Der Klimawandel macht den Weinbau unberechenbarer

Sonnenschein für guten Wein?

Temperaturen um 30 Grad und Grasflächen, die an Steppe erinnern: Winzer, heißt es, profitieren vom mediterranen Klima. Tatsächlich blickt sie mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Auch in den Bischöflichen Weingütern in Rüdesheim.

Autor/in:
Anna Fries
Blick über die Weinberge bei Rüdesheim auf die Abtei Sankt Hildegard / © Harald Oppitz (KNA)
Blick über die Weinberge bei Rüdesheim auf die Abtei Sankt Hildegard / © Harald Oppitz ( KNA )

"Die Rebe ist kein Kaktus." – Peter Perabo von den Bischöflichen Weingütern in Rüdesheim sieht die heißen Temperaturen trotz der Aussicht auf einen vielversprechenden Weinjahrgang kritisch. Für 30 Jahre alte Weinreben sei die Hitze kein Problem; die Wurzeln reichten tief genug in den Boden, um an Wasser zu kommen, erklärt der Betriebsleiter und Kellermeister. "Aber junge Weinberge leiden." Eine flächendeckende Bewässerung sei schwierig; zudem sei fraglich, wo das Wasser dazu herkommen solle - aus dem Rhein angesichts des niedrigen Pegelstandes aktuell eher nicht.

Die Önologie befasst sich aus wissenschaftlicher Sicht mit der Weinproduktion. Der Neustädter Professor Dominik Durner ist Fachmann auf diesem Gebiet. Er sieht das Grundproblem weniger in der aktuellen Hitze, sondern in zunehmend extremen Wetterlagen. Die hohen Temperaturen begünstigten Gewitter und Hagel – was schlecht für die Ernte ist. Komme eine hohe Luftfeuchtigkeit dazu, bestehe die Gefahr, dass sich Pilze an den Reben festsetzen und die Trauben verderben.

Klimaprognosen und Schutz-Strategien

Dann entsteht kein Wein, sondern Essig. "Weinbau hat viel mit guter Planung zu tun", sagt Durner. Die Tendenz zu extremen Wetterlagen erschwere das. In Neustadt suchen die Forscher nach Möglichkeiten, den Weinbau daran anzupassen. "Wir übersetzen die Klimaprognosen in Schutz-Strategien", so der Experte.

Schwierig abzuschätzen seien dabei die Nebeneffekte der Klimaveränderung, etwa die Auswirkungen der UV-Strahlung auf die Früchte oder das Aufkommen invasiver Schädlinge. Bei klimatischen Bedingungen wie in Sizilien müssten auch die Anbaugewohnheiten überdacht werden: Wo gibt es ausreichend Wasser und welche Lagen bieten sich grundsätzlich für den Weinbau an? Auch eine nächtliche Traubenlese ist im Gespräch.

80 Prozent Riesling

Mit Blick auf den kommenden Jahrgang geben Winzer sich aktuell vorsichtig optimistisch. Manche beginnen bereits in diesen Tagen mit der Traubenlese – so früh wie selten. Dennoch stellt die Hitze die Winzer auch vor Herausforderungen: Weintrauben enthalten durchschnittlich drei Mal so viel Zucker wie Erdbeeren. Bei der Gärung wird der Zucker in Alkohol umgewandelt. Die hohen Temperaturen lassen die Traube süßer werden, wodurch der Alkoholgehalt des Weins steigt.

Für den Anbau typisch nordischer Sorten wie Riesling kann das Probleme bringen. Die Bischöflichen Weingüter Rüdesheim bauen zu rund 80 Prozent Riesling an – aktuell mit der "Angst, dass der Wein zu alkoholisch wird", so Perabo. Denn mit steigendem Alkoholgehalt verändert sich auch das Profil des Weins. Andere Sorten vertrügen die hohen Temperaturen besser. Forscher arbeiten zudem an Verfahren, Zucker aus Trauben zu entziehen oder den Alkoholgehalt im Endprodukt zu reduzieren.

Deutschland ist ein Weißweinland

Ganz anders stellt sich die Lage für die Bischöflichen Weingüter in Trier dar, die zu 90 Prozent Riesling anbauen. Im Gegensatz zu Rüdesheim wirkt sich die Hitze hier positiv aus: "An der Mosel steigt tendenziell die Qualität des Weins durch den Klimawandel", sagt Güterdirektor Karsten Weyand. Allerdings müsse sich die positive Entwicklung nicht in der Art fortsetzen. Die Trierer Weine seien im internationalen Vergleich eher leicht. Wenn der Alkoholgehalt durch tendenziell reifere, sprich süßere Trauben steige, erreiche der Wein eher den internationalen Durchschnitt.

Trotzdem gelte: "Der Weinanbau wird herausfordernder", sagt Weyand. Winzer müssten sich künftig von Jahr zu Jahr umstellen und kurzfristig auf extreme Wetterlagen reagieren. Auch werde sich die Erntezeit an Mosel, Saar und Ruwer verkürzen. Aktuell spielen die Trierer mit Perspektiven und bauen testweise etwa die südfranzösische Sorte Viognier an, die aus dem südlichen Rhonetal stammt.

Wird es also zu warm für den Wein? Nein. Deutschland ist ein Weißweinland mit etwa 65 Prozent weißen und 35 Prozent roten Trauben. "Das wird auch erst mal so bleiben", sagt Durner. Es gebe dennoch Überlegungen, auch andere Rebsorten und mehr Rotwein anzupflanzen. So könnte auf Lagen mit hoher Sonneneinstrahlung wie klassischen Südhängen etwa mehr Rotwein angebaut werden – und der Riesling an schattigere Plätze ziehen.


Quelle:
KNA