domradio.de: Wie haben Sie denn Altkanzler Helmut Schmidt kennengelernt?
Jaschke: Ich bin jetzt schon 26 Jahre lang in Hamburg und Hamburg ist nicht so groß, in Hamburg kennt man sich über die Jahre hin und begegnet sich bei vielen Gelegenheiten. Und ich gehöre auch zu einem kleinen Kreis, der sich regelmäßig mit Helmut Schmidt trifft. Da sind Ärzte dabei, Künstler, Politiker und auch ein leibhaftiger Bischof. Aber wir sind alle gute Freunde. Helmut Schmidt zeigt auch in so einem Zirkel, wie universell er gebildet ist, interessiert ist und wie wichtig das Gespräch für ihn ist.
domradio.de: Was kann man dann, wenn man jemanden so gut kennt, wenn man sagt, man ist gute Freunde - was können Sie über den Menschen Helmut Schmidt sagen?
Jaschke: Er ist ein ganz zarter und feinfühliger Mensch. Er wirkt ja manchmal so, früher jedenfalls, als er noch jung war, als er sagte: Das gilt! Kommando! Dann hat er auch ein Wort gebraucht, das ich jetzt nicht wiederholen will. Aber im Alter wird er doch sehr liebenswürdig, manchmal auch ein bisschen zurückhaltend, manchmal ein bisschen verschämt. Ein Mensch, wie man ihn gerne haben muss. Er liebt die Musik, er leidet darunter, dass er keine Musik mehr hören kann. Er sagt, darüber sei er Gott ganz besonders böse, dass er keine Musik mehr hören könne. er hat wahnsinnig getrauert um den Tod seiner geliebten Loki, die ich auch kannte. Eine ganz feine, kluge Frau. Eine gewisse Erleichterung und ein Aufblühen ist bei ihm wieder eingetreten, als Frau Loah jetzt zu ihm ins Haus gezogen ist, so dass er nicht allein ist. Also, ein Mensch mit einer ganz sensiblen, feinfühligen Art.
domradio.de: Wenn Sie sagen, er war Gott böse, dass er nicht mehr Musik hören kann: Ist Helmut Schmidt ein gläubiger Mensch?
Jaschke: Das zu beurteilen steht mir nicht zu. Ich werde keinem Menschen die Gläubigkeit absprechen. Ich glaube im Gegenteil, Gott ist so groß, dass jeder Mensch seinen Draht zu ihm hat und dass Gott seinen Draht, seine Wege hat, mit ihm zu kommunizieren. Der nicht so viel vom Glauben redet, der mag viel gläubiger sein als all die Frommen, die unter uns sind.
domradio.de: Viele Deutsche sehen in Helmut Schmidt einen den bedeutendsten Altkanzler. Würden Sie in dieses Lob mit einstimmen?
Jaschke: Naja, ich muss als Kirchenmann kein Politiker sein. Ich würde die Gewichte schon nach meinem Urteil verteilen, aber Helmut Schmidt gehört sicherlich zu den Großen, zu den markanten Erscheinungen unseres Landes, auf die wir stolz sein können. Ein Sozialdemokrat, einer, der sich immer zu den Werten bekannt hat und bekennt, die für einen Menschen wichtig sind, zum Gewissen und zu einem souveränen Urteil. Er ist schon ein wichtiger Mann. Ein bisschen die Gefahr bei ihm mag darin bestehen, dass er dann so im hohen Alter - das, was er sagt, hat fast den Anspruch, nicht gerade von Unfehlbarkeit, aber von ganz großem Gewicht. Aber der Mann ist souverän, geistig fit, hat bei Putin jetzt noch seinen Abschiedsbesuch gemacht. Er kennt die chinesischen Wortführer und hat den alten Papst besucht, Johannes Paul II., mit dem er diskutiert hat über den Zuwachs der Weltbevölkerung, er hat ihn geschätzt, aber auch natürlich kritisiert. Also, ich schätze Helmut Schmidt und verstehe, dass die Mehrheit der Deutschen sagt, dieser Mann hat ein ganz besonderes Gewicht bei uns.
domradio.de: Wenn er so ein besonderes Gewicht hatte, glauben Sie dann auch, dass die deutsche, oder vielleicht die europäische Geschichte anders verlaufen wäre ohne einen Kanzler Schmidt?
Jaschke: Ach ja, er war natürlich in der Reihe der großen Kanzler eine wichtige Person. Der Doppelbeschluss, der geht auf ihn zurück. Aber eine andere Entwicklung hätte sie nicht genommen. Helmut Schmidt ist ein Europäer und er hat uns jetzt auch wieder ganz intensiv gemahnt, dass wir Europa nicht aus dem Auge verlieren, dass wir nicht an deutscher Selbstherrlichkeit uns überheben, dass wir Rücksicht nehmen auf die anderen europäischen Länder. Das ist ganz im Sinne der großen deutschen Politik, die nach dem Zweiten Weltkrieg uns wirklich Perspektive und Zukunft eröffnet.
domradio.de: Bekannt bei vielen Menschen in Deutschland ist Helmut Schmidt nicht nur wegen seiner markigen Worte und seiner Zeit als Bundeskanzler, sondern vor allem auch als einer der bekanntesten Zigarettenraucher in Deutschland. Wenn Sie häufig bei ihm mal bei ihm zu Hause waren, brauchte man da, im wahrsten Sinne des Wortes, einen guten Atem?
Jaschke: Ich bin früher auch ein ganz starker Raucher gewesen. Aber ich habe mir vorgenommen - ich rauche jetzt seit 25 Jahren nicht mehr - nie aggressiv gegen Rauch zu sein. Wenn ich in mein Auto steige dann am späten Abend, sagt mein Chauffeur öfters zu mir, Herr Weihbischof, es stinkt bei Ihnen. Sie stinken. Also, geräuchert kommt man da schon raus, aber Helmut Schmidt, das gehört zu ihm, das ist sein Markenzeichen, und warum soll er im hohen Alter das nicht weiter tun. Ärzte sagen sicherlich, wenn er damit aufhören würde, würde das seinen ganzen Körper durcheinanderbringen. Also, ihm möge weiterhin das Rauchen schmecken, auch das Schnupfen. Er kann ja beides. Und lacht auch ein bisschen dabei.
domradio.de: Dann meine letzte Frage: Wenn Sie schon darüber reden, was die Ärzte dem Altbundeskanzler wünschen, was wünschen Sie denn dem 95jährigen Altbundeskanzler zum Geburtstag?
Jaschke: Dass er seinen Humor behält, dass er körperlich einigermaßen fit bleibt - er sagt manchmal, ach Herr Jaschke, vom Kopf ab ist alles nur noch Schrott - das ist ein bisschen übertrieben. Aber dass er sich auch noch ein bisschen besser bewegen kann. Er ist auf einen Rollator angewiesen und hat auch viele andere gute Hilfen. Und dann wünsche ich ihm, dass sein Kopf klar bleibt, sein Verstand hell bleibt und dass er den Humor nicht verliert.
Das Gespräch führte Matthias Friebe.