Demonstrationen gegen Speicherung der Telekommunikationsdaten geplant

Auf dem Weg zum Überwachungsstaat?

Die Bundesregierung plant, Telekommunikationsdaten sechs Monate auf Vorrat zu speichern. Protokolliert werden soll, wer wen wann anruft. Seelsorger und andere Geheimnisträger bleiben geschützt. Datenschützer kritisieren, die Regelung bedeute einen "Wegfall privater Kommunikation" und haben für Dienstag deutschlandweit Demonstrationen organisiert. Auch Juristen sind besorgt.

 (DR)

Am 9. November will der Bundestag über das neue Gesetz entscheiden. Mit dem Gesetzentwurf reagiert die Bundesregierung auf eine EU-Richtline zur Vorratsdatenspeicherung, die bis Ende September umgesetzt werden musste.

EU-Richtlinie umstritten
Nach der Richtline müssen Anbieter von Telekommunikationsdiensten künftig sämtliche entstehenden Verbindungsdaten erfassen und speichern. Dabei werden nicht nur Absender und Adressat registriert, sondern auch Zeitpunkt und Dauer der Verbindung sowie die Standorte der Kommunikationsteilnehmer. Lediglich die Inhalte werden nicht gespeichert. Dadurch könnten komplette Bewegungsprofile erstellt werden, kritisiert FDP-Präsidiumsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie  sprach von einem "Paradigmenwechsel im Datenschutz" wenn "ohne Verdacht und Anlass" alle Daten der Telekommunikation gespeichert würden.

Irland hatte beim EuGH Klage eingereicht. Das Zustandekommen der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sei nicht mit EU-Recht vereinbar. Die Grünen fordern ein automatisches Außerkrafttreten der Vorratsdatenspeicherung, sollte der EuGH im Sinne der Iren entscheiden.

Online-Durchsuchungen möglich?
Die Bestimmungen betreffen neben Festnetz-, Mobil- und Internettelefonaten auch den E-Mail- und Messaging-Verkehr. Die geplante Reform des Überwachungsrechts könnte nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins, Hartmut Kilger, die Durchführung der umstrittenen Online-Durchsuchungen ermöglichen. Es bestehe die Gefahr, dass die Vorschrift in dieser Weise interpretiert werde, warnte der Jurist am Dienstag in Berlin auf einer Pressekonferenz.

Deutschlandweit Demonstrationen
Der "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" protestiert gegen das neue Gesetz. In über 40 deutschen Städten sind für Dienstag Protestkundgebungen geplant, auch in Köln. In Berlin ist eine zentrale Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude mit Reden von Oppositionspolitikern vorgesehen.

Der Arbeitskreis hat an die Bundestagsabgeordneten appelliert, dem Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung nicht zuzustimmen. "Sie bedeutet einen faktischen Wegfall privater Kommunikation", sagte Ricardo Cristof Remmert-Fontes, der den bundesweiten Aktionstag an diesem Dienstag gegen die Datenspeicherung koordiniert, der "Frankfurter Rundschau".

Bürger würden sich künftig "zweimal überlegen, wann sie mit wem worüber telefonieren oder wofür sie das Internet nutzen". Er erwarte eine regelrechte "Kommunikationsveränderung in der Bevölkerung", sagte Remmert-Fontes. Zu einer verbesserten Strafverfolgung schwerer Verbrechen trage das Gesetz hingegen nicht bei.

Gegen diese Vermutung spricht, dass immer mehr Menschen ihre persönlichen Daten  und Vorlieben in Internetforen freiwillig veröffentlichen.  

Pressefreiheit gefährdet?
Für Seelsorger sieht die Novelle des Überwachungsrechts einen absoluten Schutz vor, auch Abgeordnete und Strafverteidiger sind geschützt. Für andere Berufsgeheimnisträger, darunter Journalisten, Ärzte und Therapeuten, plant die Bundesregierung lediglich eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken kritisiert, die Arbeit der Journalisten werde durch die Datenspeicherung behindert. Besonders durch die Informationen von Mitarbeitern in Behörden hätten die Medien in der Vergangenheit Skandale aufdecken können. "Wir haben eigentlich schon den Überwachungsstaat, der wird jetzt nur noch gesetzlich zementiert", sagte Konken. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein "massiver Angriff" auf die Pressefreiheit.

"Der gesellschaftliche Auftrag der Medien wird damit erschwert, in einzelnen Fällen seine Erfüllung vermutlich sogar verhindert", warnte der ARD-Vorsitzende Fritz Raff. Zwar äußerte er Verständnis für die Suche der Politik nach mehr Möglichkeiten zur Terrorbekämpfung. "Man kann aber nicht die Freiheit schützen, indem man Grundrechte abschafft", kritisierte Raff.