DBK-Sprecher Kopp wegen Ukraine-Krieges in Sorge um Georgien

"Die Bevölkerung ist unruhig"

Die Menschen in Georgien haben angesichts des Ukraine-Krieges vielerorts Angst. Könnte Georgien das nächste Ziel Russlands sein? Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, bemerkt zunehmende Spannungen im Land.

Solidaritätskundgebung in Georgien mit den Menschen in der Ukraine / © Murrr Photo (shutterstock)
Solidaritätskundgebung in Georgien mit den Menschen in der Ukraine / © Murrr Photo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Alle schauen im Moment eigentlich eher auf die Ukraine. Warum sind Sie nach Georgien gereist?

Matthias Kopp / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Kopp / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Matthias Kopp (Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz): Wir haben mit der Thomas-Morus-Akademie aus dem Erzbistum Köln entschieden, dass wir in dieser schwierigen Situation noch einmal mit einigen Leuten nach Georgien reisen wollen, um uns ein Bild von der Lage im Land zu machen. Die große Sorge ist, dass eine Konfrontation der russischen Regierung demnächst auch Georgien treffen könnte.

Georgien hat die Erfahrung gemacht, dass Russland im Jahr 2008 schon einmal einmarschiert ist, sich dann in Teilen zurückgezogen hat. Es gibt ein abtrünniges Gebiet, Süd-Ossetien, das zu Georgien gehört und von Russland okkupiert ist. Dort werden die Grenzpfähle jeden Tag einen Meter weiter in das georgische Land hineingezogen. Es gibt eine große Unruhe, dass es über kurz oder lang zu einer militärischen Eskalation kommen kann.

Georgische Flagge / © Eva Pruchova (shutterstock)

Umso wichtiger sind die Verhandlungen, die die Europäische Union führt, um zum einen die Grenze zu Slowenien zu sichern und um zudem sicherzustellen, dass Georgien seinen Weg in die Europäische Union nehmen kann. Das wurde vor ein paar Wochen vom Europäischen Parlament zunächst noch nicht angenommen.

DOMRADIO.DE: Sie sind nicht zum ersten Mal vor Ort. Was sagen Sie? Wie hat sich das Land seit dem Krieg verändert?

Kopp: In Georgien sind zwei Dinge auffällig. Erstens, dass der Wechselkurs rapide verfallen ist. Das hatte was mit dem Krieg zu tun, weil - und das ist der zweite Grund - sehr viele Russen nach Georgien gekommen sind, die es noch über die Grenze geschafft haben.

Man versucht nicht mehr, hier Urlaub zu machen. Es gibt viele Russen, die versuchen den Krieg hier gewissermaßen "zu überwintern". Das hat in der Bevölkerung durchaus eine gewisse Unruhe verursacht.

In Georgien ist die Bevölkerung im Gegensatz zu Armenien grundsätzlich nicht pro-russisch. Dadurch sind die Wechselkurse ein bisschen durcheinandergeraten. Man sieht sehr viele russische Autos, normale PKWs auf den Straßen, natürlich auch viele LKWs.

Da stellt sich natürlich die Frage, wie viele Russen eigentlich hinter diesem Krieg von Putin stehen. Die Russen jedenfalls, die hier nach Georgien kommen und mit denen ich ein bisschen Kontakt hatte, sagen sehr klar, dass sie diesen Krieg nicht miterleben und ihr Leben in Frieden verbringen wollen. Deshalb sind sie gerade hier.

DOMRADIO.DE: Im März hat Georgien den EU Beitritt beantragt. Das klingt nach einem Balanceakt. Auf der einen Seite Zurückhaltung gegenüber Russland und auf der anderen Seite vorsichtige Annäherungsversuche an den Westen. Wo in diesem ganzen Spannungsverhältnis steht die Kirche?

Kopp: Der georgisch-orthodoxe Patriarch Ilia II., immerhin seit 1970 im Amt, verhält sich sehr diplomatisch. Es gibt keinen direkten Kontakt zu Kyrill von Moskau, weil die georgisch-orthodoxe Kirche autokephal ist, also völlig autonom. Die georgisch-orthodoxe Kirche versucht, die Bevölkerung darauf einzuschwören, dass die staatliche Integrität Georgiens in jedem Fall erhalten bleiben muss.

Natürlich gibt es immer wieder einzelne Kontakte zwischen den Regierungen und zwischen den Kirchen. Aber grundsätzlich geht es um die staatliche Integrität und Territorialität Georgiens, die auch von der großen georgisch-orthodoxen Kirche gepredigt wird.

Wir haben ein Prozent Katholiken in Georgien mit einem Bischof in Tiflis, der seit 1995 von Johannes Paul II. als Administrator eingesetzt wurde und mittlerweile auch Bischof ist. Der leistet eine Unmenge von Arbeit mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - vor allem bei der Caritas, die versucht, die größte Not zu lindern.

Es gibt nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine Fluchtbewegungen in Georgien. Diese erstrecken sich schon über Jahre und Jahrzehnte aus den Nachbarstaaten Inguschetien, Tschetschenien und anderen. Da leistet die katholische Kirche für die Bevölkerung, egal ob orthodox, muslimisch oder anders gläubig, einen ganz großen Beitrag.

DOMRADIO.DE: Das heißt, das Verhältnis zwischen den Konfessionen und Religionen in Georgien ist ein gutes?

Glockenturm mit georgischer Flagge in der Nähe der Dreifaltigkeitskirche von Tiflis / © Vojtech Laska (shutterstock)
Glockenturm mit georgischer Flagge in der Nähe der Dreifaltigkeitskirche von Tiflis / © Vojtech Laska ( shutterstock )

Kopp: Das könnte besser sein. Georgien gilt immer als Brückenkopf für den Okzident und den Orient. Das ökumenische Gespräch mit der georgisch-orthodoxen Kirche ist eher schwierig.

Aber die kleine katholische Minderheit versucht ihrem Dienst gerecht zu werden und mit der Caritas für alle zu arbeiten und nicht nur für eine kleine katholische Minderheit.

Am ökumenischen Dialog muss noch gearbeitet werden. Als Papst Franziskus 2016 hier war, gab es die ersten wichtigen ökumenischen und auch theologischen Annäherungen. Aber die bedürfen einer weiteren Vertiefung in den kommenden Jahren.

Das interview führte Hannah Krewer.

Römisch-katholische Kirche in Georgien

Die Römisch-katholische Kirche in Georgien gehört zur römisch-katholischen Kirche mit dem Primat des Papstes. Die Mehrheit der Georgier gehört der traditionelle christlichen Kirche der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche an. Neben Muslimen ist die Armenische Apostolische Kirche in Georgien zu finden. Eine Minderheit von 0,8 % der Bevölkerung gehören der Armenisch-katholischen Kirche, der lateinischen Kirche sowie der Chaldäisch-katholischen Kirche an.

 (DR)
Quelle:
DR