Mehr als 10.000 Menschen haben am Samstag in Köln gegen Hass und Ausgrenzung und für Solidarität und Zusammenhalt demonstriert. Anlass war der Parteitag der AfD in der Domstadt. Laut Polizei verliefen die Demonstrationen überwiegend friedlich. Die Polizei war mit 4.000 Beamten im Einsatz. Sie sprach von einer angespannten und unruhigen Stimmung; insgesamt aber sei es ruhiger geblieben als zu befürchten gewesen sei.
Am Morgen hatten die Delegierten des AfD-Bundesparteitags nur unter starkem Polizeischutz ihr Tagungshotel in der Innenstadt erreicht. Hunderte Demonstranten waren aufgezogen, so dass die AfD-Politiker einen Spießrutenlauf hinter sich bringen mussten. Die Rechtspopulisten wurden mit Sprechchören, Pfiffen und Transparenten empfangen. Nur das starke Polizeiaufgebot verhinderte, dass das Hotel von den Demonstranten abgeriegelt wurde. Bei den Blockade-Aktionen kam es immer wieder zu Rangeleien mit der Polizei. Zwei Polizisten wurden verletzt, ein Verdächtiger wurde vorläufig festgenommen.
Lieder und Schunkeln für Toleranz
Auf dem Heumarkt, dem zentralen Platz neben dem Tagungshotel, hatten sich von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen getragene Bündnisse zur Kundgebung "Köln stellt sich quer" versammelt. Karnevalisten sowie Musikgruppen wie die Höhner, Paveier, Cat Ballou, Kasalla, Brings und Bernd Stelter demonstrierten am Grüngürtel für Toleranz.
Die Kirchen beteiligen sich unter dem Motto "Unser Kreuz hat keine Haken" an den Protesten gegen die AfD. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki erklärte dazu, die Teilnehmer gingen "für Weltoffenheit, Toleranz und Solidarität" auf die Straßen.
Kraft: "Vielfalt ist unsere Stärke"
NRW-Ministerpräsidentin Kraft sprach auf der Kundgebung auf dem Heumarkt von einem Zeichen "für Toleranz und gegen Hass". Die AfD stehe für eine engstirnige Politik, die an "die dunkelsten Kapitel" deutscher Geschichte erinnere. Köln und Nordrhein-Westfalen stünden dagegen für Offenheit. "Vielfalt ist für uns Stärke", unterstrich Kraft.
Die Kölner Oberbürgermeisterin Reker sagte, der friedliche Protest setze ein Zeichen für Demokratieverständnis, Menschenrechte und Weltoffenheit. Man überlasse das Feld nicht denjenigen, die "Fakten ignorieren oder sogar leugnen und Hass predigen". Köln sei eine Stadt, in der Menschen aus über 180 Nationen lebten. "Wir grenzen niemanden aus", betonte Reker.
Grünen-Chef Cem Özdemir erklärte, die AfD schüre Hass und Hetze. Sie wolle spalten und das friedliche Zusammenleben in Deutschland, in dem Konflikte mit zivilisierten Umgangsformen und vor allem demokratisch gelöst würden, zerstören. Özdemir warnte vor eine Rückkehr zum Nationalstaat, wie sie die AfD fordere.
"Inklusion statt Exklusion"
Der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer forderte zu mehr Solidarität in der Gesellschaft auf. Die Ungleichheit im Land sei gewachsen. Davon profitiere eine populistische Partei wie die AfD. Deshalb müsse es in der Gesellschaft heißen: "Inklusion statt Exklusion!"
Der Kölner Stadtsuperintendent Rolf Domning warnte vor einem Missbrauch christlicher Symbole durch die AfD. "Dagegen verwehren wir uns in aller Form!" Hannelore Bartscherer vom Katholikenausschuss der Stadt Köln hob rief mit Blick auf die Landes- und Bundestagswahlen die Bürger auf, sich gegen rechtsradikale Tendenzen zu positionieren.
Insgemsamt verliefen die Demonstrationen weitgehend friedlich. Im Verlauf einer größeren Demonstration durch die Kölner Innenstadt laut Polizei mehrere Scheiben von Geschäften und einer Großbank eingeschlagen. Das Konzept der Polizei, das auf Deeskalation ausgerichtet sei, sei im Grundsatz bislang aufgegangen, erklärte ein Polizeisprecher. Erwartet wurden ursprünglich rund 50.000 Demonstranten. Konkrete Zahlen nannten am Samstag weder die Polizei noch die Veranstalter. Beide Seiten erklärten jedoch, dass die Zahl der Protestierer unter den zuvor geschätzten Zahlen lägen.
AfD-Kritik an Kirchenprotest
In ihrer Eröffnungsrede auf dem Parteitag kritisierte Parteichefin Frauke Petry die Beteiligung der Kirchen an den Anti-AfD-Demonstrationen. Sie sprach von "hässlichen, abwertenden und polarisierenden Bemerkungen". Fakten würden ausgeblendet, so Petry. "Was für ein Armutszeugnis."
Ähnlich äußerte sich Bundesvorstandsmitglied Armin Paul Hampel. Er begründete dabei seinen Ruf nach Abschaffung der Kirchensteuer auch mit mangelnder Rechtstreue der Kirchen, was sich beispielsweise an der Gewährung von Kirchenasyl zeige. Unter dem Beifall der Delegierten rief er zum Kirchenaustritt auf: "In dem Verein sollte keiner von uns mehr Mitglied sein."
Kölns Stadtdechant Monsignore Robert Kleine reagierte in seiner Rede auf der Protestbühne: "Anstatt aufzurufen, aus den Kirchen aufzutreten, hätten die selbsternannten Retter des christlichen Abendlandes besser dazu aufgerufen, in die Bibel zu schauen", sagte er. Dort stehe: "Was ihr dem geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."
Petry räumt parteiinterne Niederlage ein
In der Debatte über die strategische Ausrichtung der AfD hat Parteichefin Frauke Petry ihre Niederlage eingeräumt. Zugleich kündigte in einer kurzen Erklärung vor Journalisten in Köln an, weiter in ihrem Amt als Sprecherin des Bundesvorstands bleiben zu wollen. Sie wolle auch eine aktive Rolle im Wahlkampf spielen.
Bereits im Vorfeld hatte Petry mitgeteilt, nicht als Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Bundestagswahl zur Verfügung zu stehen. Zum Auftakt des Parteitags scheiterte sie mit ihrem Antrag, in dem sie die AfD auf den "realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei" einschwören wollte. Die 560 Delegierten ließen diesen Antrag nicht zur Abstimmung zu.
Meuthen greift Bundestagsparteien an
Lang anhaltenden Beifall erhielt später Petrys Kollege Jörg Meuthen, der in seiner Rede die Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Parteien scharf anging und sich für den von Petry verworfenen Weg einer Fundamentalopposition stark machte. Er warnte, Deutschland werde durch eine "ungeheure Masse" an Migranten von Grund auf verändert.
Karnevalistische Unterstützung
Da man sich in Köln aufhält, nutzen auch die Karnevalisten die Gelegenheiten für Aufzüge. Zugleich erinnert Reker mit einem Zitat der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller daran, dass sie selbst schon das Opfer eines Messerangriffs eines rechtsextremistisch orientierten Täters wurde: "Erst gehen die rechten Parolen spazieren, und dann geht irgendwann auch ein Messer spazieren."
Für viele Lacher sorgt dann der aus Köln stammende Kabarettist Fatih Cevikkollu. Leider gebe es derzeit in vielen Ländern Europas - und nicht nur dort - einen Rechtsruck. Dem gelte es, sich entgegenzustellen, erklärt er. "Wir sind umgeben von Pennern", sagt er mit Blick auf Politiker wie die Rechtspopulisten Marine Le Pen aus Frankreich, Geert Wilders aus den Niederlanden oder den türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Deswegen müsse man allerdings im Umgang mit potenziellen und tatsächlichen Despoten nicht verzweifeln. Stattdessen präsentiert der Kabarettist eine passend rheinische Gegenstrategie: "Lasst uns die Despoten auslachen. Despoten haben keinen Humor."