Ein Mais-Kolben - das ist nicht unbedingt das Symbol, das man auf dem Bischofswappen eines Winzersohns erwartet. Doch zusammen mit dem roten Kreuz auf weißem Hintergrund steht das Gemüse sinnbildlich für die beiden Welten, zwischen denen Leo Schwarz seit Jahrzehnten wandelt. Das Kreuz ist das Wappen des Heimatbistums Trier, in dem der Priester lange als Weihbischof diente. Der Mais ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel in Bolivien, der zweiten Heimat des rüstigen Geistlichen, der am 9. Oktober 85 Jahre alt wird.
Fast ein Vierteljahrhundert lang war Schwarz Weihbischof an der Mosel unter den Bischöfen Hermann Josef Spital und Reinhard Marx. Zuvor leitete er von 1976 bis 1982 mit Misereor das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfewerk. Für den 1931 in Braunweiler nahe Bad Kreuznach Geborenen war und ist der Einsatz für die Dritte Welt keine abstrakte Schreibtischaufgabe. Denn Schwarz, der sich nach einem Pädagogikstudium und einer kurzen Tätigkeit als Lehrer für das Theologiestudium entschied, war bereits kurz nach der Priesterweihe und seiner Kaplanszeit 1962 für acht Jahre als Seelsorger in Bolivien gewesen.
Kein Geld für einen Sarg
Was ihn in dieser Zeit im Hochland tief prägte, war die Begegnung mit der Armut, teils mit bitterer Armut. "Ich habe viele Leute beerdigt, die keinen Sarg hatten, die man in ein Tuch gepackt hat", erinnert er sich. Es sei vorgekommen, dass die Leichen während des Trauerzugs aus dem Tuch gerutscht seien; bei der Hitze habe man den Geruch kaum aushalten können.
Als einfacher Dorfpriester streifte Schwarz ein Kapitel der südamerikanischen Revolutionsgeschichte: Er traf auf die Guerilla des Che Guevara, verhandelte mit den Männern des marxistischen Revolutionärs. Am 9. Oktober 1967, Schwarz' Geburtstag, wurde Che schließlich in Bolivien exekutiert.
Partei ergreifen für die Armen
Die heftigen Missstände in Lateinamerika erlebte Schwarz aus nächster Nähe mit. In seiner Zeit bei Misereor waren es Menschen wie Mutter Teresa oder der sozialkritische salvadorianische Erzbischof Oscar Romero, die tiefen Eindruck auf den Geistlichen machten. Als Romero im März 1980 auf Geheiß der Militärdiktatur am Altar erschossen wurde, hielt Schwarz in Aachen einen Gedächtnisgottesdienst ab.
Ganz im Sinne des Ermordeten - und des späteren argentinischen Papstes Franziskus - betonte Schwarz, die Kirche könne "nicht umhin, für die Armen Partei zu ergreifen, sie zu verteidigen, zu ermutigen und am Schicksal der Armen voll Anteil zu nehmen". Diese weltkirchliche Dimension behielt Schwarz auch im Blick, als er 1982 zum Weihbischof in Trier berufen wurde.
Leben in einem abgelegenen Dorf
Über viele Jahre hatte er weiterhin überdiözesane Aufgaben inne: Er war Vorsitzender der Deutschen und der europäischen Kommission "Justitia et Pax" (Gerechtigkeit und Frieden), leitete den Aktionsausschuss des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis und begleitete als Geistlicher Assistent die Arbeit des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Zudem stand er der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz vor.
Seit zehn Jahren ist Schwarz nun emeritiert - doch an den Ruhestand denkt er auch mit 85 noch nicht. Hohe kirchliche Würdenträger äußern gerne mal, wie sehr sie doch eigentlich ein einfacher Dorfpriester geworden wären. Schwarz hingegen hat diesen radikalen Schritt gewagt, ist mit 75 wieder nach Bolivien übersiedelt. Noch heute verbringt er die meiste Zeit in einem abgelegenen Dorf ohne Komfort und Internet, aber mit direktem Kontakt zu den Gläubigen.
Für die Beichte da
Er fährt zu den Menschen, feiert Gottesdienste, ist einfacher Seelsorger. Seine Hauptaufgabe: die Beichte abnehmen. "Ich sitze hinten. Da sitzt man ganz gut", sagt er. In diesem Spätsommer hat er einige Zeit in Trier verbracht, doch wenn die Gesundheit es zulässt, will er nach seinem runden Geburtstag wieder in die zweite Heimat zurückkehren und "in Bolivien noch einige Dinge abschließen".
Ob er seinen Lebensabend schließlich in Trier verbringen wird? "Das weiß der liebe Gott", sagt Schwarz. Und vertraut auf eine Volksweisheit: "Es gibt ein Sprichwort in Bolivien, das heißt: Alles, was wichtig ist, regelt sich auf dem Wege. Deshalb muss man sich den Weg offenhalten und marschieren."