Der Londoner Kardinal Murphy-O'Connor wird 80

Reformer, Ökumeniker, Werteverteidiger

Seit seiner Pensionierung 2009 ist es still geworden um Cormac Murphy-O'Connor. Bewusst, denn Stellungnahmen zu aktuellen Fragen überlässt der Kardinal der Londoner Erzdiözese Westminster nun seinem Nachfolger Vincent Nichols. Zuvor hatte Murphy-O'Connor das Bild des Katholizismus in Großbritannien über ein Jahrzehnt lang mitprägte.

 (DR)

Der Erzbischof von Westminster ist zugleich immer auch Primas der Katholiken in England und Wales. Murphy-O"Connor stand seit dem Jahr 2000 an der Spitze der Erzdiözese. Bei seiner Ernennung hatte er als Außenseiter - und wegen seines Alters als Übergangskandidat - gegolten. Schon damals war auch Nichols für den Posten im Gespräch. Nach dem Tod von Kardinal Basil Hume wurde der damalige Weihbischof Nichols zum Diözesanadministrator berufen und führte fast ein Jahr lang die Geschäfte der Erzdiözese. Trotzdem fiel die Wahl auf Murphy-O"Connor, Nichols wurde Erzbischof von Birmingham.



Geboren am 24. August 1932 als eines von fünf Kindern einer irischen Einwandererfamilie im südenglischen Reading, studierte Murphy-O"Connor Philosophie und Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana, bereitete sich am Englischen Kolleg in Rom auf das Priesteramt vor und wurde 1956 zum Priester geweiht. Er arbeitete zunächst als Seelsorger in England. Ab 1971 war Murphy-O"Connor als Rektor des Englischen Kollegs in Rom für die Ausbildung von Priesteramtskandidaten verantwortlich. 1977 wurde er zum Bischof der Diözese Arundel und Brighton geweiht.



Umstrittener Geistlicher

Weltweit wurde Murphy-O"Connor durch seine Arbeit als Vizepräsident der Internationalen Anglikanisch-Katholischen Dialogkommission (ARCIC) bekannt. Nach seiner Einsetzung als Erzbischof von Westminster im März 2000 wurde er traditionsgemäß auch zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz von England und Wales gewählt und erhielt 2002 die Kardinalswürde. Von 2001 bis 2006 war Murphy-O"Connor zudem Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE).



Trotz seiner steilen Karriere war sein Amtsantritt als katholischer Primas in England und Wales nicht unumstritten. Im Zuge der bald darauf einsetzenden Aufklärung von Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche blieb auch sein früheres Wirken nicht ohne Schatten. Murphy-O"Connor wurde vorgeworfen, in den 1980er Jahren einen pädophilen Priester in seiner ehemaligen Diözese nicht aus dem Verkehr gezogen zu haben. Wiederholt entschuldigte er sich für Versäumnisse bei der Behandlung von Missbrauchsfällen und setzte sich nunmehr intensiv für deren Aufklärung ein.



Verteidiger katholischer Werte

Zu Beginn seiner Amtszeit galt Murphy-O"Connor als Reformer, der gar den Zölibat infrage stellte und Konvertiten der anglikanischen Kirche die Tür offen hielt. Im Januar 2002 hielt er eine Predigt für Königin Elizabeth II. - die erste eines katholischen Geistlichen für einen englischen Monarchen seit 1680. Gemeinsam mit dem Oberhaupt der anglikanischen Kirche von England, Rowan Williams von Canterbury, sprach er sich 2003 gegen den Irak-Krieg aus. Murphy-O"Connor engagierte sich besonders in der Armutsbekämpfung und für die Einbürgerung illegaler Migranten. Immer wieder plädierte er für deren Integration, auch wenn er einer multikulturellen Gesellschaft stets kritisch gegenüberstand.



In moralischen und ethischen Fragen zeigte sich der Kardinal stets bestimmt und verteidigte die Werte der katholischen Kirche gegen eine Liberalisierung der Gesellschaft - eine Aufgabe, die nun sein jüngerer Nachfolger Nichols übernommen hat. Der 66-Jährige darf nun auch hoffen, bei einem künftigen Konsistorium das Kardinalspurpur zu erhalten. Denn Murphy-O"Connor scheidet mit Vollendung des 80. Lebensjahres aus dem Kreis der Papstwähler aus - damit würde dieser Platz für den amtierenden britischen Primas frei.