Die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums könne doch zunächst beim SPD-Parteitag "im Rahmen der geschlechtergerechten Sprache beantragen, zukünftig nicht nur die Brüder zur Sonne und Freiheit marschieren zu lassen, sondern auch ihre Schwestern", sagte Historiker Clemens Escher am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. "Der Einwand des SPD-Traditionschors würde trotzig lauten: 'Unser sozialdemokratisches Liedgut wird nicht verändert!'"
Rundbrief an alle Mitarbeiter des Bundesfamilienministeriums
Laut einem Bericht der "Bild am Sonntag" spricht sich Rose-Möhring für Änderungen im Text der Nationalhymne aus. Das Blatt beruft sich auf einen Rundbrief der Politikerin an alle Mitarbeiter des Bundesfamilienministeriums aus Anlass des Internationalen Frauentags am 8. März. Aus "Vaterland" soll demnach "Heimatland" werden, aus "brüderlich mit Herz und Hand" "couragiert mit Herz und Hand".
Historiker Escher, der in seinem 2017 erschienenen Buch "Deutschland, Deutschland, Du mein Alles!" den sogenannten Hymnenstreit in der frühen Bundesrepublik nachzeichnete, nannte die von Rose-Möhring losgetretene Debatte "Wolkenschieberei". Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes stelle unmissverständlich klar, dass Männer und Frauen gleichberechtigt seien. "Unser Land ist nicht männlichen Geschlechts, auch wenn es viele Irrungen und Wirrungen bis zur faktischen Gleichberechtigung gegeben hat."
Beispiel Österreich
In ihrem Schreiben verweist Rose-Möhring laut "Bild am Sonntag" unter anderem auf das Beispiel Österreichs. Dort wurde 2012 die Bundeshymne geändert. Aus "Heimat bist du großer Söhne" wurde "Heimat großer Töchter und Söhne". Auch Kanada beschloss kürzlich eine Änderung seiner Nationalhymne in geschlechtsneutrale Sprache. Kristin Rose-Möhring ist seit 2001 Gleichstellungsbeauftragte und außerdem Vorsitzende des Interministeriellen Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden (IMA).
Es gebe Grund zur Skepsis gegenüber derartigen Vorstößen, so Historiker Escher. Bereits der Autor des Hymnentextes, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), habe in der zweiten Strophe seines Deutschlandliedes die deutsche Frau neben Treue, Sangeslust und Weingenuss verewigt. Diese "Saufstrophe" sei tief im 19. Jahrhundert verhaftet. Auch spätere Versuche, die Frau in der Landeshymne unterzubringen, hätten ein eher rückständiges Bild von Weiblichkeit offenbart.