Die Hochzeitskapelle "Little White Wedding Chapel" am Las Vegas Boulevard wirkt auf den ersten Blick wie ein Fremdkörper. Eingerahmt von einem Motel und einem Tattoo-Studio geben sich in der White Chapel Paare im Eiltempo das Ja-Wort. Die "New York Times" würdigte den Ort kürzlich voller Ironie für seinen "schamlosen Kitsch".
Inzwischen ist die "Hohepriesterin" des allzu weltlichen Vermählungstempels, Charolette Richards (86), ebenso in die Jahre gekommen wie ihr Geschäft. In fast sieben Jahrzehnten ließen sich bei ihr Tag für Tag Paare trauen. Sie selbst will seit 1991 an mehr als 50.000 Hochzeiten teilgenommen haben. Insgesamt seien es wohl einige hunderttausend Eheschließungen gewesen, behauptet sie.
"One Stop Shop"-Geschäftsmodell
Das erscheint gut möglich angesichts ihres "One Stop Shop"-Geschäftsmodells. Die emotionale Hochzeitszeremonie gerät bei ihr zum Zehn-Minuten-Quickie. Im Frühjahr jedoch hatte Richards genug. Sie bot die Weiße Kapelle auf dem Vegas Strip für zwölf Millionen US-Dollar (10,8 Millionen Euro) zum Verkauf an.
Doch die Ikone im Spielerparadies erwies sich als Ladenhüter. Von April bis Oktober fand sich kein einziger ernsthafter Interessent für das Etablissement, in dem Showgrößen wie Frank Sinatra, Bruce Willis oder Britney Spears heirateten.
Zahlen gehen in den Keller
Aus gutem Grund, wie ein Blick in die Entwicklung der Hochzeits-Branche von Las Vegas zeigt. Seit 2008 gehen die Zahlen in den Keller. Mittlerweile liegt der Umsatz mindestens eine Milliarde Dollar unter dem Wert des Spitzenjahres 2004.
"Wir können es uns nicht leisten, unseren Status als Nummer eins für selbstverständlich zu halten", sagt Lynn Goya, die in der Verwaltung des Bezirks Clark County (Nevada) arbeitet.
Tatsächlich liegt die Zeit der Rekorde weit zurück. Am "Blackjack Day" (7.7.2007) brachte Richards 547 Paare per Schnelltrauung in der White Chapel unter die Haube. Für das besondere Erlebnis reichten ein Lichtbildausweis und 77 Dollar Gebühren.
Konkurrenz lockt mit Dumpingpreisen
Obwohl die Boom-Jahre vorüber sind, beschäftigt die Branche in Las Vegas immer noch rund 10.000 Menschen. Goya schätzt den in der Metropole generierten Jahresumsatz im Geschäft mit dem Ja-Wort auf 2,5 Milliarden Dollar (2,25 Milliarden Euro). Eigentlich sollte das reichen, um jemanden für eine Top-Immobilie wie die White Chapel zu interessieren. Wäre da nicht die Konkurrenz. Die setzt Richards mit Dumpingpreisen zu.
Die US-Heiratsrezession hat auch mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen zu tun. So spielen etwa finanzielle Belastungen junger Akademiker eine wichtige Rolle, die über Jahre und Jahrzehnte ihre immensen Studiengebühren abtragen müssen.
Weniger kirchliche Trauungen
Nicht nur der Heiratsmarkt in Las Vegas kriselt. Auch die Kirchen in den USA leiden unter der Entwicklung - wenn auch nicht aus kommerzieller Sicht. In weniger als einem Jahrzehnt ist die Zahl der kirchlichen Trauungen um fast die Hälfte zurückgegangen.
2017 waren Geistliche nur noch bei jeder fünften Trauung dabei. Das Läuten der Kirchenglocken am Tag des Eheversprechens ist in den USA heute eher die Ausnahme als die Regel.
Bekräftigung von Eheversprechen im Trend
So ganz sind feierliche Hochzeitszeremonien aber freilich nicht aus der Mode gekommen. Als Marktlücke haben die Heiratsunternehmer von Las Vegas das Geschäft mit der Bekräftigung bereits abgelegter Eheversprechen entdeckt.
Trotz neuer Geschäftsmodelle fand Richards jedoch niemanden, der ihr die Millionen für ihre White Chapel geben wollte. Also nahm sie die Immobilie vom Markt und machte weiter. "Es ist so, wie ich es meinen Brautpaaren immer sage", erklärt die Dame ihren Wiedereinstieg ins Hochzeitsgeschäft. "Ich liebe dich. Ich brauche dich. Ich kann ohne dich nicht sein. So denke ich über mein Geschäft."