Der frühere Limburger Bischof Franz Kamphaus wird 80 Jahre alt

Der sture, zarte Prophet

Der frühere Limburger katholische Bischof Franz Kamphaus wird heute 80 Jahre alt. Kamphaus, dessen Wirken bundesweit starke Beachtung fand, stand 25 Jahre - von 1982 bis 2007 - an der Spitze des Bistums Limburg. Heute ist der Seelsorger für Schwerbehinderte.

An seiner neuen Wirkungsstätte: Franz Kamphaus (KNA)
An seiner neuen Wirkungsstätte: Franz Kamphaus / ( KNA )

Typisch Franz Kamphaus: Von einer pompösen Feier anlässlich seines 80. Geburtstags am Donnerstag mag der frühere Limburger katholische Bischof nichts wissen. Und was er von Reden über seine Person hält, hat er schon vor fünf Jahren mit Blick auf seinen 75. Geburtstag und den damit verbundenen altersbedingten Abschied von seinem Bischofsamt deutlich gemacht: nichts. "Ich muss mir", so Kamphaus damals, "nicht sagen lassen, was ich wert bin. Das weiß ich selbst."



Kamphaus, dessen Wirken weit über das Bistum Limburg hinaus Beachtung fand, wurde 1982 im Dom der Lahnstadt zum Bischof geweiht und in sein Amt als Oberhirte des Bistums eingeführt. Etwas Neues beginnt. Zuerst spüren es die Limburger selbst. "Früher haben wir Mädchen geknickst, wenn der Bischof im Auto vorbeigefahren wurde. Heute geht ein Mann in einfacher Priesterkleidung durch die Altstadt, redet mit den Leuten, hört sich ihre Geschichten an", erzählt eine alteingesessene Limburger Katholikin. Kamphaus überlässt das bischöfliche Palais einer tamilischen Flüchtlingsfamilie und zieht ins Priesterseminar. Ins Ordinariat bringt er frische Farbe, mal eine grüne Wand, mal eine dunkelblaue, wo vorher klinisches Weiß dominierte.



An der Wand seines Arbeitszimmers hängt ein Bild von Reformpapst Johannes XXIII. (1881-1963), der mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die katholische Kirche für die Moderne öffnete. "Die Kirche hat einen langen Atem, deswegen macht sie auch nicht jeden modischen Krampf mit. Aber manchmal möchte man ihr auch zurufen: Jetzt geht"s aber los, jetzt wird"s Zeit!", sagt er. Verheiratete Männer als Pfarrverwalter lässt er zu.



An der Seite der Opfer

Als er noch in Amt und Würden war, nahm sich Kamphaus in zahlreichen Äußerungen behinderter Menschen an: "Als Christ und als Bischof, der auch in der Öffentlichkeit steht, versuche ich, das zu leben, was ich glaube und verkündige." Sein bischöflicher Wahlspruch lautet "Evangelizare pauperibus" (Den Armen das Evangelium verkünden).



Also setzte er sich für Flüchtlinge ein, also plädierte er für eine "Bundesrepublik Erde", in der keiner außen vor gelassen werde, wenn es um Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit gehe. Christen, so Kamphaus, gehörten an die Seite der Opfer, der Hungernden und Verwundeten, an die Seite derer, "die auf der Flucht sind und schreien". Für Kamphaus steht fest: "Gott ist ein unverbesserlicher Weltverbesserer." Und: "Die Welt ist verbesserlich." Man müsse nur damit anfangen, "möglichst bei sich".



Für großes Aufsehen sorgte seinerzeit, dass sich Kamphaus unter Berufung auf sein Gewissen als einziger der deutschen Diözesanbischöfe weigerte, der 1999 ergangenen Weisung des damaligen Papstes Johannes Paul II. an die Bischöfe zu folgen, in den Schwangeren-Beratungsstellen ihrer Bistümer nicht mehr den vom Gesetzgeber verlangten Beratungsschein ausstellen zu lassen. Im März 2002 dann verfügte Johannes Paul II. gegen den Willen von Kamphaus den Ausstieg des Bistums Limburg aus der gesetzlichen Konfliktberatung. Zugleich bat er den Bischof, im Amt zu bleiben.



Neue Aufgabe als "normaler" Seelsorger

"Wenn ich in der Linie meiner Äußerungen bleiben will", so Kamphaus im Vorfeld seines Wechsels nach Rüdesheim, "dann ist das Vincenzstift ein geeigneter Ort für mich." Nun lebt er dort als Seelsorger mit geistig und mehrfach schwerbehinderten Menschen zusammen, im Sankt Vincenzstift in Rüdesheim-Aulhausen. Sie sagen zu ihm "Du, Bischof" oder auch nur "Bischof". Sein Tag beginnt um fünf Uhr, er meditiert eine halbe Stunde lang im Gebetsraum des Priesterseminars. "Bitte Schuhe ausziehen", steht auf der Tür. Der Raum selbst ist leer. An der Wand hängt der gekreuzigte Mann aus Nazareth. Wer Kamphaus hier für einen Moment beobachten darf, ahnt, was ihn trägt. "Atem ist Leben. Wer nicht mehr atmet, ist tot. Für mich ist Leben: Christus. Deswegen verbinde ich mit dem Ein- und Ausatmen den Namen Jesus Christus bei der Meditation", sagt er. Und fügt hinzu: "Hier unten liege ich früh morgens auf dem Boden. Vor Christus. Dann kann mich am Tag nichts mehr umwerfen."



Aufs Bischofsgehalt verzichtet Kamphaus, weil "ein Bischof für mich etwas Ähnliches ist wie ein Pfarrer. Also bekomme ich auch dessen Gehalt. Und das ist noch viel zu viel, weil ich das gar nicht brauche". Als er 2007, zu seinem 75. Geburtstag, in den Ruhestand tritt, wählt er das Vincenzstift in Aulhausen im Rheingau als Altersruhesitz. Er will Seelsorger sein für die Schwerbehinderten, die dort leben. Sie sagen jetzt "Du, Bischof" zu ihm. Und sie lieben ihn.



Seit langem schon plagt Kamphaus ein Tremor. Die Hände zittern, die Stimme ist zittrig. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ließ er einmal - da schon Seelsorger im Vincenzstift - wissen: "Unter Behinderten fällt deine Behinderung nicht mehr auf - du bist einer von ihnen." Als Kamphaus ins Vincenzstift wechselte, war ihm "klar":  "Ich gehe an den Rand." Über seine Arbeit dort sagt er: "Das Wichtigste ist nicht, was ich tue, sondern dass ich da bin, mit ihnen bin."