DOMRADIO.DE: Die Menschen im Heiligen Land leben seit der Staatsgründung Israels mit Kämpfen, Kriegen und Anschlägen. Zwischen die Fronten geraten dabei oft genug die Christen im Heiligen Land. Um diese zu unterstützen, treffen sich jedes Jahr katholische Bischöfe aus aller Welt direkt vor Ort. Das 17. Internationale Bischofstreffen im Heiligen Land beginnt an diesem Samstag. Die Christen im Heiligen Land stehen bei dem Israel-Palästina-Konflikt relativ selten in den Schlagzeilen. Welche Rolle spielen die dabei?
Matthias Kopp (Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz): Eine ganz wichtige, weil die Christen - so wenige sie auch im Heiligen Land sind - ganz viel für das Schulische im Land und für das Caritative mit Krankenhäusern und Altenheimen beitragen. Es gibt 1,9 Prozent Christen in Israel und 1,7 Prozent Christen in den palästinensischen Gebieten. Der Gazastreifen ist da noch einmal etwas Besonderes: Dort gibt es nur 1.200 Christen.
Aber diese Christen leisten eben ganz viel für den Staat Israel, für die israelische Gesellschaft und auch für den Staat Palästina. Sie sind letzten Endes nicht wegdenkbar. Also geraten sie auch in den Fokus des Konfliktes. Deshalb reisen Bischöfe aus Europa, Amerika und Südafrika einmal im Jahr dorthin, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet das für die Christen vor Ort, dass sie Besuch von Bischöfen aus verschiedenen Kontinenten bekommen?
Kopp: Ich habe die früheren Treffen so erlebt, dass die Christen uns gesagt haben: "Ihr lasst uns nicht alleine". Da werden natürlich Gottesdienste gefeiert, es gibt ökumenische Gebete. Aber wichtig ist, dass die Bischöfe verstehen, wie die Sorgen der Christen vor Ort aussehen.
Wie sieht es mit der Bedrängnis aus? Wie sieht es mit dem Problem der israelischen Besetzung in den palästinensischen Gebieten, mit dem Mauerbau aus? Mit welchen Problemen haben die Menschen täglich zu tun? Darüber informieren sich die Bischöfe, um dann in ihrer Heimat davon zu berichten. Ich glaube aus eigener Anschauung sagen zu können, dass man den Konflikt am besten versteht, wenn man selber dort war.
DOMRADIO.DE: Aus Deutschland reist der Trierer Bischof Stephan Ackermann zum Treffen, Vorsitzender der katholischen Friedenskommission Justitia et Pax. Konnten Sie mit ihm schon im Vorfeld über die Lage und die Position der deutschen Kirche sprechen?
Kopp: Wir unterhalten ja als Katholische Kirche Deutschlands eine ganze Menge Einrichtungen im Heiligen Land. Ob es der Deutsche Verein vom Heiligen Land mit seinen Pilgerhäusern, die Dormitio-Abtei oder ein Altenheim in den palästinensischen Gebieten ist. Uns als Bischofskonferenz ist es wichtig, dass wir uns mit den Christen dort durch Präsenz und zum Teil finanzielle Unterstützung solidarisch zeigen.
In den vergangenen Jahren ist es immer wieder so gewesen, dass wir großen Wert darauf legen, dass die Karfreitagskollekte, die wir in den katholischen Gemeinden Deutschlands durchführen, den Christen im Heiligen Land zukommt. Deshalb wird auch in unseren Gemeinden zum Karfreitag oder Palmsonntag über die Lage im Heiligen Land berichtet, um in dieser Kollekte unsere Solidarität auszudrücken. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, den die Bischofskonferenz und alle 27 Bistümer in Deutschland leisten.
DOMRADIO.DE: Die Bischöfe sind da, um auch die Christen vor Ort direkt zu treffen. Das sieht dann so aus, dass sie auch in die Gemeinden gehen und Gottesdienste mitfeiern?
Kopp: Genau. An diesem Sonntag wird Bischof Ackermann im Umfeld von Bethlehem einen Gottesdienst mit den katholischen Christen dort feiern. Aber es geht auch darum, mit den Menschen außerhalb des Gottesdienstes ins Gespräch zu kommen.
Das heißt, es wird am kommenden Montag eine Begegnung mit palästinensischen und israelischen Politikern in Hebron geben. Das ist besonders aufgeheizt, weil Hebron von Israelis und Palästinensern gleichzeitig beansprucht wird. Diese Gespräche werden auch nicht mit Israelis und Palästinensern zusammen stattfinden, sondern jeweils in getrennten Gruppen. Es geht also insgesamt darum, die Problematik zu verstehen.
Natürlich sind die Bischöfe auch in Ost-Jerusalem, um die Probleme mit den neuen Siedlungsbauten dort zu begreifen. In diesem Jahr sind ja zwei Daten besonders wichtig: Wir feiern den 70. Jahrestag des UN-Teilungsplanes im November und den 50. Jahrestag des Sechs-Tage-Krieges in Juni. Das ist der Krieg, in dem Israel viele Bereiche der Palästinenser und Jerusalem erobert hat. Es wird natürlich in diesen kommenden Tagen in Israel und Palästina darum gehen, was denn in den 50 Jahren nach dem Sechs-Tage-Krieg passiert ist.
DOMRADIO.DE: 50 Jahre israelische Besetzung der Palästinensergebiete ist ein politisch recht heikles Thema. Vor ein paar Wochen gab es im UN-Sicherheitsrat noch die Entscheidung, den israelischen Siedlungsbau zu verurteilen. Jetzt kommen katholische Bischöfe aus aller Welt in das Land. Kann man diesbezüglich von einem politischen Minenfeld sprechen? Wie gehen die Bischöfe mit dem Thema um? Was kann man sagen und was nicht?
Kopp: Ich denke, wie man es macht, macht man es falsch. Es geht darum, politisch nicht einseitig zu sein. Im Programm wird sehr genau darauf geachtet, dass man mit den Palästinensern im Gespräch ist, genauso wie mit den Israelis. Mit Israelis im Gespräch zu sein ist manchmal nicht ganz so einfach, weil der Staat Israel schon lange existiert und der Staat Palästina erst im Werden ist.
Gerade wir achten von Seiten der Bischofskonferenz darauf, dass wir möglichst ausgleichend mit beiden Seiten in den Dialog treten. Immer wieder ist in den vergangenen Jahren bei den Bischofstreffen das Thema Siedlungsbau ein großer Aspekt gewesen, weil - das habe ich selber miterlebt - Wohneinheiten in Ost-Jerusalem von Baggern abgerissen wurden. Da macht sich natürlich schnell eine Betroffenheit breit.
Gleichzeitig muss man auf der politischen Ebene auch beide Seiten betrachten. Ich finde, Papst Franziskus hat das vor drei Jahren, bei seiner historischen Reise im Mai 2014, eindrucksvoll dargestellt und mit Israelis genauso wie mit Palästinensern gesprochen. Wir erleben, dass in den Gesprächen mit Israelis und Palästinensern auch eine ganze Menge an Vorurteilen abgebaut werden kann. Das ist nicht einfach, aber steter Tropfen höhlt den Stein.
DOMRADIO.DE: Wie ist das, wenn man als Organisator mit den Gesprächspartnern redet? Wie reagieren die Israelis und Palästinenser auf so einen Besuch? Sagen die, kommt gerne mit Euren Bischöfen oder warnen sie eher, da die Lage angespannt ist?
Kopp: Die Resonanz ist ganz positiv. Beide Länder erhoffen sich natürlich auch eine gewisse Sogwirkung. Wenn die Bischöfe kommen, dann können auch Gruppen reisen. Das ist ein herzliches Verhältnis. Man fühlt sich bei beiden auch willkommen.
Aber gleichzeitig muss man auch schauen, politisch nicht einseitig zu werden. Wenn 15 Bischöfe aus 15 Nationen da sind, dann sind da auch unterschiedliche politische Vorstellungen vertreten. Diese unter einen Hut zu bringen, ist nicht ganz einfach.
Deshalb schauen wir mit Bischof Ackermann, der sehr erfahren auf diesem Sektor ist und auch in anderen Ländern darum weiß, wie man dort Israel und Palästina sieht, eine Balance zu finden. Wir müssen sehr aufpassen, dass mit den beiden erwähnten politischen Jahresgedenken nicht eine Israel-Schelte einsetzt. Da hat sich vieles auch positiv entwickelt.
Man kann nur hoffen, dass der Besuch von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an diesem Wochenende bei Papst Franziskus vielleicht ein weiterer kleiner Impuls ist, dass etwas in Richtung Frieden im Nahen Osten geschehen kann.
DOMRADIO.DE: Wir müssen auch noch einmal über eine Begebenheit sprechen, als die deutschen Bischöfe mit Delegierten der Evangelischen Kirche Deutschlands im Heiligen Land gewesen sind. Im Herbst vergangenen Jahres war das. Da gab es eine relativ hitzige Debatte in den deutschen Medien, weil die Bischöfe auf dem Tempelberg ihre Brustkreuze abgelegt haben. Wenn man gesehen hat, wie die Medien darauf reagiert haben, spielt das dann auch eine Rolle bei der Planung der jetzigen Reise? Geht man das alles noch ein bisschen vorsichtiger an?
Kopp: Nein. Das ist eine Geschichte von katholischen und evangelischen Bischöfen aus Deutschland in Jerusalem gewesen. Das hat die anderen Länder nicht tangiert - auch nicht in der Vorbereitung. Wir werden natürlich am Rande auf dieses Problem am Tempelberg und an der Klagemauer zu sprechen kommen.
Die Situation war damals so, dass es eine unglaublich aufgeheizte und sehr gefährliche Stimmung gab. Es wurden jüdische Jugendliche, die in den Felsendom eindringen wollten, festgenommen. Daraufhin hatten unsere muslimischen Partner uns empfohlen, die Brustkreuze abzulegen.
Auch an dieser Stelle kann man sagen: Wie man es macht, macht man es falsch. Aber es hat uns jetzt keiner im Vorfeld gesagt, man müsse wegen dieser Geschichte im Oktober letzten Jahres bei dieser Reise vorsichtiger sein.
DOMRADIO.DE: Eine Woche dauert die Reise. Zur Gebetswoche der Einheit der Christen gibt es auch noch eine gemeinsame Gebetsveranstaltung im Heiligen Land. Was erhoffen Sie sich davon? Denken Sie, es wird ein gemeinsames Statement der Bischöfe in Bezug auf die Einheit der Christen geben? Denken Sie, dass man in einer politisch so angespannten Lage mit Teilnehmern aus verschiedenen Ländern überhaupt einen gemeinsamen Standpunkt finden kann?
Kopp: Ich hoffe, dass wir eine gemeinsame Erklärung aller teilnehmenden Bischöfe hinbekommen. Das ökumenische Gebet, das am Dienstag und Mittwoch in Bethlehem und Jerusalem stattfindet, ist ein wichtiges ökumenisches Zeichen. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen ist etwas Weltweites, das groß in Rom, in Deutschland und auch im Heiligen Land gefeiert wird.
Ich glaube, es ist eine gute Begegnung, wenn 15 katholische Bischöfe aus Europa, den USA und Südafrika mit dem griechisch-orthodoxen, dem armenisch-orthodoxen und dem syrisch-orthodoxen Patriarchen sowie der Evangelischen Kirche zusammentreffen. Ich erhoffe mir davon ein Zeichen, mit dem deutlich wird, dass wir auch in der Ökumene gerade in solchen Ländern, in denen es politisch brisant ist, enger zusammenrücken müssen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.