Die Abkehr vom Atomausstieg ist beschlossene Sache. Der Bundesrat ließ am Freitag (26.11.2010) das Gesetz über die Verlängerung der Laufzeiten der 17 deutschen Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre ohne Einspruch passieren. Weil der Beschluss praktisch ohne Mitwirkung der Länderkammer zustande gekommen ist, wollen SPD-regierte Länder beim Bundesverfassungsgericht dagegen klagen. Zuvor muss Bundespräsident Christian Wulff das Gesetz aber erst unterzeichnen.
Die Verlängerung der Atomlaufzeiten um acht bis 14 Jahre ist zentraler Punkt des schwarz-gelben Energiekonzepts. Von den zusätzlichen Gewinnen der vier Betreiber will die Koalition bis zu 30 Milliarden Euro abschöpfen und in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken. Sie argumentiert, sonst wäre die Umstellung auf Ökoenergien bis 2050 nicht bezahlbar. Die heutige Opposition, die in der rot-grünen Regierung vor zehn Jahren den Atomausstieg bis 2021 durchsetzte, warnt dagegen davor, dass der billige Atomstrom den Ausbau erneuerbarer Energien verzögert.
Länder wollen Anteil an der Brennelementesteuer
Beim Brennelementesteuergesetz forderten die SPD-geführten Länder und auch einige Unions-regierte Länder eine angemessene Beteiligung der Länder an den Einnahmen des Bundes und einen Ausgleich der Steuermindereinnahmen der Länder und Gemeinde. Denn die Betreiber von Atomkraftwerken können die Kernbrennstoffsteuer als Betriebsausgaben geltend machen und so die Körperschafts- und Gewerbesteuer mindern.
In letzter Minute gelang ein Kompromiss. Statt den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat mit der Nachbesserung des Gesetzes zu beauftragen, einigte man sich auf ein von Baden-Württemberg und Sachsen vorgeschlagenes Verfahren. Danach sollen bis Mitte 2012 die Auswirkungen der Brennelementesteuer auf das Steueraufkommen von Ländern und Gemeinden erfasst werden. Auf dieser Grundlage soll dann eine Kompensation für Länder und Gemeinden geprüft werden.
Das Brennelementegesetz soll von 2011 bis 2016 jährlich Steuereinnahmen von 2,3 Milliarden Euro für den Bund bringen. Das Geld soll für die Konsolidierung des Haushalts eingesetzt werden und besonders die Belastung durch die Sanierung der Schachtanlage Asse II vermindern. In dem Salzbergwerk in Niedersachsen wurde zwischen 1967 und 1978 die Endlagerung radioaktiver Abfälle erprobt.
"Verfassung zum Spielball politischer Interessen gemacht"
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) warf der Bundesregierung vor, sie habe den Atomkonsens aufgekündigt und wolle Laufzeiten bis 2040 ermöglichen. Die schwarz-gelbe Koalition habe offensichtlich "die Verfassung hier zum Spielball politischer Interessen gemacht". Weil der Verdacht bestanden habe, dass es für die Laufzeitverlängerung im Bundesrat keine Mehrheit geben würde, sei die Länderkammer einfach von der Gesetzgebung ausgeschlossen worden. Aber sechs Rechtsgutachten untermauerten, dass die Nichtbeteiligung der Länder gegen die Verfassung verstoße.
Beck wies auf die Sicherheitsrisiken der Atomkraftwerke hin. "Je länger die Kraftwerke laufen, umso größer werden sie", sagte der SPD-Politiker. In Zeiten, in denen man um die innere Sicherheit besorgt sei, müsse darauf hingewiesen werden, dass die sieben ältesten Atommeiler "nicht oder kaum gegen Terrorangriffe geschützt" seien.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kritisierte, die Laufzeitverlängerung verschärfe auch die Endlagerprobleme. Denn statt geschätzter 17.200 Tonnen an hoch radioaktivem Atommüll fielen dadurch 21.600 Tonnen an. Darüber hinaus hätten Experten berechnet, dass zusätzlichen Einnahmen von bis zu 127 Milliarden Euro der Kernkraftwerksbetreiber Steuerausfälle bei Ländern und Gemeinden von 500 Millionen Euro gegenüber stünden.
Der Bundesrat billigt die längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke
Ohne Rückhalt in Kirche und Gesellschaft
"Kernenergie ist gemeinwohlschädlich", "Es geht um die Verantwortung gegenüber der Schöpfung", "Wir überschreiten hier das menschliche Maß" – die Kritik von Kirche und Gesellschaft an der Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke in den vergangenen Monaten war vielfältig und laut. Dennoch hat der Bundesrat das entsprechende Gesetz nun gebilligt.
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