Der BDKJ rechnet mit Nachteilen für Ehrenamtliche durch das Kinderschutzgesetz

Späte Regelung zu "Frühen Hilfen"

Das Kinderschutzgesetz kann im nächsten Jahr in Kraft treten. Nach einem Kompromiss im Vermittlungsausschuss stimmte nun auch der Bundesrat zu. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend begrüßt die Initiative grundsätzlich, rechnet aber mit Nachteilen für die eigene Arbeit.

 (DR)

"Das Gesetz und die darin vorgesehenen Maßnahmen bieten Kindern einen besseren Schutz vor Vernachlässigung und Gewalt", sagte die BDKJ-Bundesvorsitzende Ursula Fehling am Freitag auf Anfrage von dormadio.de. Vor allem die Idee, Hebammen stärker mit der Begleitung gefährdeter Familien zu betrauen, sei ein gutes Mittel, das jetzt endlich finanziert sei. Gleichzeitig befürchtet der Dachverband der katholischen Jugendorganisationen Nachteile für die ehrenamtliche Jugendarbeit.



Denn die Kommunen sind im Gesetz nicht mehr verpflichtet, die Qualitätskriterien für den Jugendschutz vor Ort mit freien Trägern - wie eben den katholischen Jugendverbänden - individuell zu vereinbaren. "Führungszeugnisse oder andere schwer erfüllbare Auflagen für Wochenenden und Sommerlager - das kann jetzt jede Kommune Jugendverbänden auferlegen. Das würde die ehrenamtliche Arbeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen echt erschweren."  Der Kinderschutz stehe natürlich zu Recht im Vordergrund des Gesetzes. "Aber es stellt das Ehrenamt und die Selbstorganisation von Jugendarbeit vor große Herausforderungen." Das hätte zum Beispiel mit einer finanziellen Unterstützung der Präventionsarbeit von Jugendverbänden besser geregelt werden können.



Am Ende seltene Einigkeit

Am Freitag passierte das neue Kinderschutzgesetz den Bundesrat ohne Gegenstimmen. Nach dem grausamen Tod von Jessika, Kevin und Lea-Sophie hatte es ganze vier Jahre gebraucht, bis sich die Politiker in Bund und Ländern zu einheitlichen Regelungen durchrangen.



Wenn das Gesetz am 1. Januar in Kraft tritt, wird es nach Überzeugung von Bundfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) den Kinderschutz in Deutschland "umfassend verbessern". Sie mahnte aber auch zu Realismus. Ganz vermeiden könne der Staat derartige Fälle nicht, er könne sie aber unwahrscheinlicher machen.



Das zeigen auch die Modellprojekte und Initiativen, die nun unter dem Stichwort "Frühe Hilfen" bundesweit Eltern in schwierigen Lebenslagen unterstützen und Kinder vor Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellen Missbrauch schützen sollen. Der Staat setzt künftig vor allem auf eine bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure bei der Vorbeugung und bei unmittelbaren Eingriffen zum Wohl des Kindes.



Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) war mit ihrem Gesetzentwurf gescheitert, weil er nach Ansicht der SPD einseitig auf Intervention setzte. Sie wollte Mitarbeiter von Jugendämtern bei jedem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung zum Hausbesuch verpflichten - Kritiker warnten jedoch vor der Gefahr, dass die Eltern sich nur noch weiter abschotten. Jetzt soll ein Hausbesuch nur stattfinden, "soweit der Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird".



Eltern einbeziehen

Am wirksamsten ist der Kinderschutz, wenn die Eltern einbezogen werden. Das zeigt die Erfahrung mit Familien-Hebammen etwa in Niedersachsen, die jetzt im Gesetz Berücksichtigung findet. Die Habammen bauen auf persönliche Begleitung und schaffen Vertrauen.

Sie sind besonders qualifiziert und begleiten junge Mütter von der Schwangerschaft bis zum ersten Geburtstag des Kindes. Liegen Risikofaktoren wie Beziehungskonflikte, psychische Probleme, Depressionen oder Drogenmissbrauch vor, können sie intervenieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei Teenager-Schwangerschaften.



Das Gesetz regelt erstmals auch bundeseinheitlich, dass Ärzte, Lehrer oder Sozialarbeiter das Jugendamt informieren dürfen, wenn sie "gewichtige Anhaltspunkte" für eine Kindeswohlgefährdung sehen. Der bessere Austausch soll auch verhindern, dass auffällig gewordene Eltern sich durch einen Wohnortwechsel dem Jugendamt entziehen. Bund und Länder wollen mit dem Gesetz zudem Konsequenzen aus den Erkenntnissen des Runden Tisches zum sexuellen Missbrauch und zur Heimerziehung ziehen. Dazu weitete der Gesetzgeber den Kreis derer aus, die in der Jugendarbeit erweiterte Führungszeugnisse vorlegen müssen.



Die letzte Hürde nahm die Regelung Anfang der Woche im Vermittlungsausschuss. Die Länderkammer hatte die Vorlage aus dem Hause Schröder zunächst zurückgewiesen, aus Sorge, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Schließlich sicherte der Bund zu, langfristig mehr als die Hälfte der Kosten für die Familien-Hebammen und die "Netzwerke Frühe Hilfe" zu übernehmen. Nach Ansicht von Fachleuten sollten sich die Krankenkassen eigentlich an den Kosten beteiligen. Dem widersetzte sich aber Bundesgesundheitsministerin Daniel Bahr (FDP).



Sein Haus verweigerte sich auch einer weitergehenden Einbindung in das Kinderschutzgesetz. Dies monierten nicht nur Verbände und die Opposition. Auch der hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) beklagte im Bundesrat die mangelnde Verzahnung mit dem Gesundheitswesen. Ferner bedauerte er, dass kein "weitergehender Schütz für Kinder mit Behinderungen" möglich gewesen sei.



Für Schröder ist die Verabschiedung der Regelung nach dem jahrelangen Ringen in jedem Fall ein politischer Erfolg. Selbst die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Familienexpertin, Manuela Schwesig (SPD), sprach von einer "neuen Qualität" im Kinderschutz. Sie machte aber auch deutlich, dass die Regelung als "guter Bausstein" für den weiteren Ausbau des Kinderschutzes anzusehen sei.