Der Kirchentag vespert orthodox an 1.000 Biertischen

Gesegnete Mahlzeit

Klick-klack, klick-klack, klick-klack - immer schneller saust das Hämmerchen über das propellerartige Klangbrett: Mutter Onufria lädt, das Stundenholz schlagend, zum Gebet. Und 20.000 sind gekommen. Der 2. Ökumenische Kirchentag in München erlebt am Freitagabend seinen liturgischen Höhepunkt mit einer orthodoxen Vesper auf dem Odeonsplatz.

 (DR)

Orientalische Hymnen, Litaneien und Choräle schallen über den Platz, aus rumänischen, russischen, serbischen Kehlen. Die getragenen Weisen klingen fremd in den meisten katholischen und protestantischen Ohren. Ihre Botschaft: Wir Orthodoxen gehören auch dazu, zur Ökumene, und wir haben euch etwas anzubieten -gerade im festgefahrenen Streit um Abendmahl und Eucharistie: gesegnetes Brot für alle, Artoklasia.

Die Tische sind nicht grün oder rund wie oft in der Politik, sondern orange, der Kirchentagsfarbe. 1.000 Stück verteilen sich über den Platz, auf beiden Seiten je eine Bierbank für fünf Personen. Die Kälte kriecht durch die Hosenbeine. ÖKT-Präsident Eckhard Nagel hat sich eine Wollmütze über sein kahles Haupt gezogen und bläst warme Luft in seine klammen Finger.

Nicht nur für Nagel, aber für ihn besonders, ist es der wohl wichtigste Moment während des fünftägigen Christentreffens. Denn er wünscht sich nichts weniger, als dass München als der «Kirchentag der 1.000 Tische» in die Geschichte eingeht und die Ökumene so ein neues Gesicht bekommt.

Fast wäre der Freiluftgottesdienst ins Wasser gefallen. Bis zum Mittag strömt der Regen. Um 14 Uhr entscheiden die Veranstalter: Wir trauen unserem Motto «Damit ihr Hoffnung habt». Sie werden nicht enttäuscht.

Vesper ist Latein und heißt Abendgebet. In Süddeutschland bezeichnet das Wort aber auch eine Zwischenmahlzeit und das trifft vielleicht den Charakter der Feier auch in einer Zeit, in der zwischen den christlichen Konfessionen zwar schon vieles geht, aber noch nicht alles. Der orthodoxe Ritus von München ist noch nicht das Hauptessen, das Festtagsmenü, die Gemeinschaft am Altar steht weiter aus. Die Ungeduldigen ärgert das, sie empfinden das Brotbrechen als halbherzig.

Die Zwischenmahlzeit ist einfach: Sie besteht aus Äpfeln, Wasser und lenkradgroßen Brotfladen, die von 1.000 Helfern in Weidenkörben von der mit Ikonen und Kerzen geschmückten Bühne zu den Tischen gebracht werden. Von dort wandern die angebrochenen Stücke zu den Umstehenden, die keinen Platz mehr auf den Bänken gefunden haben. Immer wieder kommt von irgendwoher Nachschub, die Leute fangen zu schmunzeln an. So ähnlich muss es vor 2.000 Jahren bei der Speisung der 5.000 gewesen sein. Wunderbar.

Am Ende ergreift der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland das Wort. Augoustinos appelliert an die Kirchentagsbesucher: «Wenn Sie in Ihre Heimatorte zurückkehren, gehen Sie aufeinander zu, so wie heute Abend.» Dann macht er mit einem Satz klar, dass Ökumene in Deutschland auch ein Stück praktische Integrationspolitik bedeutet.
«Besuchen Sie sich gegenseitig und fassen Sie dabei auch Ihre orthodoxen Geschwister und Nachbarn ins Auge.» Und als er vor seinem Segen ausruft «Gott schenke uns die Einheit», will der Applaus gar nicht mehr aufhören.