Der Bischof von Oslo über Norwegen ein Jahr nach dem Amoklauf

"Wir beten für die Opfer"

Ein Jahr nach den Anschlägen im Regierungsviertel von Oslo und auf der Insel Utöya mit 77 Toten gedenkt das Land am Sonntag der Opfer mit Gottesdiensten und Kranzniederlegungen. Der katholische Bischof von Oslo, Bernt Eidsvig, spricht im domradio.de-Interview über sein Land und die Möglichkeiten der Kirche, die Trauer zu mindern.

 (DR)

domradio.de: Wie erleben Sie ihr Land, ein Jahr nach den schrecklichen Anschlägen?  

Bischof Bernt Eidsvig: Man spürt, dass dieses furchtbare Jubiläum eine große Belastung ist, besonders für die Hinterbliebenen. Die Trauerfeiern werden das hoffentlich etwas erleichtern, wenn die Hinterbliebenen spüren, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Trauer.



Es sind eine Kranzniederlegung und verschiedene Gedenkgottesdienste geplant. Sie selbst werden in der St. Olaf Kathedrale in Oslo um 11 Uhr eine Messe zum Gedenken an die Opfer halten. Was werden Sie den Menschen an tröstenden Worten mitgeben?

Wir feiern ein Requiem und auch die Freikirchen werden ein Requiem um diese Zeit feiern. Wir tun unseren Teil, indem wir für die Verstorbenen besonders beten, in der lutherischen Theologie ist das ja eher nicht üblich. Das sehen wir als unseren wichtigsten Beitrag. Gleichzeitig wird das offizielle Norwegen im lutherischen Dom einen Trauergottesdienst feiern in der Anwesenheit von Königshaus und Regierung.



domradio.de: Wie kann die Kirche denn überhaupt den Angehörigen und den Überlebenden helfen? Wie hat sie das vielleicht auch schon im vergangenen Jahr getan?

Eidsvig: Wir haben ja vor einem Jahr gesehen, dass die Menschen den Weg zur Kirche gesucht haben und im lutherischen Dom in Oslo und in den anderen Kirchen hat man ein Meer von Blumen gesehen. Mehrere hunderttausend Menschen waren im Dom, um zu beten. Wir haben das in kleinerem Maß gespürt, weil unter den Getöteten kein Katholik war, aber auch bei uns war der Messbesuch viel größer als üblich. Die Menschen haben Kerzen angezündet und für die Opfer Blumen abgelegt.



domradio.de: Was würden Sie sagen, wie hat sich Norwegen verändert?

Eidsvig: Ich glaube Norwegen hat sich nicht verändert, aber die Erfahrung etwas so Bösen ist neu und das hat wahrscheinlich viele Menschen zum Denken und beten gebracht. Diese Frage wird ja sehr viel diskutiert, aber ich glaube, man kann keine größeren Veränderungen sehen, nur eine größeres Nachdenken der Menschen vielleicht.



domradio.de: Laut der Umfrage eines Osloer Politikwissenschaftlers soll  der Anteil derjenigen gestiegen sein, die zufrieden sind mit dem Funktionieren der Demokratie. Ist das auch ihr Eindruck?

Eidsvig: Ja, schon. Ich glaube, das Problem ist nicht die norwegische Demokratie. Diese Person war ein Einzelgänger, wir hatten ja vor einem Jahr befürchtet, dass diese Organisation, von der er gesprochen hat, einen größeren Umfang haben könnte, und mehrere Mitglieder, die zu solchen Taten bereit wären. Aber es hat sich ja gezeigt, dass es nur eine Lüge und Fantasie seinerseits war.



domradio.de: Ebenfalls ein Ergebnis der Umfrage ist, dass sich seit den Anschlägen die Haltung zu islamischen Glaubensgemeinschaften positiv entwickelt hat. Glauben Sie, dass die Aufforderung Stoltenbergs Früchte getragen? Er hatte ja als Reaktion auf das Verbrechen zu noch mehr Demokratie und Humanität aufgerufen.  

Eidsvig: Das glaube ich schon, dass seine Worte da nicht ohne Einfluss sind, wir reden da über einen langfristigen Prozess, der immer noch andauert. Aber ich glaube, er hat sehr gute Ansätze gemacht, und die Worte die er gesprochen hat, waren für sehr viele Menschen Trost und Hilfe. König und Kronprinzen, die normalerweise zu solchen politischen Anlässen nicht sprechen, waren auch von großer Hilfe. Die Botschaft ihrerseits war sehr viel kürzer aber sehr wirkungsvoll. Und ich möchte auch erwähnen, dass der evangelische Bischof von Oslo sehr gut und einfühlsam gesprochen hat und die Menschen in ihrem Glauben gestärkt hat.