Autor Busemann über das Pilgern auf dem Franziskusweg

Den Sinn des Lebens gefunden

Der Autor Christian Busemann ist knapp drei Wochen lang auf dem Franziskusweg rund 250 Kilometer von Florenz nach Assisi gepilgert. Seine Erfahrungen hat er mit viel Charme und Witz im Buch "Easy nach Assisi" aufgeschrieben.

Erlebnisse beim Pilgern / © adriaticfoto (shutterstock)
Erlebnisse beim Pilgern / © adriaticfoto ( shutterstock )

KNA: Warum sind Sie den Franziskusweg gegangen?

Christian Busemann (Autor): Nach einer Zeit, in der ich sehr intensiv gearbeitet hatte, sagte mir eine Heilpraktikerin, dass mein Immunsystem total runtergerockt sei. Sie empfahl mir, eine kleine Auszeit zu nehmen. Parallel hatte ich beruflich ein Coaching laufen, in dem sich herausstellte, dass ich die Beziehung zu meinem Vater einmal aufarbeiten müsste. Er ist sehr früh verstorben, und ich bin praktisch ohne ihn aufgewachsen. Aus Erzählungen meiner Mutter wusste ich, dass mein Vater oft in Assisi gewesen ist und dort viele Freunde gehabt hat. Und so kam mir der Gedanke, an diesen Ort zu gehen, um der Geschichte mal nachzuspüren.

KNA: Warum ausgerechnet Pilgern - hätte es nicht auch eine Wandertour sein können?

Busemann: Ursprünglich hatte ich überlegt: Ich fliege nach Assisi, um mich dort mal kurz umzusehen. Doch ich stellte fest, dass der nächstgelegene Flughafen in Perugia von Hamburg aus gar nicht angeflogen wird. Stattdessen stieß ich bei der Google-Recherche auf den Franziskusweg. Damit konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: der Geschichte meines Vaters nachspüren und beim Pilgern runterkommen und dem Alltag entfliehen.

KNA: Hatten Sie Erfahrung mit solchen längeren Fußmärschen?

Busemann: Nein. Ich bin da rangegangen aus der Sicht eines regelmäßig spazierenden und joggenden Menschen. Gängige Ratgeber empfehlen 20 bis 25 Kilometer pro Tagesetappe. Das hielt ich nicht so für den großen Akt und dachte: Da kannst du locker auch mal zwei Etappen an einem Tag laufen. Aber ich habe völlig unterschätzt, wie es ist, einen 15 Kilo schweren Rucksack einen Berg raufzuschleppen, während man einen Geröllboden unter sich hat. Als ich unterwegs war, war ich nach zehn Minuten Aufstieg komplett erledigt.

KNA: Sind Sie ein religiöser Mensch?

Busemann: Ich stamme aus einer kleinen niedersächsischen Gemeinde, bin evangelisch getauft und gläubig. Nachdem mein Vater gestorben war, habe ich mich in die Kirche gesetzt und gebetet, dass Gott mir meinen Vater zurückschickt. Dadurch habe ich erstmals einen Draht zu Gott bekommen. Während des Pilgerns habe ich nochmal neu für mich festgestellt, dass ich tatsächlich eine Art Dialog mit Gott führen kann und ein wahnsinniges Vertrauen in ihn habe. Aber ich bin nicht so der Kirchgänger oder Profi-Christ.

KNA: Was war Ihr schönstes Erlebnis auf der Tour?

Busemann: Ich habe tatsächlich in Assisi den alten Freund meines Vaters getroffen, Francesco. Als ich losging, war ich noch überzeugt, dass er schon tot ist. Erst wenige Stunden vor meiner Ankunft in Assisi habe ich erfahren, dass er noch lebt und sogar Deutsch spricht. Das war fast wie ein Wunder für mich.

KNA: Und gab es weitere positive Erfahrungen?

Busemann: Unzählige. Ich habe wahnsinnig viele Erkenntnisse über mich selbst gewonnen. Ich hatte mir beispielsweise immer eingeredet, dass ich gut mit mir allein zurechtkomme. Doch schon nach kurzer Zeit auf dem Weg habe ich festgestellt, wie sehr ich es liebe und brauche, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Ich habe den Sinn meines Lebens auf diesem Weg gefunden - dazu haben die Begegnungen mit anderen Pilgern viel beigetragen.

KNA: Was war das schlimmste Erlebnis?

Busemann: Das war tatsächlich das banale Problem des Rucksacks. Ich hatte einen von meiner Schwiegermutter ausgeliehen, der nichts mit meiner Körperlänge und meinem Rücken zu tun hatte. Außerdem hatte ich keine Ahnung, wie man einen Rucksack am besten packt. Es schmerzte und schmerzte und nahm kein Ende. Erst nach der Hälfte der Strecke, habe ich mir Tipps zum besseren Packen im Internet angeschaut und das Problem ein bisschen in den Griff gekriegt.

KNA: Hat das Pilgern am Ende gegen die Erschöpfung geholfen?

Busemann: Ja. Das Laufen ist zwar körperlich anstrengend, aber absolut machbar. Die Erschöpfung war nach der Tour weg, weil sich in meinem Leben ganz viele Lücken geschlossen haben. Insbesondere das Kapitel mit meinem Vater konnte ich für mich schließen. Ich bin ganz gelassen und mit einer großen Dankbarkeit zurückgekehrt.

KNA: Warum haben Sie sich entschieden, ein Buch über Ihre Tour zu schreiben?

Busemann: Ich habe das Buch in erster Linie für mich geschrieben. Ich musste diese Geschichte einfach für meine Erinnerung festhalten. Daneben habe ich natürlich auch Freude daran, meine Erfahrungen mit anderen zu teilen, und möchte auch Werbung für diesen wunderschönen Weg machen.

KNA: Sie würden den Franziskusweg also weiterempfehlen?

Busemann: Ja, total. Man läuft man durch eine Bilderbuchlandschaft. Es sieht so aus, wie man sich Italien vorstellt. Und diese Wucht an Natur wirft einen darauf zurück, was für ein kleines Licht man ist. Das ist beeindruckend. Franziskus ist ein absoluter Superheld, der für seine Zeit ein Revoluzzer war und sicher heute auch noch für Aufsehen sorgen würde. Wenn man seine Wirkungsorte abwandert, fängt man automatisch an, auch auf sein eigenes Leben zu schauen.

KNA: Wenn Sie noch einmal gehen würden, was würden Sie anders machen?

Busemann: Ich war tatsächlich inzwischen noch ein zweites Mal auf dem Franziskusweg unterwegs. Die Geschichte des Buches spielt im Jahr 2018. Damals bin ich den ersten Teil des Wegs von Florenz nach Assisi gegangen. 2019 bin ich den zweiten Teil von Assisi nach Rom gelaufen. Dabei bin ich das Rucksack-Thema ganz neu angegangen. Außerdem habe ich neben den Outdoor-Klamotten andere Anziehsachen mitgenommen, damit ich abends auch mal rausgehen konnte, ohne sofort als Pilger erkannt zu werden. Ansonsten würde ich's wieder genauso machen. Einfach tun - das ist immer das Beste. Der Rest ruckelt sich irgendwie zurecht.

Das Interview führte Michael Althaus.


Quelle:
KNA