgesamt finde ich, die Tonsprache ist relativ herb, aber ohne dass sie jetzt atonal oder in irgendeiner Weise nicht für "normale" Ohren nachvollziehbar wäre.

Man muss sich ein bisschen drauf einlassen. Man kann es nicht nebenbei hören. Aber es ist schon der Versuch, die modernen Kompositionstechniken, die uns zur Verfügung stehen, in einer Weise für den Chor einzusetzen, dass es anspruchsvoll ist - es ist ja schon ein Kammerchor, der das Ganze übernimmt - aber dass die Musik doch zugänglich bleibt.

Das Interview führte Mathias Peter.

INFO: Der Mitschnitt der Uraufführung vom Ostermontag wird an Fronleichnam um 20 Uhr im DOMRADIO ausgestrahlt.

Quelle:
DR