DBK-Sprecher Kopp zur Anerkennung des Staates Palästina durch den Vatikan

"Der Vatikan bietet Verhandlungsgrundlagen an"

Zu Beginn des Jahres hat der Vatikan Palästina offiziell als Staat anerkannt. Ziel sei es, den Friedensprozess zu unterstützen - doch daran zweifelt Israel. Eine Einschätzung von Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz und Nahost-Experte.

Vatikan hat Palästina als Staat anerkannt / © Abir Sultan (dpa)
Vatikan hat Palästina als Staat anerkannt / © Abir Sultan ( dpa )

domradio.de: Wie hat der Vatikan die Anerkennung des Staates Palästina begründet?

Matthias Kopp: Es geht hierbei darum, dass eine Aussöhnung zwischen zwei Völkern stattfinden soll. Im Jahr 1994 sind volle diplomatische Beziehungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl aufgenommen worden, was sechs Jahre später darin mündete, dass die palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und der Vatikan ein Rahmenabkommen beschlossen haben, in der sie eine gegenseitige Kooperation vereinbarten. Das Abkommen war im Jahr 2000 sehr wichtig, auch wenn es kein staatlich relevantes Abkommen war, weil die PLO ja kein Staat ist. Aber es ging dabei unter anderem um Fragen der Religionsfreiheit und um Fragen der Finanzhoheit der Kirche.

Und daraus ist dann über viele Jahre weiter verhandelt worden, sodass im November 2013 - das Datum ist wichtig - der Vatikan sagte, man spreche künftig nur noch vom Staat Palästina und nicht mehr von den palästinensischen Gebieten. Das führte dazu, dass der Papst im Mai 2014 direkt in den Staat Palästina einreiste, nämlich von Jordanien kommend und auch im offiziellen Besuchsprogramm des Papstes war immer vom Staat Palästina die Rede.

Dann kam der nächste Schritt, nämlich dieser Vertrag, der bereits im Juni 2015 fertiggestellt und jetzt unterschrieben wurde. Es ist also ein langer Prozess, der für die Christen im Heiligen Land, in Palästina, insbesondere für die katholische Kirche von großer Bedeutung ist.

domradio.de: Die israelische Regierung sagt, dass dies nichts an der Lage vor Ort ändert, auch nicht an den Problemen. Als ein Ziel des Vatikans wurde genannt, den Friedensprozess - bei dem fraglich ist, ob er noch existiert - voranzubringen. Können Sie nachvollziehen, dass dieser Schritt als Affront gewertet wird?

Matthias Kopp: Ein Friedensprozess ist immer eine bilaterale Sache zwischen zwei Staaten. Hier geht es ja auch und vor allem in diesem Vertrag zwischen Palästina und dem Heiligen Stuhl darum, die Religionsfreiheit der Christen und gleichzeitig die Eigenständigkeit der katholischen Kirche zu garantieren. In den Gebieten in Palästina, wo Palästina wirklich als ein eigener Staat, als eine eigene Verwaltung existiert, ist das für die Christen und die katholische Kirche im Besonderen existenziell.

Wir haben die Situation gehabt, dass vor vielen Jahren die PLO überlegte, den Islam als Staatsreligion in Palästina einzuführen. Damals hat der Vatikan dann gesagt, man habe doch das fundamentale Abkommen aus dem Jahr 2000, wo das ausdrücklich nicht gewünscht werde und vereinbart wurde, dass es Religionsfreiheit gäbe. Daher sind solche Verträge wichtig für die Ortschristen, um ihr Leben möglichst ohne Probleme führen zu können.

Ob ein solcher Vertrag zum Frieden beitragen kann, werden wir sehen. Die Frage ist natürlich, wer verhandelt? Da, wo der Friedensprozess stockte, war es immerhin Papst Franziskus, der die beiden - damals Shimon Peres und Mahmud Abbas - gemeinsam eingeladen hat, in den Vatikan zu kommen, um zumindest für den Frieden zu beten. Mehr kann der Vatikan an Grundlage nicht anbieten. Aber er bietet sich an, ein solches Gesprächsforum zu eröffnen.

domradio.de: Inwiefern kann die Anerkennung Palästinas die Zusammenarbeit des Vatikans mit Israel erschweren?

Matthias Kopp: Der Vatikan, der Heilige Stuhl, wird sehr genau darauf achten, dass die diplomatischen Beziehungen, die seit 1994 mit Israel erfolgreich umgesetzt sind, nicht gefährdet werden. Dazu gibt es auch eine bilaterale Verhandlungskommission zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel. Das ist natürlich eine Gratwanderung, aber diese Gratwanderung ist der Heilige Stuhl bereit zu gehen - auch gerade mit diesem Papst und diesem Generalstaatssekretär. Und man möchte mit beiden Staaten sprechen, mit Palästina und mit Israel.

domradio.de: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann kann man sagen, dass die Anerkennung Palästinas viel mit Pragmatismus zu tun hat. Eine Abordnung der Europäischen Bischofskonferenz reist nun am Wochenende nach Israel und nach Palästina. Was ist der Zweck dieser Reise?

Matthias Kopp: Zum sechzehnten Mal reisen europäische Bischöfe - diesmal sind es 14 aus zwölf Ländern - in den Nahen Osten, um ihre Solidarität mit den Christen vor Ort zu unterstreichen. Diese Treffen dienen dazu, sich einerseits über die Lage in Palästina und Israel und diesmal auch schwerpunktmäßig in Jordanien zu informieren und gleichzeitig mit Gottesdiensten und Besuchen in Flüchtlingslagern, mit Besuchen in caritativen und schulischen Einrichtungen zu zeigen, ihr seid von der Weltgemeinschaft der katholischen Kirche nicht vergessen.

Einen solchen Besuch gab es auch im vergangenen Jahr. Der war sehr spektakulär, weil er zunächst nach Gaza führte. Auch am Wochenende wird eine kleine Gruppe zunächst nach Gaza fahren. Dann wird sich die Gruppe weitgehend in Bethlehem aufhalten und ab Montag der kommenden Woche den Schwerpunkt in Jordanien setzen, um dort vor allem syrische und irakische, christliche Flüchtlinge zu treffen.

Das Interview führte Dr. Christian Schlegel.


Quelle:
DR