Der katholische Pfarrer Michael Kemper zur neuen Moschee in direkter Nachbarschaft

"Ein sehr würdiger und festlicher Rahmen"

In Duisburg ist am Sonntag die größte Moschee Deutschlands feierlich eröffnet worden. Die Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh soll nach Angaben der Moschee-Gemeinde "ein Haus für alle" sein. Von Beginn an bei den Planungen dabei war Michael Kemper, Pfarrer der benachbarten St. Peter-Gemeinde.

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dr
 (DR)

domradio: Man spricht vom Wunder von Marxloh. In welcher Hinsicht kann das Ereignis als Wunder bezeichnet werden?
Kemper: Es ist insofern ein Wunder, und darüber freuen wir uns hier sehr, weil dieses Moscheebauprojekt in großer Ruhe vonstatten ging. Es hat hier keine nennenswerte Proteste gegeben, wie z.B. in Köln, Berlin und München. Es gab hier ein offenes Klima, viel Dialogbereitschaft, viel transparentes Informieren. Das ist das Wunderbarste an diesem Projekt. Abgesehen davon, dass die Moschee selbst sehr prächtig und schön geworden ist, ist das Wunder sicherlich auch, dass sie mit weitgehend eigenen Spendenmitteln der Gemeinde errichtet werden konnte

domradio: Warum gab es denn keine Proteste, so wie es z.B. in Köln der Fall war?
Kemper: Ich glaube, da gibt es mehrere Gründe. Für das Projekt selbst ist wichtig und maßgeblich, dass es von Anfang an durch einen Beirat beraten wurde, in dem z.B. die christlichen Kirchen, aber auch Vertreter von Parteien, Schulleiter und anderer wichtiger Institutionen des Stadtteils und der Stadt sitzen. In diesem Beirat wurde von Anfang an über das Projekt, die Planungen und die nächsten Schritte informiert und auch kontrovers diskutiert. Dort haben die Bauleute auch um Rat gefragt. Wir sind sehr ernst  genommen worden mit unseren Bedenken und unserem Rat. Das hat, weil dort viele Multiplikatoren saßen, die an anderer Stelle dann darüber informiert haben, für große Transparenz gesorgt und ein offenes Klima.

Ein zweiter Grund liegt vermutlich an der Geschichte der Einwanderung der Muslime und anderer Migranten hier im Ruhrgebiet. Die ersten Muslime kamen hier nach der Ankunft in Duisburg tags drauf direkt an die Arbeit. Viele von ihnen im Bergbau, also tausend Meter tiefer, Seite an Seite mit den deutschen Kumpeln. Und da war es nötig, sich irgendwie zu verständigen auch ohne ein Wort zusprechen, mit Zeichen, um sich dort aufgrund der gefährlichen Arbeit aufeinander verlassen zu können. Das haben türkische und deutsche Kumpel voneinander gelernt und ich glaube diese Erfahrung, wir können miteinander arbeiten und miteinander leben, die wirkt sich heute noch in einer Art Grundakzeptanz, auch über Tage, aus.

domradio: Was bedeutet denn die direkte Nachbarschaft ihrer Kirche zur Moschee im Alltag?
Kemper: Ein wichtiger Ort ist vor allen Dingen auch die öffentliche Begegnungsstätte unter dem Gebetsraum. Es ist ein Anliegen der Moscheegemeinde,  mit dieser Begegnungsstätte einen Ort zu schaffen und mit Leben zu füllen, in dem Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen hier aus dem Stadtteil, aber auch aus der weiteren Umgebung, zu Veranstaltungen kultureller und religiöser Art, zu Bildungsveranstaltungen und Bildungsarbeit zusammenkommen. Sich begegnen, kennenlernen, informieren und bilden können. Diese Arbeit ist natürlich jetzt mit Leben zu füllen, das ist die nächste große Aufgabe des Beirats, es gibt da erste Ansätze und Ideen.

domradio: Ministerpräsident Rüttgers war gestern auch dabei. Er sagt, unser Land braucht mehr Moscheen. Hat die Moschee von Duisburg jetzt Modellcharakter?
Kemper: Ich denke schon, hier sind Muslime angekommen und jetzt mit einem Ort präsent, in dem Begegnung auf Augenhöhe möglich ist. Und das nicht mehr in dubiosen Hinterhöfen sondern gleichsam partnerschaftlich innerhalb der deutschen Gesellschaft. Ich glaube, für eine Integrationsarbeit ist diese Augenhöhe wichtig. Und so habe ich Ministerpräsident Rüttgers auch verstanden.

domradio: Trotzdem gibt es kritische Stimmen. Ist denn zur Sprache gekommen, dass in der Türkei christliche Kirchen geschlossen werden?
Kemper: Es gab in fast allen Redebeiträgen den Wunsch, gerade auch durch die Präsenz des Amtes für religiöse Angelegenheiten der Türkei, dass gleiches Recht möglichst auch für Christen in der Türkei gelten sollte, dass sie Kirchen bauen können.

domradio: Wie haben Sie persönlich die Feierlichkeit erlebt?
Kemper: Es war ein sehr würdiger und festlicher Rahmen. Für mich ist da noch einmal auf den Punkt gekommen, was all die Jahre geplant  und miteinander errungen wurde. Es war eine innere festliche Freude da, endlich ist es soweit und nun gilt es die Arbeit in der Begegnungsstätte auch durch unseren Beitrag mit Leben zu füllen.