DOMRADIO.DE: Warum feiern Christen Ostern zu unterschiedlichen Terminen?
Dr. Johannes Oeldemann (Orthodoxie-Experte, Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik, Paderborn): Weil sie schlicht und ergreifend verschiedene Kalender verwenden: die Katholiken und die Protestanten in der Regel den Gregorianischen Kalender, das entspricht unserem zivilen Kalender, der 1582 von Papst Gregor XIII. eingeführt worden ist, und die Orthodoxen den Julianischen Kalender. Dessen Name geht auf Julius Cäsar zurück und der hat schon 46 v. Chr. diesen Kalender eingeführt.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Kalendern beträgt heute 13 Tage und das führt dann dazu, dass es bei der Berechnung des Ostertermins auch Unterschiede gibt. Alle Kirchen halten sich eigentlich an die Regel, wie schon vom Konzil von Nicäa 325 formuliert worden ist, dass man Ostern am Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond, nach der Frühjahrs-Tag- und Nachtgleiche am 21. März, feiert. Aber dieser 21. März liegt eben nach altem und neuem Kalender 13 Tage auseinander.
Man kann das in diesem Jahr ganz schön erläutern. Nach unserem Kalender ist am 28. März Vollmond und deswegen feiern wir Ostern am 4. April. Aber der 28. März liegt nach dem alten Kalender noch 13 Tage zurück. Da ist erst der 15. März und deswegen ist für die Orthodoxen der erste Frühjahrsvollmond erst am 27. April. Und deswegen feiern die orthodoxen Christen in diesem Jahr erst am 2. Mai Ostern.
Also an diesen unterschiedlichen Kalendern liegt es, dass die Termine unterschiedlich berechnet werden. Häufig geht es auseinander, manchmal liegt es auch beieinander. Das nächste Mal wird das im Jahr 2025 sein.
DOMRADIO.DE: Wie alt ist die Diskussion, die Ostertermine von Katholiken und Orthodoxen dauerhaft zusammenzulegen?
Oeldemann: Die Diskussion über den Ostertermin gibt es schon ganz lange. Ich kann drei Beispiele nennen: Die Orthodoxen haben das schon 1961 auf die Agenda für ihr sogenanntes Panorthodoxes Konzil gesetzt und da stand es auch über die Jahrzehnte, die man das vorbereitet hat, mit drauf. Erst ganz kurz vor der Zusammenkunft im Juni 2016 auf Kreta hat man das von der Tagesordnung wieder runtergenommen, weil klar war, man würde keine Einigung darüber erzielen können.
Es hat auch schon einmal eine Initiative vom Ökumenischen Rat der Kirchen gegeben. Die haben 1997 in Aleppo in Syrien eine Konsultation zu dieser Frage des Ostertermins organisiert und - wie ich finde - einen sehr interessanten Vorschlag gemacht, nämlich dass man diesen Ostertermin mit neuesten astronomischen Methoden berechnet und sich dann am Meridian von Jerusalem orientiert, also dem Ort, wo die Osterereignisse stattgefunden haben. Das hätte nämlich auf beiden Seiten, sowohl im Blick auf den Gregorianischen als auch auf den Julianischen Kalender, zu Änderungen geführt. Denn die größten Vorbehalte gegen den Gregorianischen Kalender auf orthodoxer Seite bestehen darin, dass es ein "katholischer" Kalender ist, den man dann übernimmt.
Und das dritte Beispiel: Papst Tawadros II., das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, hat 2014 in einem Brief an Papst Franziskus vorgeschlagen, da doch endlich zu einem gemeinsamen Ostertermin zu finden. Im Gespräch war damals eine ganz neue Regelung, nämlich jeweils den zweiten oder dritten Sonntag im April dafür festzulegen. Und obwohl sich auch andere Kirchenführer, wie z.B. Erzbischof Justin Welby, das Oberhaupt der Anglikaner, diesem Vorschlag angeschlossen haben, ist es da bislang nicht wirklich zu einem Durchbruch gekommen.
Das hat - glaube ich - damit zu tun, dass vor allen Dingen die Orthodoxen sich schwer tun würden, von dieser Regel, die damals in Nicäa 325 formuliert worden ist, abzuweichen.
DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es aktuell einen neuen Vorstoß aus dem Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel. Aber innerhalb der Orthodoxie gibt es auch Spannungen, vor allem zwischen Konstantinopel und Moskau. Spielt die politische Dimension bei so einer Frage auch eine Rolle?
Oeldemann: Das spielt sicher mit hinein und wenn Konstantinopel die Idee eines gemeinsamen Ostertermins alleine vorantreiben würde, dann wäre vermutlich auch mit Widerspruch aus Moskau zu rechnen; weniger aus sachlichen und theologischen Gründen, sondern eher aus psychologischen Gründen.
Aber das wäre wahrscheinlich auch nicht viel anders, wenn der Vorschlag jetzt von Papst Franziskus gekommen wäre. Auch da hätten dann viele orthodoxe Kirchenführer Bedenken, einen Vorschlag von katholischer Seite zu übernehmen, weil das die orthodoxen Fundamentalisten wieder als eine Art Unterwerfung unter die katholische Kirche auslegen würden.
Deswegen glaube ich, dass eine solche Initiative nur dann Erfolg haben kann, wenn sie von vornherein ökumenisch angelegt wird, gemeinsam vorangetrieben wird. Das war sicherlich auch die Intention, schon bei Papst Tawadros II. und Papst Franziskus, da eine gemeinsame Initiative zu starten.
Das Neue an dem Vorschlag, den der Erzbischof Job von Telmessos im Blick auf das Jahr 2025 gemacht hat, ist die große Chance, weil es das Jubiläumsdatum des Konzils von Nicäa ist. Auch auf orthodoxer Seite gibt es jetzt schon Überlegungen, wie man dieses Jubiläum adäquat gestalten kann.
Damit es nicht nur ein Erinnern an Vergangenes ist, sondern auch ein Zugehen auf Neues in der Zukunft, wäre das natürlich ein wunderbares Zeichen, wenn man sich aus Anlass dieses Jubiläums einigen könnte, Ostern ab 2025 fortan gemeinsam zu feiern.
DOMRADIO.DE: Was hätte eine dauerhafte Zusammenlegungen für Konsequenzen? Jerusalem ächzt ja jetzt schon, wenn der Ostertermin von Katholiken und Orthodoxen zusammenfällt und Pilger aus beiden Richtungen in das Heilige Land kommen.
Oeldemann: So gesehen hat das natürlich Vor- und Nachteile. In meiner Brust schlagen auch zwei Herzen. Ich selber nutze momentan die unterschiedlichen Ostertermine, um einerseits Ostern ganz normal nach dem katholischen Ritus zu feiern, aber dann gerne auch anschließend die orthodoxe Osternachtsfeier an einem anderen Datum mitzufeiern. Das ginge natürlich nicht mehr, wenn es jetzt zusammenfällt.
Aber ich glaube, dass diese doch eher pragmatischen Fragen zurückstehen sollten hinter dem gemeinsamen Zeugnis, dass alle Christen gemeinsam Ostern feiern können. Ich glaube, das wäre ein wichtiges Signal jetzt nicht nur innerchristlich für die Ökumene, sondern auch nach außen, gegenüber der Welt, dass wir Ostern gemeinsam zusammen feiern.
Ich glaube, dass es auch im Blick auf viele Gläubige wichtig ist. Wir haben das vielleicht bei uns in Deutschland nicht so im Blick. Aber es gibt weltweit gesehen und inzwischen auch bei uns doch viele konfessionsverschiedene Ehen, wo auch orthodoxe Christen mit westlichen Christen, mit einem Katholiken oder Protestanten verheiratet sind. Und für die sind die unterschiedlichen Ostertermine ein echtes Problem. Also jetzt in diesem Jahr, wo vier Wochen dazwischen sind: Der katholische Partner will Anfang April Ostern feiern und der orthodoxe Partner muss noch vier Wochen fasten. Wie soll das denn gehen? Der eine soll fasten, der andere will feiern.
Ich erlebe das hier auch mit unseren orthodoxen Stipendiaten, die ich betreue. Da stehen wir auch vor der Frage, was wir in der Zeit zwischen unserem Ostern und deren Ostern machen. Singen wir da schon unsere Osterlieder oder tun wir das nicht, weil das in deren Fastenzeit vielleicht nicht so angemessen ist?
Von daher ist das gemeinsame Osterfest jetzt nicht nur eine kirchenpolitische Frage und eine ökumenische Herausforderung, sondern wirklich auch eine pastorale Aufgabe, die wir nicht vernachlässigen sollten. Deswegen finde ich diese Initiative, die von Erzbischof Job ergriffen worden ist, auf jeden Fall unterstützenswert und würde mich freuen, wenn das zum Ziel führt.
Aber es wird - glaube ich - nur gelingen, wenn daraus eine gemeinsame ökumenische Initiative wird.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.