Eigentlich wollten sie nur mal wieder alles richtig machen. Der Vatikan lässt in diesen Wochen seine Beschäftigten gegen Corona impfen. Die Kampagne, Mitte Januar begonnen mit Papst Franziskus (84) und dem hochbetagten Benedikt XVI. (93), hat inzwischen die Peripherie der Impfberechtigten erreicht.
Große Medienresonanz
Ausgerechnet jetzt veröffentlichte die Leitung des Kleinstaates ein Dekret, das die Maßnahmen gegen die Pandemie in eine rechtliche Form gießt und mit Sanktionen bewehrt. Darauf titelte der rechtskonservative italienische "Libero": "Vatikan weiter als Italien - Wer sich nicht impfen lässt, dem kündigt der Papst". Andere in- und ausländische Medien stiegen ähnlich auf das Thema ein.
Jetzt reibt man sich im Apostolischen Palast die schmerzende Einstichstelle. Von "Zwangsimpfung" sei keine Rede, verlautbarte die Website "Vatican News". Es gehe nur darum, "Gesundheit und Wohlergehen der Arbeitenden, der Bürger und der Einwohner der Vatikanstadt zu schützen". Wer als Vatikan-Mitarbeiter eine Immunisierung ablehne, für den wolle man "alternative Lösungen" finden.
Ethische Orientierungshilfe
Impfmuffel hatte der Vatikan zum Jahreswechsel generell getadelt. In einem am 29. Dezember veröffentlichten Dokument erklärte die päpstliche Akademie für Ethikfragen, es sei moralisch geboten, Impfmöglichkeiten wahrzunehmen; Verweigerer verhielten sich unsolidarisch mit jenen, die auf Herdenimmunität angewiesen seien, und auch rücksichtslos gegenüber dem Gesundheitssystem, das für eine mögliche Covid-19-Behandlung aufkommen müsse.
Das 20-Punkte-Papier, das auch auf Verteilungsgerechtigkeit und Patentschutz einging, war als ethische Orientierungshilfe für alle Welt gedacht.
Wer nicht will, ist ein Risiko für andere
Aus diesem Schreiben zitiert einleitend das aktuelle Dekret des vatikanischen Regierungschefs Kardinal Giuseppe Bertello - näherhin die Mahnung der Ethiker zu einer verantwortungsvollen Entscheidung, "da die Impfverweigerung auch ein Risiko für andere darstellen kann".
Nach allgemeinen Pandemiemaßnahmen wendet sich Artikel 6 jenen Angestellten zu, die in ihrer Arbeit Kontakten mit anderen Personen ausgesetzt sind und aus medizinischen Gründen keine Corona-Impfung erhalten dürfen - oder aber ohne triftiges Motiv keine wollen.
Wer nicht kann, kann andere Aufgaben bekommen
Mitarbeitern der ersten Kategorie soll zum Schutz der eigenen und allgemeinen Gesundheit eine andere Aufgabe zugewiesen werden können, auch eine niedrigere, jedenfalls ohne Gehaltseinbußen. Für den zweiten Fall erklärt das Dekret in Artikel 6, Paragraf 2, dass die Impfung der betriebsmedizinischen Vorsorge gleichzustellen sei; diese ist durch Normen von November 2011 geregelt.
Dort heißt es, eine Weigerung gegenüber solchen Maßnahmen führe für Angestellte zu "Konsequenzen unterschiedlicher Abstufung, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses reichen können".
Keine Strafe, sondern Schutz
Eine Kündigung wegen verweigerter Impfung also. Das Governatorat betonte in einer nachgereichten Note, die Mittel, wie sie die Anordnung von 2011 vorsehe, besäßen keinerlei Strafcharakter, sondern sollten eine "flexible und angemessene Antwort zum Ausgleich zwischen dem Schutz der allgemeinen Gesundheit und der individuellen Entscheidungsfreiheit" ermöglichen, ohne irgendwelche Repressionen für Mitarbeiter einzuführen.
Dass es in dem Dilemma zwischen öffentlichen Interessen und individuellen Rechten zu einem Konflikt kommen kann, beschweigen die amtliche Note und deren Darlegung auf "Vatican News". Den garstigen Ausdruck "Beendigung des Arbeitsverhältnisses", der klar in den rechtlich verbindlichen Texten steht, blenden sie aus.
Verkorkste Kommunikation?
Dabei hatte der kleine Vatikanstaat mit seiner Impfkampagne bislang gut performt. Vor Weihnachten gab es eine Bedarfsabfrage unter Angestellten; nach den Rückmeldungen wurde die Bestellung bei Biontech und Pfizer bemessen. Das Quantum von 10.000 Dosen schloss Reserven für soziale Fälle wie Obdachlose ein. Beschäftigte lobten die hervorragende Organisation und die Arbeit des medizinischen Personals.
Es hätte ein gutes Beispiel dafür werden können, wie man in der sensiblen Frage der Corona-Impfungen Vertrauen erzeugt und zum Mitmachen motiviert. Jetzt haben das Governatorat und die Öffentlichkeitsabteilung eine unerwünschte Debatte über Impfzwang am Hals, wieder mal wegen einer verkorksten Kommunikation. Gegen Verbesserungen auf diesem Feld zeigte sich der Vatikan oft immun.