DOMRADIO.DE: Eigentlich sollte es an diesem Montagabend eine Sitzung des Diözesanpastoralrates geben. Jetzt wurde die Sitzung abgesagt. Es drohte die Beschlussunfähigkeit. Warum?
Ingo Brüggenjürgen (Chefredakteur DOMRADIO.DE): Weil ganz offensichtlich viele Mitglieder des Gremiums bereits im Vorfeld deutlich gemacht haben, dass sie der Einladung des Erzbischofs nicht folgen werden. Es gibt in dem Gremium schon seit langer Zeit eine große Unzufriedenheit mit dem Agieren des Erzbischofs. Bereits unter dem Administrator Weihbischof Rolf Steinhäuser, also schon während der Auszeit von Kardinal Woelki, hatte es ein solches Votum der Unzufriedenheit über die Amtsführung des Kölner Erzbischofs nach Rom gegeben.
Nach den aktuellen neuen Vorwürfen gegen Kardinal Woelki haben ganz offensichtlich viele Delegierte frustriert abgewunken. Die Stichworte lauten hier: Das PR-Konzept "Wie überlebt der Kardinal", der Vorwurf der Instrumentalisierung des Betroffenenbeirates, der Wahrheitsgehalt eidesstattlicher Versicherungen des Erzbischofs und Kardinal Woelkis Ausbau der neuen Kölner Hochschule für katholische Theologie (KHKT).
Bereits heute früh gab es eine entsprechende Meldung der Deutschen Presse-Agentur mit dem Tenor "Delegierte wollen Woelkis wichtigstem Gremium fernbleiben". Daraufhin hat sich am Vormittag der Kölner Generalvikar Guido Assmann mit einem Schreiben an alle Delegierten gewandt und die Sondersitzung abgesagt. Eigentlich sollte sie am Montagabend um 18 Uhr in Düsseldorf beginnen. Es ist den Teilnehmenden also freigestellt, ob sie heute Abend kommen werden oder nicht.
Der Kardinal werde die Sitzung eröffnen, die Beschlussunfähigkeit feststellen und dann die Sitzung schließen. Er stehe dann aber allen, die mit ihm sprechen möchten, für Fragen zur Verfügung, so Generalvikar Assmann in seiner schriftlichen Mitteilung.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet das für den Diözesanpastoralrat, also auch für das Erzbistum Köln?
Brüggenjürgen: Es wird ganz offensichtlich, dass immer mehr wichtige Gremienvertreter keinen Sinn mehr in einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Kardinal sehen. Ein hoher Geistlicher hat gegenüber der Deutschen Presse-Agentur von einer "neuen Eskalationsstufe" gesprochen. Das ist wohl ganz offensichtlich so. Das wichtigste Beratungsgremium des Kardinals verweigert seinen Rat. Es sind nicht nur die Vertreter der Laien - acht von zehn Vertretern des Diözesanrates hatten ihre Nichtteilnahme angekündigt.
Zudem haben die pastoralen Dienste im Vorfeld mit großer Mehrheit "Nein" zur Sitzung gesagt und auch der eigene Klerus steht mehrheitlich offensichtlich nicht mehr hinter dem Kardinal. Man konnte hören, dass mindestens zehn der 15 Stadt- und Kreisdechanten der Sitzung fernbleiben wollten. Das muss für den Erzbischof ernüchternd sein, hatte er doch gerade noch in Interviews signalisiert, dass viele Priester hinter ihm stünden und Gläubige wegen ihm wieder in die Kirche eintreten würden.
Auffällig ist auch der verhärtete Ton: Wenn der Generalvikar, das "Alter Ego" des Kardinals, Dompropst Guido Assmann, schreibt, er stelle den Mitgliedern die Teilnahme frei, dann spricht das schon Bände. Hatte doch Kardinal Woelki gerade klargestellt, er sei kein absolutistischer Alleinherrscher.
DOMRADIO.DE: Was hört man denn von denjenigen, die ihre Teilnahme abgesagt haben? Warum diese neue Eskalation?
Brüggenjürgen: Ich habe mit einigen der 75 Delegierten gesprochen. Die deutliche Minderheit wollte zur Sitzung kommen, um mit dem Kardinal offen die Probleme zu besprechen und auch ihre aktuellen Fragen an die Amtsführung des Kardinals zu stellen.
Die große Mehrheit, wie jetzt nun auch öffentlich wurde, sieht einfach keinen Sinn mehr in Beratungssitzungen, wenn sie das Gefühl haben, der Kardinal folge dem Rat nicht, und dass Sitzungen in der Vergangenheit nicht zu einem nötigen Neuanfang geführt haben. Wenn also Delegierte zunehmend empfinden, der Kardinal mache eh was er für richtig und wichtig hält und agiere bestenfalls rhetorisch als Fragender und Ratsuchender, dann kann man vielleicht ihre Frustration verstehen.
Mir haben Delegierte sehr klar gesagt, dass sie ein deutliches Zeichen setzen möchten, ein Zeichen, dass auch in Rom nicht übersehen werden kann. Dieses Zeichen heißt: "Herr Kardinal – ohne uns. So nicht."
Der Kardinal hat die Mehrheit in seinem wichtigsten Gremium verloren. Da dieses Gremium aus allen wichtigen Vertreterinnen und Vertretern des Erzbistums Köln gewählt und ernannt wird, ist es ist es ein unübersehbares Signal, dass es um den Erzbischof von Köln zunehmend einsam wird.
Das Interview führte Bernd Hamer.