Nein, sein Name ist kein Künstlerpseudonym. Der offizielle Prediger des Päpstlichen Hauses heißt wirklich Raniero Cantalamessa. Mit der Aufgabe betraut hat den italienischen Kapuziner schon Johannes Paul II. - nur knapp zwei Jahre nachdem dieser zum Papst gewählt worden war.
Und während Dutzende Eminenzen und Exzellenzen an der Kurie gingen - oder gegangen wurden -, beließen die Nachfolger auf dem Stuhl Petri, Benedikt XVI. und Franziskus, Cantalamessa auf seinem Posten.
Äußerlich hat der Ordensmann durchaus Ähnlichkeit mit Anselm Grün: freundliches Gesicht, weiße Haare und Bart sind aber kürzer. Auch ist der Kapuziner in Italien ähnlich berühmt wie der Benediktiner aus Münsterschwarzach. Von 1994 bis 2010 moderierte Cantalamessa im italienischen Fernsehsender Rai Uno jeden Samstag eine 15-minütige Sendung zum Sonntagsevangelium.
Päpstlicher Exerzitienleiter und Prediger
Was genau dem Prediger des Päpstlichen Hauses obliegt, wird nicht einmal in dem Erlass genannt, mit dem Paul VI. 1967 das Päpstliche Haus neu ordnete. Dort wird der "Predicatore Apostolico", wie er auch heißt, lediglich einmal als geistliches Mitglied der Päpstlichen Familie genannt, die wiederum zum Päpstlichen Haushalt gehört.
Ein Fulltime-Job ist die Aufgabe nicht. Traditionell - und das hat an der römischen Kurie großes Gewicht - hält der Päpstliche Hausprediger jeweils in der Advents- und Fastenzeit freitags eine Predigt. So wie mancherorts Bischöfe Fasten- oder Adventspredigten halten.
Cantalamessa tut dies allerdings in Anwesenheit des Papstes, von Kardinälen, Bischöfen, Ordensoberen und anderen wichtigen Häuptern der Kurie.
Meist findet diese besondere Predigt in der Kapelle Redemptoris Mater im Apostolischen Palast statt. Dort leitete Cantalamessa früher auch die Exerzitien der Kurie zu Beginn der Fastenzeit, bevor Franziskus seine leitenden Mitarbeiter aus dem Vatikan rausholte - und in ein Haus in den Albaner Bergen einlud.
Mit der Aufgabe, dem Papst zu predigen, wurden ganz früher abwechselnd die Leiter der vier sogenannten Predigerorden betraut: der Franziskaner, Dominikaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten.
Paul IV. (1555-1559) machte aus dem Päpstlichen Hofprediger eine ständige Einrichtung. Sein Nachfolger Benedikt XIV. entschied 1743, dass nur noch ein Angehöriger der Kapuziner-Minderbrüder dieses Amt wahrnehmen solle.
Cantalamessa: Hausprediger seit 1980
Der aktuelle Kapuziner-Papstprediger Raniero Cantalamessa wurde am 22. Juli 1934 in einem Dorf nahe Ascoli Piceno in der Region Marken geboren. Nach dem Eintritt in den Orden wurde er 1958 zum Priester geweiht. Im schweizerischen Freiburg promovierte er 1962 in Theologie, einen zweite Doktortitel erwarb er 1967 an der Katholischen Universität Sacro Cuore in Mailand in Klassischer Philologie.
Dort lehrte er anschließend Alte Kirchengeschichte und Patristik, war zudem Leiter der Abteilung für Religionswissenschaften. Paul VI. berief in 1975 in die Internationale Theologenkommission. 1980 dann wollte Johannes Paul II. ihn als seinen Hausprediger haben. Neben den Advents- und Fastenpredigten hält Cantalamessa die Predigt in der Karfreitagsliturgie im Petersdom.
Dabei fand er 2010 ungewollte internationale Aufmerksamkeit, als er Pauschalattacken gegen die Kirche wegen sexuellen Missbrauchs mit antisemitischen Verunglimpfungen verglich. In seiner Predigt zitierte er einen nicht namentlich genannten jüdischen Freund: Der Gebrauch von Stereotypen und das Verschieben von persönlicher zu kollektiver Schuld in der Missbrauchsdebatte erinnere ihn "an die schändlichsten Aspekte des Antisemitismus". Cantalamessa musste sich kurz darauf entschuldigen.
Für die Exerzitien der Kurie hat Franziskus zuletzt auswärtige Prediger eingeladen - einen Theologen aus Lissabon und einen Benediktiner aus Florenz. Was nicht bedeutet, dass er mit Cantalamessa unzufrieden wäre. Zuletzt betraute der Papst ihn mit der anspruchsvollen Aufgabe, die gespaltene US-Bischofskonferenz bei einer von ihm angeordneten Exerzitienwoche über den Missbrauchsskandal zu begleiten.
Außerdem ernannte Franziskus Cantalamessa zum Geistlichen Assistenten für Charis, die neue Service- und Koordinierungsstelle des Vatikan für die charismatische Bewegung. Mit dieser Frömmigkeitsform habe er selber früher wenig anfangen können, so der Kapuziner. Inzwischen aber halte er diesen "Gnadenstrom" doch für wichtig, um die teils müde Kirche wieder aufzuladen.
Seit rund zehn Jahren hat sich der bald 85-jährige Cantalamessa aufs Land zurückgezogen. Er fühle sich zunehmend zu einem kontemplativen Leben hingezogen, gestand er 2009 in einem Interview. Rund 90 Kilometer nördlich von Rom lebt er in einem ehemaligen Kapuzinerkonvent im 6.700-Einwohner-Ort Cittaducale bei Rieti.