KNA: Herr Sternberg, Sie haben Ihre Wahl selbst als überraschend bezeichnet. Wissen Sie schon, was jetzt auf Sie zukommt?
Sternberg: Erstmal werde ich für den Rest der Vollversammlung auf dem Podium am Tisch des Präsidiums Platz nehmen. Das ist eine neue Perspektive. Dann werde ich zum Ende der Vollversammlung am Samstag zum Katholikentag nach Leipzig einladen, was ich unglaublich gern tue.
KNA: Und nach der Vollversammlung?
Sternberg: Wird das Generalsekretariat des Zentralkomitees vermutlich eine Latte von Terminen für mich haben. Ein vergnügliches Ehrenamt wird das sicher nicht. Und ich weiß: Es sind schon sehr große Schuhe, in die ich schlüpfe. Mein Vorgänger Alois Glück hat eine Menge geleistet. Seinen Rat werde ich weiterhin gern suchen.
KNA: Als ein wichtiges inhaltliches Thema haben Sie den Dialog mit dem Islam benannt. Wer werden auf der Seite der Muslime Ihre Ansprechpartner sein?
Sternberg: Zum einen haben wir innerhalb des Zentralkomitees einen eigenen Arbeitskreis Christen-Muslime, der den Dialog seit Jahren praktiziert. Nach außen hin wird ein wichtiger Ansprechpartner der Koordinationsrat der Muslime sein. Einfach deswegen, weil dort die meisten Muslime organisiert sind.
KNA: Das Problem sind aber doch die radikalen Kräfte. Wie kommt man an die heran?
Sternberg: An die heranzukommen, ist so gut wie unmöglich. Was wir stattdessen gemeinsam mit den Muslimen der Bevölkerung klar machen müssen: Die Extremisten, die Salafisten haben mit dem Islam nichts zu tun. Ein Problem ist, dass wir zu wenig übereinander wissen. Da können nur persönliche Begegnungen Abhilfe schaffen. Zumal ich glaube, dass sich der Islam in Deutschland in den kommenden Jahren massiv verändern wird.
KNA: Inwiefern?
Sternberg: Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) wird durch die Zuwanderung von Flüchtlingen aus Syrien und anderen Staaten aus Nahost und Nordafrika nicht mehr die größte Gruppe sein. Anstelle der türkischen Muslime werden ihre arabischen Glaubensbrüder und -schwestern auch hierzulande die Mehrheit stellen.
KNA: Welche Haltung empfiehlt sich da?
Sternberg: Die von Navid Kermani, dem Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels. Seine Rede in Frankfurt hat mich sehr beeindruckt. Eine seiner Kernbotschaften ist: Nur wer selber fest im eigenen Glauben steht, kann in den Dialog mit anderen Religionen eintreten, ohne Angst zu haben, etwas zu verlieren.
KNA: Sie haben sich bei der Wahl zur ZdK-Präsidentschaft gegen Ihre Mitbewerberin Maria Flachsbarth durchgesetzt. Viele haben mit einer Frau an der Spitze des höchsten Gremiums der katholischen Laien in Deutschland gerechnet. Wie wichtig ist Ihnen die weibliche Perspektive in der Kirche?
Sternberg: Die Kirche ist jetzt schon weitestgehend weiblich. Ohne das Engagement der Frauen würde das Gemeindeleben zusammenbrechen. Und es gibt viele Felder, auf denen sich dringend etwas tun muss. Da geht es nicht nur um den Frauendiakonat, auf den ich sehr hoffe. Aber was ist beispielsweise mit den Pastoralreferentinnen, die in der Krankenhausseelsorge tätig sind? Die dürfen keine Krankensalbung geben, sondern müssen auf einen Priester warten. Das geht nicht.
KNA: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen ZdK und Bischofskonferenz?
Sternberg: Wir müssen noch stärker gemeinsam Kirche sein und mit einer Stimme in die Gesellschaft hineinsprechen.
KNA: Das könnte für mehr öffentliche Aufmerksamkeit sorgen. Aber wo bleibt da das eigene Profil des ZdK?
Sternberg: Die katholischen Laien müssten eigentlich viel stärker und mit mehr Selbstbewusstsein in die politische Debatte gehen. Die Kernkompetenz der Bischöfe hingegen liegt im pastoralen Bereich. In letzter Zeit hatte ich den Eindruck, dass das ZdK mehr Pastoral, die Bischofskonferenz mehr Politik betreibt. Wir sollten die Stärken besser nutzen und die Kräfte bündeln.
KNA: «Neu denken» wollen Sie die Katholikentage. Was meinen Sie damit?
Sternberg: Alle Katholikentage haben aus meiner Sicht ein Problem: Die Kernbotschaften kommen angesichts der Fülle an Veranstaltungen nicht rüber. Außerdem müssen wir aufpassen, dass sich nicht zu viel Routine einschleicht, nach dem Motto: Hauptsache, es war ein schönes Fest.
KNA: Ein Plädoyer für eine Verschlankung?
Sternberg: Das kann eine Möglichkeit sein. Muss es aber nicht. Vielleicht wäre es auch ein Weg, Hilfe von außen zu holen, sich von Kommunikationswissenschaftlern beraten zu lassen, um die Hauptanliegen klarer zu definieren.
KNA: Auch auf dieser Vollversammlung wurde der Ruf laut, das ZdK müsse stärker in Berlin präsent sein. Wird das Generalsekretariat irgendwann von Bonn nach Berlin ziehen?
Sternberg: Also, die Satzung regelt ganz klar, dass das ZdK da ist, wo auch die Bischofskonferenz ihren Sitz hat. Und das ist aktuell Bonn. Ich finde auch nicht, dass alle nach Berlin müssen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat schließlich immer schon - auch zu Bonner Hauptstadtzeiten - ihren Sitz in Hannover gehabt.
KNA: Also eher eine Art ZdK-Verbindungsbüro in Berlin?
Sternberg: Das hatten wir schon mal - und erfolgreich war das nicht. Schauen Sie, ich habe keine Patentrezepte in der Tasche. Ich glaube, dass wir über all das in Ruhe nachdenken sollten - um dann eine sinnvolle und erfolgversprechende Lösung zu finden.
Das Interview führten Joachim Heinz und Leticia Witte.