DOMRADIO.DE: Die "Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung" (GKKE) hat heute Regierung und Bundestag aufgefordert, ein Rüstungsexportkontrollgesetz auszuarbeiten und zu beschließen. Da fragt sich der Laie: Wie funktioniert es denn bisher? Waffenhersteller können doch nicht Waffen liefern, wohin sie wollen, oder?
Prälat Karl Jüsten (Katholischer Vorsitzender im Leitungsausschuss der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, GKKE): Nein, bisher gibt es ein Genehmigungsverfahren. Bisher wird vom Bundessicherheitsrat unter Federführung des Wirtschaftsministeriums beschlossen, welche Waffen an sogenannte Drittstaaten exportiert werden sollen, also an Länder, die weder Nato-Mitglieder noch Mitglieder der Europäischen Union sind.
Das ist dann im Grunde genommen vom Gutdünken des Wirtschaftsministeriums abhängig. Die müssen sich zwar an Rüstungsexportrichtlinien halten, die die Bundesregierung sich selber gegeben hat. Aber das ist untergesetzlich, das heißt, wenn Verstöße stattfinden, bleibt es ohne Konsequenz.
DOMRADIO.DE: Deshalb braucht es das Gesetz. Was passiert mit diesen Waffen? Wo werden sie gegen die Bevölkerung eingesetzt?
Jüsten: Es gibt ja sehr unterschiedliche Waffen. Am verheerendsten sind Kleinwaffen, wenn sie exportiert werden, weil deren Verbleib in der Regel nicht gesichert werden kann. Das heißt, die landen meistens in Händen von irgendwelchen Schurken oder Menschen, die damit Menschenrechtsverletzungen betreiben. Diese Kleinwaffentransporte, das dürfen wir erfreulicherweise melden, sind zurückgegangen.
Dann gibt es Waffen, die in Länder exportiert werden, die wir als menschenrechtlich problematisch einschätzen. Und dann gibt es eben Waffen, die in Länder exportiert werden, die Kriegsparteien sind. Und das widerspricht nun unseren Rüstungsexportrichtlinien expressis verbis. Deshalb schauen wir da besonders stark hin.
DOMRADIO.DE: Was würde denn ein Rüstungsexportkontrollgesetz bringen?
Jüsten: Na ja, wenn es gesetzlich wäre, dann würde geregelt sein, dass bestimmte Sachen verboten sind - und dann muss sich der Gesetzgeber oder der Exporteur gesetzlich daran halten.
Außerdem kommt dann möglicherweise das Parlament noch einmal anders ins Spiel. Wir möchten ja auch, dass sich das Parlament mit der Sache befasst und das Parlament über diese Dinge zu entscheiden hat. Dann gibt es auch eine öffentliche Debatte darüber, wohin welche Rüstungsgüter exportiert werden.
DOMRADIO.DE: Was würde das ganz konkret bedeuten? Würden dann zum Beispiel keine deutschen Waffen mehr nach Saudi-Arabien geliefert, die dann im Bürgerkrieg im Jemen eingesetzt werden?
Jüsten: Das wäre unsere große Hoffnung. Die Bundesregierung hat bereits den Verzicht auf Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien erklärt - allerdings gar nicht wegen des Krieges in Jemen, sondern wegen dieses furchtbaren Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi. Wir sagen, dass nach Saudi-Arabien deshalb keine Waffen exportiert werden dürfen, weil das Land Kriegspartei im Jemen ist.
DOMRADIO.DE: Die GKKE fordert seit Jahren eine stärkere Rüstungskontrolle. Bewegt sich in dieser Richtung etwas in der Bundesregierung?
Jüsten (seufzt): Ach, das ist ein Auf- und Ab. Mal ist es besser, mal schlechter. Dieses Jahr sind Rüstungsexporte insgesamt etwas zurückgegangen. Allerdings muss man sagen, dass diese die vergangenen Jahre extrem hoch waren.
Insgesamt, glaube ich, hat mit dazu beigetragen, dass wir als Kirchen unseren Rüstungsexportbericht vorlegen. Dass es sozusagen einen Referenztext gibt, mit dem Journalisten gucken können, ob das, was die Bundesregierung sagt, stimmt oder nicht stimmt. Und da kann man im Einzelfall überprüfen, ob die Bundesregierung sich an diese Richtlinien gehalten hat oder eben nicht.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich als nächsten Schritt über dieses Rüstungsexportkontrollgesetz hinaus?
Jüsten: Wir sind natürlich europäisch unterwegs, und hoffen, dass die EU-Staaten einen gemeinsamen Standpunkt für die kontrollierte Ausfuhr von Militärgütern und Technologie erarbeitet. Wir sind in Deutschland nicht mehr allein, sondern vernetzt. Viele Waffen werden gemeinsam entwickelt und gemeinsam produziert. Und deshalb glauben wir, dass es gut ist, wenn die Europäische Union sich gemeinsame Rüstungsexportrichtlinien gibt.
Das Interview führte Katharina Geiger.