"Wir bitten, auf die Verwendung von Parfüm, Kosmetika und Schmuck zu verzichten", wurden die Besucher einer buddhistischen Wallfahrtstätte instruiert. Der jüdisch-christlichen Glaubenswelt ist eine solche Aufforderung fremd. Schon in der zweiten Schrift der Bibel, dem Buch Exodus, übermittelt Jahwe Mose die Rezeptur für ein Salböl, das im Heiligtum des auserwählten Volkes Verwendung finden soll (Ex 30, 22-25); und auch die Ingredienzen für ein Räucherwerk werden dem Führer der Israeliten mitgeteilt (Ex 30,34-35).
Wohlgerüche bleiben im Alten Testament aber nicht nur dem Kult vorbehalten, sie durchdringen den ganzen Lebensbereich des Menschen. So empfiehlt Noomi, die ihre verwitwete Schwiegertochter wiederverheiraten möchte, sich vor einem Besuch bei ihrem künftigen Ehemann zu salben (Ruth 3,3); das Buch Ester berichtet, dass die Frauen, die dem König für seinen Palast vorgestellt wurden, sich zuvor einer 12-monatigen Schönheitspflege unterziehen mussten – "sechs Monate mit Myrrhenöl und sechs Monate mit Balsam und anderen Schönheitsmitteln" (Est 2,12). Würde man aus dem "Hohen Lied", dem "Lied der Lieder", die Erwähnung von Aromen und Salb-ölen tilgen, fiele es kurz aus und wäre für den Leser kaum noch verständlich.
Eine Mischung aus Myrrhe und Aloe
Das Neue Testament steht in der Tradition zum Alten Testament – auch in dieser Hinsicht. Zur Begrüßung eines Gastes war es üblich, ihm als Zeichen der Wertschätzung auf die Stirn Salböl aufzutragen. Im Evangelium des Lukas verwendet eine Sünderin wohlriechendes Öl, um Jesus die Füße zu salben und ihn um Vergebung ihrer Schuld zu bitten (Lk 7,36-49). Beim jüdischen Begräbnis war es üblich, den Leichnam mit Wohlgerüchen beizusetzen; Nikodemus stiftete für die Beisetzung Jesu "eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund" (Joh 19,39-40). Aromen und Ölen verbleiben in der Bibel nie bei einer rein praktischen Anwendung, ihnen kommt immer auch eine höhere, endzeitliche Deutung zu. Der Gemeinde von Korinth schrieb der hl. Paulus: "Dank sei Gott, der uns stets im Siegeszug Christi mitführt und durch uns den Duft der Erkenntnis Christi an allen Orten verbreitet. Denn wir sind Christi Wohlgeruch für Gott unter denen, die gerettet werden, wie unter denen, die verloren gehen" (2 Kor 2, 14-15).
Der Völkerapostel wird jedoch kaum geahnt haben, dass an dem Ort seines Martyriums und seiner irdischen Ruhe Aromen eine bedeutsame Rolle spielten und spielen. Tre Fontane, die Hinrichtungsstätte des hl. Paulus vor den Toren Roms, galt noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts als Malariagebiet. In den damaligen Zeiten waren die ätherischen Öle des dort wachsenden Eukalyptus der wirksamste Schutz vor der oft tödlichen Seuche. An der Grabeskirche des Apostels bei der Via Ostiense wirken seit Jahrhunderten Mönche. Sie tragen dort aber nicht nur für die seelische Gesundheit der ihnen anvertrauten Gläubigen Sorge, sondern auch für deren leibliches Wohlergehen. Das Kloster verfügte schon in frühster Zeit über eine Apotheke. Aber nicht nur Medizin konnte dort erworben werden; Kräutermischungen, Öle und Salben zur Körperpflege wurden und werden dort verkauft. Über Jahrhunderte besaßen die klösterlichen Gemeinschaften beinahe ein Monopol über diesen Wirtschaftszweig. In Abteien und Konventen werden auch heute noch Kräuter gesammelt und aus ihnen hochwertige Essenzen gewonnen, die für die Zusammenstellung von Arzneien und Kosmetika nötig sind. Im bayerischen Kloster Ettal hat ein neu kreiertes Parfüm in Anspielung auf den 2. Korintherbrief die Bezeichnung "Bonus Odor" erhalten – es ist "ein frischer und sportlicher Duft für den Herrn, elegant und nicht schwer; es unterstreicht dezent die Persönlichkeit und Individualität des Trägers". Die bibelfesten Mönche werden bei ihrer Kreation vielleicht auch durch den Betrug des Jakob an seinem Bruder Esau inspiriert und gewarnt worden sein: "Isaak roch den Duft seiner Kleider, er segnete ihn und sagte: Ja, mein Sohn duftet wie das Feld, das der Herr gesegnet hat" (1 Gen 27,27).
"The Pope’s Cologne"
Als Geheimtipp für ein "kirchliches" Parfüm gilt jedoch ein "päpstlicher" Duft: "The Pope’s Cologne". Er wird jedoch nicht in einer klösterlichen Gemeinschaft gefertigt, sondern von katholischer Laienhand. Vor einigen Jahren wiederbelebte ein amerikanischer Arzt ein Aftershave, dessen Gebrauch Pius IX. (1846-1878) nachgesagt wird. Dr. Fred Hass aus San Rafael in Kalifornien fand in einem Rezept- und Kochverzeichnis der Familie De Charette die entsprechende Rezeptur. Das in der Vendée beheimatete französische Adelsgeschlecht galt als besonders kirchen- und papsttreu. Im 19. Jahrhundert dienten zahlreiche Mitglieder der Familie in der päpstlichen Armee. Mit dem berühmten Zuaven-Oberstleutnant Athanase de Charette war Pius IX. auch persönlich befreundet. Ihm soll er die Zusammensetzung seines Rasierwassers anvertraut haben. Da der Papst als leutselig galt, lässt sich diese Behauptung nicht ohne weiteres von der Hand weisen – aber auch nicht zwingend beweisen. Wie sich die Rezeptur genau zusammensetzt, will Fred Hass nicht verraten: elf Ingredienzien seien es, darunter Orangenblüten, Zitronenmelisse, Lavendel, Veilchen und Nelken.
Erste Experimente hatte Hass gemeinsam mit seiner Frau Miriam in der heimischen Küche unternommen. Für den bekennenden Katholiken war dies "eine ganz besondere Art des Erlebens von Kirchengeschichte". Vom Gelingen seiner Experimente aber war er dann doch überrascht. Das Produkt wurde zunächst im Freundes- und Bekanntenkreis erprobt und stieß auf begeisterte Zustimmung. Als sich katholische Andenkenläden und amerikanische Parfümerien immer mehr für "The Pope’s Cologne" zu interessieren begannen, gründete der Arzt sogar einen eigenen Vertrieb. Viele Bestellungen kommen aus Übersee, auch aus Rom und dem Vatikan. Auf die Frage, wer denn zu den Beziehern aus dem Kirchenstaat gehöre, gibt Dr. Hass keine Antwort. Lächelnd empfiehlt er, bei Besuchen in der Ewigen Stadt auf "einen frischen, mit Noten von Zitrusfrüchten und Lavendel durchsetzten, aber dennoch unaufdringlichen Duft" zu achten.
Der geschäftstüchtige Arzt hat – Pontifikat für Pontifikat – sein "Sortiment" erweitert. Er kreierte zu Ehren des deutschen Papstes das Aftershave "Benedictus" und schon kurze Zeit nach der Wahl seines Nachfolgers das entsprechende "Francis".