Neue Wertschätzung für Eucharistie durch Corona-Krise?

Den Gottesdienst als spirituelles Ereignis neu entdecken

Für Katholiken ist es selbstverständlich, eine Sonntagsmesse besuchen zu können. Die Corona-Pandemie hat diese Praxis unterbunden. Hat sie auch ein neues Bewusstsein für das Sakrament und das Allerheiligste geschaffen?

Autor/in:
Angelika Prauß
Kommunionausteilung mit Handschuhen / © Dominik Wolf (KNA)
Kommunionausteilung mit Handschuhen / © Dominik Wolf ( KNA )

Sie ist Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche und gilt als Herz jedes Gottesdienstes. Die Eucharistiefeier feiert die Gemeinschaft mit Jesus Christus.

Kelch und Hostienschale auf einem Altar / © Wolfgang Lehner (KNA)
Kelch und Hostienschale auf einem Altar / © Wolfgang Lehner ( KNA )

Zu Fronleichnam erinnern die Gläubigen an die Gegenwart Jesu im Sakrament der Kommunion. Bei der feierlichen Prozession ziehen sie durch die Straßen und verehren die geweihte Hostie im Allerheiligsten. Die Botschaft: Gott ist da und mitten unter uns.

Katholiken ziehen aus dem Sakrament der Eucharistiefeier Stärkung im Glauben und Kraft für den Alltag. Doch auf diese Stärkung mussten die Gläubigen durch ausgefallene Messen und Online-Angebote nun viele Wochen verzichten. Den einen fiel das leichter, andere taten sich schwer damit, nicht zur Kommunion gehen zu können.

Eucharistie ein zentraler Glaubensbestandteil

Gerald Goesche, leitender Probst einer Berliner Gemeinde, zog deshalb sogar vor Gericht. Gemeinsam mit einem hessischen Katholiken erstritt er sich am 10. April vor dem Bundesverfassungsgericht eine viel beachtete Entscheidung. Demnach stellen Gottesdienstverbote einen "überaus schweren Eingriff in die Glaubensfreiheit" dar.

Diese müssten daher befristet sein und ständig auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Der Kläger habe nachvollziehbar dargelegt, dass die gemeinsame Feier des Gottesdienstes und der Empfang der Eucharistie nach katholischer Überzeugung ein zentraler Glaubensbestandteil seien.

Marius Linnenborn, Leiter des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier, lobt die Urteilsbegründung. Diese habe "sehr gut die Bedeutung der Eucharistie erfasst" - für ein Gericht sei die "sehr theologische Begründung" eher ungewöhnlich.

Zugleich verweist Linnenborn auf die "große Bandbreite", wie die Gemeinden und Priester landauf, landab in den vergangenen Wochen mit den Gottesdienstverboten umgegangen seien und mit den Einschränkungen weiten umgehen: Einigen Seelsorgern sei der Vorwurf gemacht worden, sie seien "viel zu eucharistiezentriert"; andere hätten über Wochen gar keine Eucharistie mehr gefeiert.

Kommunion-Austeilung / © Harald Oppitz (KNA)
Kommunion-Austeilung / © Harald Oppitz ( KNA )

Viele Pfarreien hätten sehr umsichtig und verantwortungsvoll begonnen, wieder öffentlich Messen zu feiern. Aber es gebe auch nach vor es Gemeinden, "die noch nicht terminiert haben, wann sie überhaupt wieder einen Gottesdienst feiern". Dennoch betont Pfarrer Linnenborn: "Die Wichtigkeit der Eucharistie sollte uns bewusst sein."

"Meist belehrt erst der Verlust über den Wert der Dinge" - dieser Satz wird Arthur Schopenhauer zugeschrieben. Was aber, wenn der Verlust gar nicht schmerzt? Eine Beobachtung unter vielen anderen, die der Vizeprovinzial der Pallottiner, Michael Pfenning, gemacht hat. Nachdem erste Messen unter Corona-Auflagen wieder möglich waren, haben die Pallottiner im Frühjahr eine Umfrage unter Gläubigen gestartet.

Eucharistie mit Greifzange?

Der Tenor: Die Menschen wollten lieber warten, bis Gottesdienste wieder allen zugänglich sind. Aber es gab auch Stimmen, die sich freuten, überhaupt wieder eine Messe erleben zu können. Das Spektrum der Rückmeldungen war groß. Ein Mann schreibt, Gummihandschuhe und Greifzange seien für ihn mit der Ehrfurcht vor dem Leib Christi unvereinbar. Andere störten sich an Sicherheitsabständen und Anmeldelisten.

Wieder andere wurden kreativ und entwickelten eigene spirituelle Rituale. So findet eine Frau es wohltuender, eine leere Kirche zu besuchen, eine Kerze zu entzünden oder den Gottesdienst im Internet mitzuerleben. "Das erfüllt mich mehr, da ist Gott mir näher als bei solchen verkrampften Hygiene-Gottesdiensten", schreibt sie.

"Die Menschen merken, was ihnen abgeht, aber sie merken plötzlich auch, dass ihnen nichts abgeht", erklärt Pfenning. Er versteht das auch als Einladung, sich zu fragen: "Wie müsste Messe sein, dass wir sie vermissen?" Der Ordensmann sieht es als Chance, den Gottesdienst als spirituelles Ereignis neu zu entdecken und die Gestaltung entsprechend zu vertiefen.

Aus den über 100 Rückmeldungen sei ihm deutlich geworden, "wie unterschiedlich das Denken über die Eucharistie" bei den Gläubigen ist. Gleichwohl lehnt er es ab, die unterschiedlichen Zugänge zu etikettieren als "liberal oder gestrig, konservativ oder fortschrittlich, richtig oder falsch bzw. nicht-katholisch".

Ob durch die Abstinenz in Coronazeiten die Wertschätzung für das Sakrament gestiegen sei, kann Pfenning nicht sagen. Definitiv zugenommen habe aber "die Beschäftigung mit dem Sinn der Eucharistie". Der Diskurs darüber sei "so lebendig wie nie zuvor".

Pfenning wünscht sich, dass die Gläubigen neu entdecken, wie die Eucharistie im gemeindlichen Leben wieder zur Kraft- und Inspirationsquelle werden kann "und dass der Sinn für das Heilige als Heilendes lebendig wird".

Abendmahl und Eucharistie

Mit Abendmahls- und Eucharistiefeiern gedenken Christen des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern vor seiner Verhaftung und Kreuzigung. Das theologische Verständnis des Gottesdienstes unterscheidet sich zwischen den christlichen Konfessionen stark.

Symbolbild Eucharistie / © Zolnierek (shutterstock)
Quelle:
KNA