DOMRADIO.DE: Vor fünf Jahren habe ich mit Ihrem Vorgänger im Katholischen Büro gesprochen, der nicht so richtig glücklich darüber war, dass er künftig von Bodo Ramelow regiert wird. Heute wäre man fast froh über den Wahlausgang von 2014 – was denken Sie?
Dr. Claudio Kullmann (Leiter des katholischen Büros in Erfurt): Das ist vielleicht nicht ganz die richtige Kategorie, aber Sie haben natürlich Recht. Wenn die jetzige Regierungskoalition auch weiter das Mandat der Wählerinnen und Wähler bekommen hätte, hätte man jetzt eine stabile Regierungsperspektive. Das ist nun nicht so. Im Moment werden natürlich viele Farbenspiele gemacht. Aber es fehlen vielen Beobachtern – so auch mir – im Moment noch die Fantasie, sich vorzustellen, auf was das Ganze hier in Thüringen hinauslaufen soll.
DOMRADIO.DE: Den Auftrag zur Regierungsbildung hat Bodo Ramelow. Sie sind jetzt seit zwei Jahren im Amt und kennen auch den Ministerpräsidenten. Wie ist Ihr Eindruck?
Kullmann: Er ist natürlich ein Mitglied seiner Partei, das ist klar. Man kann schon sagen, dass die Linke an sich hier in Thüringen – und der Ministerpräsident noch einmal im Besonderen – sicher nicht das Bild eines Politikers der Linken, wie man es landläufig haben mag, abgibt. Die Linke ist fast eine Art bürgerliche Partei. Der Ministerpräsident hat ein Image des Landesvaters aufgebaut, sodass er auch in Kreisen und von Menschen wählbar ist, die sonst wirklich nicht Parteigänger der Linken wären.
DOMRADIO.DE: Er ist evangelischer Christ. Vereinfacht das Ihre Arbeit als Leiter des Katholischen Büros in Thüringen?
Kullmann: Ich denke schon. Er ist niemand, der sein Christsein vor sich herträgt. Aber er lebt es – und ich denke schon auch glaubwürdig. Er sagt auch immer wieder, dass er ansprechbar für kirchliche Themen ist. Das merke ich schon auch in meiner Arbeit.
DOMRADIO.DE: Wo könnten Sie ihn zum Beispiel als Partner gewinnen?
Kullmann: Da fällt mir spontan unser letztes Ringen um die Sicherung des Religionsunterrichts ein. Wir haben hier in Thüringen sehr besondere Bedingungen. Das sind extreme Diasporasituationen, vom Eichsfeld einmal abgesehen. Da konnten wir in der Vergangenheit mit seiner Hilfe doch manche Widerstände überwinden, um Modellprojekte zur Fortentwicklung des Religionsunterrichts umzusetzen. Das sind beispielsweise der online-gestützte Religionsunterricht oder auch die konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht.
DOMRADIO.DE: Während die sogenannten Volksparteien zum Teil sogar zweistellig verloren haben, konnte die AfD zweistellig dazugewinnen. Können wir von einem Rechtsruck bei der Wahl in Thüringen sprechen?
Kullmann: Man hat es ja erwartet, dass es so kommt. Das starke Abschneiden kann uns natürlich absolut nicht gleichgültig sein und sollte uns sehr zu denken geben. Mit Björn Höcke ist ein Protagonist des mittlerweile auch vom Verfassungsschutz beobachteten völkisch-nationalistischen Flügels in Thüringen sehr stark geworden. Wir erleben die AfD als eine Partei, die die Gesellschaft spaltet. Sie hat mit ihrer Kampfansage gegen die vermeintliche "political correctness" die Anstandsgrenzen in diesem Land verschoben.
Sie löst aber auf der anderen Seite keine Probleme. Aus der speziell kirchlichen Sicht muss man sagen, sie hat sich hier auch sehr kämpferisch geriert. Die AfD hat gegen unsere Schulen gehetzt, uns als Teil der Asyl-Lobby bezeichnet und will unseren Einfluss beenden. Da können wir letztlich nicht sehr froh sein – eben auch nicht über das Abschneiden der AfD.
DOMRADIO.DE: Ein Wort noch zur Wahlbeteiligung. Sie ist deutlich besser als 2014. Würden Sie sagen, dass Politik wieder interessiert?
Kullmann: Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass die Wahlbeteiligung so stark auf 65 Prozent angestiegen ist. Das ist ein sehr gutes Signal, dass Menschen sich doch zunehmend wieder mit politischen Beteiligungsformen beschäftigen.
Ich würde mir nur wünschen, dass dieses Interesse jetzt auch anhält, wenn es um die politische Sacharbeit geht und viele Menschen weiter Anteil an den Fragen und den politischen Prozessen nehmen, die unser Land betreffen.
Das Interview führte Tobias Fricke.