In der Nähe des Sinai-Klosters sind Islamisten aktiv

Beim brennenden Dornbusch

Es ist Unesco-Welterbe, heilige Stätte für Christen und Hort einzigartiger Kunstschätze: das Katharinenkloster im Sinaigebirge. Dass islamistische Milizen auch dort zuschlagen, ist inzwischen nicht mehr undenkbar.

Katharinenkloster im Sinaigebirge  (KNA)
Katharinenkloster im Sinaigebirge / ( KNA )

Nach der Sprengung des 2.000 Jahre alten Baal-Schamin-Tempels in Palmyra taucht ein neues Angstbild auf: ein Angriff islamistischer Milizen auf das Katharinenkloster im Sinai in Ägypten. Die Mönchssiedlung am Fuß des Mosesbergs beherbergt jahrhundertealte Handschriften und Ikonen von unschätzbarem Wert. Die Hinrichtung einer kroatischen Geisel Mitte August rief ins Bewusstsein: Ein Ableger des Islamischen Staats ist auf der Halbinsel längst aktiv.

Es ist ein einsamer Ort, das Klostertal hoch oben im Zentralmassiv des Südsinai. Nachmittags, wenn die Besuchszeit endet und die Beduinen mit ihren Kamelen und Taxis abgezogen sind, hört man den Wind in den alten Zypressen und die hellen Schreie der Dohlen, kaum anders als vor 1.500 Jahren, als das Kloster entstand. Bislang sei "alles friedlich", sagt Father Justin, ein Mönch. "Aber die Mitbrüder sind besorgt."

Father Justin ist Hüter der Bibliothek: Tausende alter Manuskripte, teils aus dem 4. Jahrhundert; eine Sammlung, die einzig vergleichbar ist mit der Vatikanischen Bibliothek. Kaum weniger bedeutend ist der Ikonenschatz des Klosters: Bis ins 6. Jahrhundert gehen die ältesten Stücke zurück, gemalt in der alten Technik der Enkaustik. Sie gehören zu den wenigen Exemplaren, die den Bildersturm des 8. Jahrhunderts überlebten.

Gegenseitiger Respekt hilft mehr als Mauern

Hohe Mauern umgeben das Kloster. Sie sind ein Vermächtnis Napoleons, konstruiert von dessen General und Ingenieur Jean-Baptiste Kleber. Bislang hielten sie die gelegentlichen Sturzfluten aus den Bergen oder Grüppchen streitlustiger Beduinen ab. Von Ras Abu Rudeis an der Küste sind es zwei Stunden.

Das Kloster, sagt Father Justin, würde noch immer als Festung taugen. Aber was seine Geschichte vor allem prägte, war und ist gegenseitiger Respekt zwischen Christen und Muslimen. "Das ist ein sichererer Schutz als Mauern oder Schusswaffen." Emblematisch dafür ist die Moschee, die sich samt Minarett im Klosterareal erhebt. Sie wurde eilig gebaut, als im 11. Jahrhundert der gefürchtete Kalif al-Hakim im Anmarsch war. Neben dem schweren Holztor des Eingangs zeigen die Mönche einen Schutzbrief des Propheten Mohammed.

Wichtiger sind die vitalen Beziehungen. Anfang Juli war eine Delegation der Al-Azhar-Universität aus Kairo zu Gast, sieben führende Imame und drei Medienreferenten des Großscheichs. Anlass war eine interreligiöse Tagung zu Toleranz im Islam. Den Ort hatte man, hieß es, mit Blick auf die IS-Aktivitäten im Nordsinai gewählt.

Ortstradition verbindet Christen und Muslime

Die religiöse Ortstradition - die Gottesoffenbarung im brennenden Dornbusch, die Übergabe der Zehn Gebote an Moses - verbindet Christen und Muslime. Der Islam ehrt Moses als Propheten, und auf dem Mosesberg gezeugte Kinder gelten als mit Weisheit gesegnet. So ist auch das Kloster für viele Muslime eine heilige Stätte. Als in der Kirche vor ein paar Jahren das Apsis-Mosaik restauriert werden musste, übernahm der Emir von Katar die Hälfte der Kosten - eine halbe Million Dollar für die Verklärung Christi.

Auch im Alltag herrscht freundschaftliches Geben und Nehmen zwischen Mönchen und Muslimen. Das Kloster ist die Hauptattraktion der Region; die Beduinen leben vom Fremdenverkehr. Doch der hatte zwischenzeitlich stark gelitten, sowohl durch den ägyptischen Umsturz 2011 als auch durch einzelne Terrorakte. Im Sinai zündeten Islamisten im Februar 2014 eine Bombe unter einem Touristenbus; 2005 starben im Badeort Scharm el-Sheik 88 Menschen bei einem Anschlag. Noch immer warnt das Auswärtige Amt vor Busfahrten ohne Polizeischutz im Südsinai.

Dass das Zentrum der Islamisten im Sinai bei El-Arish und damit rund 400 Straßenkilometer vom Kloster entfernt liegt, hilft nur bedingt. Die Beduinen im Norden radikalisieren sich, weil sie sich vom Staat im Stich gelassen fühlen; viele haben familiäre Verbindungen in den Süden. Die Mönche versuchen, Verdienstausfälle und soziale Härten bei ihren muslimischen Nachbarn abzumildern, indem sie den Beduinen mit Spendengeldern unter die Arme greifen.

Einst, so Father Justin, brauchte es "Heldenmut", um als Mönch am Gottesberg zu leben. Heute haben sie in der Kirche die Ikonen ihrer Vorväter und der frühchristlichen Märtyrer vor Augen. Unter ihrem Blick beten sie um Frieden in der Welt - und "um die gleiche Standhaftigkeit, welche Prüfungen auch immer diese Zeiten bringen".


Quelle:
KNA