Der Konflikt um die "Tridentinische Messe"

Ringen um den Ritus

Der Vatikan legt an diesem Freitag Ausführungsbestimmungen zum Gebrauch der vorkonziliaren Messe nach den Vorschriften von 1962 vor. Papst Benedikt XVI. hatte diese sogenannte Tridentinische Messe 2007 als Sonderform wiederzugelassen.

 (DR)

Die Frage, wie die Heilige Messe richtig zu feiern sei, bewegt die katholische Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Stationen der
Auseinandersetzung.

1545-1563: Das Konzil von Trient strafft und vereinheitlicht im Zuge der Gegenreformation Formen des lateinischsprachigen Gottesdienstes, die in zahlreichen Varianten und Veränderungen bis in die Zeit Papst Gregors des Großen (590-604) zurückgehen. Die so geordnete "tridentinische Messe" bleibt weitere 400 Jahre die gültige Form. In ihr feiert der Priester das Messopfer am Altar mit dem Rücken zur Gemeinde; Liturgiesprache ist Latein.

1962: Papst Johannes XXIII. verfügt eine geringfügige Änderung der tridentinischen Liturgie, die in ein letztes römisches Messbuch vor dem Konzil einfließt.

1962-1965: In Rom treffen sich die katholischen Bischöfe zum Zweiten Vatikanischen Konzil, das eine Modernisierung und Öffnung der Kirche gegenüber der Welt vollzieht. Konservative Kreise stehen den Reformen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Auf Kritik stoßen etwa die ökumenischen Initiativen, die Erklärung zur Religionsfreiheit sowie die nach dem Konzil schrittweise eingeführte erneuerte Liturgie, die den tridentinischen Ritus ablöst. In ihm wird die Gemeinde stärker einbezogen und der Gottesdienst in der jeweiligen Landessprache gefeiert. Es darf zwar weiter die lateinische Sprache, jedoch nur der neue Ritus verwandt werden.

1968: Aus Protest gegen den Kurs der Kirche tritt der Konzilsteilnehmer und ehemalige Erzbischof von Dakar, Marcel Lefebvre, als Ordensoberer der "Väter vom Heiligen Geist"
(Spiritaner) zurück. Im folgenden Jahr gründet er im schweizerischen Fribourg die traditionalistische "Priesterbruderschaft Pius X.". Die Lefebvrianer werfen Rom vor, mit der Tradition der Kirche gebrochen zu haben.

1975: Der Vatikan entzieht der Gemeinschaft die kirchenrechtliche Legitimation. Im Jahr darauf enthebt Papst Paul VI. Lefebvre seiner bischöflichen Rechte. Der suspendierte Erzbischof hält sich nicht daran und nimmt weiter Priesterweihen vor.

1984: Papst Johannes Paul II. gestattet unter Auflagen die Wiederverwendung des Messbuchs von 1962. Dies werten Beobachter als Entgegenkommen gegenüber den Lefebvrianern.

1988: Kardinal Joseph Ratzinger handelt im Auftrag des Papstes einen Kompromiss mit Lefebvre aus, den der widerständige Erzbischof jedoch kurz vor der Unterzeichnung wieder verwirft. Am 30. Juni weiht Lefebvre gegen das von Johannes Paul II. erneuerte Verbot vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen. Dadurch zieht er sich und seinen Anhängern laut Kirchenrecht selbst die Exkommunikation zu, mithin den Ausschluss aus der aktiven kirchlichen Gemeinschaft. Die Lefebvrianer betrachten die im Juli förmlich ausgesprochene Exkommunikation als gegenstandslos.

Der Papst richtet im Vatikan die Kommission "Ecclesia Dei" ein, die sich um eine Wiedereingliederung der Traditionalisten bemüht. Noch im selben Jahr wird ein Teil der Piusbruderschaft als "Priesterbruderschaft Sankt Petrus" wieder in die katholische Kirche integriert. Der Vatikan unterstützt diese Gruppe, um traditionalistisch orientierten Katholiken eine Heimat zu bieten. Die Priester der Petrusbruderschaft erhalten eine Sondererlaubnis Roms, die Messe im Ritus von 1962 zu feiern.

1991: Lefebvre stirbt. Sein Nachfolger als Generaloberer der Priesterbruderschaft Pius X. wird der 1988 von ihm geweihte Schweizer Bischof Bernard Fellay.

2000: Anfang August ziehen rund 5.000 Anhänger der Priesterbruderschaft unter Führung Fellays durch die Heilige Pforte in den Petersdom ein. Die Aufsehen erregende Pilgerfahrt soll mit Verantwortlichen im Vatikan abgestimmt gewesen sein.

August 2005: Papst Benedikt XVI. empfängt Fellay in Privataudienz.

7. Juli 2007: Papst Benedikt XVI. erlaubt im Motu Proprio "Summorum pontificum", dass überall wieder Gottesdienste nach dem Messbuch von 1962 gefeiert werden dürfen. Er benennt eine Reihe von Vorgaben, um diese Feiern in die Einheit der Kirche und die Diözesen einzubinden. Der alte Ritus wird als "außerordentliche" Form der einen Messfeier rehabilitiert.

September 2008: Benedikt XVI. betont in Lourdes, dass sich niemand in der Kirche abgewiesen fühlen dürfe, damit "das nahtlose Gewand Christi nicht weiter zerrissen" werde. Es handele sich bei seiner Anordnung um einen "Akt der Toleranz aus pastoraler Absicht", für eine begrenzte Zahl von Menschen, "die in dieser Liturgie geformt wurden". Er sehe "keinen Gegensatz zwischen der vom Zweiten Vatikanum erneuerten Liturgie und dieser Liturgie".

13. Mai 2011: Der Vatikan veröffentlicht Ausführungsbestimmungen für die Praxis der tridentinischen Messe. Die Instruktion mit dem Titel "Universae Ecclesiae" regelt die Anwendung des Erlasses von 2007; sie erscheint in mehreren Sprachen, unter anderem auch in Deutsch.
Nach Vorab-Informationen italienischer Medien stärkt die Instruktion den Anspruch von Gläubigen auf Messfeiern in der tridentinischen Form und sieht die alte Liturgie als Teil der Priesterausbildung vor.