Debatte um Verhältnis des Muslimverbands Ditib zu Ankara

"Mehr Unabhängigkeit wäre wünschenswert"

Katholischer Beauftragter für den interreligiösen Dialog im domradio. Nicht zum ersten Mal wurde Anfang Juni der Türkisch-Islamischen Union, Ditib, ihre Nähe zur türkischen Regierung vorgehalten.

 (DR)

Das Bekanntwerden einer frauenfeindlichen Position aus Ankara hatte die Debatte erneut angeheizt; so warf die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün der Ditib "reaktionäre Gesinnungen" vor. domradio sprach mit dem Beauftragten für den interreligiösen Dialog des Erzbistums Köln, Werner Höbsch, über den Streit und die Konsequenzen für das Verhältnis der Religionen. "Es gibt einen Einfluss aus Ankara auf die Ditib - das ist nicht abzustreiten", so Höbsch. Die Kritik an der mitgliederstärksten Migrantenorganisation in Deutschland will der Theologe in ihrer aktuell vorgetragenen Form allerdings nicht gelten lassen. Die Kölner Ditib habe sich in der Vergangenheit wiederholt gegen jede Form von Terror und Gewalt ausgesprochen. "Auch gegen die an Frauen."

Und auch die Anstalt für Religion in Ankara selber sei nicht in allen Fragen immer einer Meinung. "Auch hier gibt es unterschiedliche Stellungnahmen und unterschiedliche Beschlüsse. Zum Beispiel, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte haben." Man könne auch nicht sagen, dass dieses Amt generell frauenfeindlich sei.

Debatte um Einfluss aus Ankara
In der laufenden Kontroverse um frauenfeindliche Anweisungen aus der Religionsbehörde hatte der deutsche Ditib-Chef Sardi Arslan eine enge Verbindung zwischen dem deutschen Verein und der türkischen Institution bestritten. Der Vorstand fasse seine Beschlüsse selbstständig und werde nicht aus Ankara gesteuert, sagte er.

Der Kölner Stadt-Anzeiger zitierte in seiner heutige Ausgabe daraufhin aus der Satzung des deutschen Ditib-Vereins. Aus ihr ergebe sich, dass in dem Beirat Religionsattachés sitzen, die für Botschaften der Türkei in Europa arbeiten. Die Aufgabe des Beirates sei es, den "Vorstand in allen wichtigen Angelegenheiten zu beraten".

"Besser an die Basis bringen"
"Man bemüht sich durchaus um Unabhängigkeit", so Werner Höbsch. Häufig sei dies aber mehr Wunsch als Wirklichkeit. Der katholische Theologe wünscht sich, dass die Ditib-Vertreter ihre positiven Botschaften "besser an die Basis" bringen.

Höbsch hatte erst vor wenigen Wochen sein Buch "Christen und Muslime Tür an Tür" vorgestellt. Mit dem Projekt sollen Polarisierungen auf beiden Seiten vermieden und der Dialog gefördert werden.

"Es soll nicht nur gekuschelt werden"
Man dürfe die Vorwürfe nicht runterspielen. Konsequenzen auf den Dialog zwischen Katholischer Kirche und Muslimen in Deutschland hätten sie insofern, als die Themen Bestandteil kommender Gespräche seien. "Und in diesem Dialog soll nicht nur gekuschelt werden - Probleme müssen besprochen werden."

Auch, ob in Zukunft nicht eine "völlige Loslösung der Ditib von Ankara" gelingen könne.