Laut dem Erzbistum Mailand versammelten sich im norditalienischen Monza am Nachmittag bis zu eine Million Menschen zu einem Gottesdienst mit Papst Franziskus unter freiem Himmel. Vor Beginn der Messe im Park der Stadt fuhr Franziskus gut eine halbe Stunde lang durch die jubelnde Menge. Erwartet worden waren zu dem Gottesdienst 600.000 Besucher. Mit einer Million Menschen wäre dies der meistbesuchte Gottesdienst, den Franziskus seit seinem Amtsantritt im März 2013 in Italien gefeiert hat.
Kritik an Ausbeutung
In seiner Predigt rief der Papst zum mutigen Eintreten für die christliche Botschaft auf. Angesichts der zahlreichen "schmerzhaften Situationen" in der Welt dürften Christen sich nicht auf die Rolle von Zuschauern beschränken, "die zum Himmel aufschauen und auf Regen warten", sagte der Papst. Die christliche Hoffnung sei auch heute trotz aller Verluste, Kämpfe und Ängste im Alltagsleben erfahrbar.
Franziskus kritisierte zugleich die Ausbeutung von Armen, Migranten und Jugendlichen. "Alles scheint sich auf Zahlen zu reduzieren und lässt auf der anderen Seite außer Acht, dass das Leben zahlreicher Familien von Vorläufigkeit und Unsicherheit geprägt ist." Während unter jungen Leuten, die Unzufriedenheit über realistische Perspektiven wachse, nehme die Ausbeutung überall zu.
Nach der Messe in den Park
Nach dem Freiluft-Gottesdienst traf sich Franziskus mit Firmlingen und deren Angehörigen im Guiseppe-Meazza-Stadion. Dort empfahl er den Eltern, mit ihren Kindern gemeinsam mit anderen Familien die Sonntagsmesse zu besuchen und anschließend zum Spielen in einen Park zu gehen. So lebe man den Glauben in einem familiären Ambiente und lerne die Feste zu heiligen, sagte er vor 80.000 Gläubigen. Dies sei eine schöne Tradition in seiner Heimatstadt Buenos Aires, die es wiederzuentdecken gelte. Der Papst antwortete damit auf die Frage eines jungen Ehepaares, wie es den Glauben an seine Kinder weitergeben könne.
Um den Glauben an ihre Kinder zu vermitteln, sollten sich Eltern zunächst an ihre eigene Kindheit erinnern, sagte der Papst weiter. Es gehe darum, sich ins Gedächtnis zu rufen, welche Personen sie selbst als Kindern in ihrem Glauben am meisten geprägt hätten, und warum dies so gewesen sei. Eltern müssten ihren Kindern mit ihrem eigenen Beispiel zeigen, dass der Glaube sie in ihrem Leben weiterbringe und ihnen helfe, den zahlreichen Dramen des Lebens zu begegnen.
Die Begegnung mit Firmlingen und ihren Angehörigen war der letzte Programmpunkt einer eintägigen Reise des Papstes nach Mailand und Monza.
Besuch in der Hochhaussiedlung
Franziskus war am Samstagmorgen nach Mailand und Monza aufgebrochen und sorgte bei seinem eintägigen Besuch mit ungewöhnlichen Gesten für Aufsehen. So begann er seine Visite in einer heruntergekommenen Hochhaussiedlung in Mailand.
In der "Weiße Häuser" genannten Wohnkaserne im Osten Mailands traf Franziskus mit drei Familien zusammen: einer Frau, die ihren schwerbehinderten Mann seit Jahren pflegt, einer Familie aus Marokko sowie einem älteren Ehepaar. Zudem sprach er mit Vertretern von Migranten, Roma und Muslimen.
Menschliche Bedürfnisse
Zwischendurch zeigte sich der Papst selbst bei dringenden Bedürfnissen als spontaner Mensch: In Mailand suchte Franziskus ein transportables Klohäuschen auf - die chemische Toilette stand vor der Hochhaussiedlung, die er besuchte. Auf einem Foto, das ein Vertrauter von Franziskus über Twitter verbreitete, ist hinter einer Menschenmenge die weiße Scheitelkappe des Papstes zu sehen, der sich gerade in das rote Häuschen begibt.
"Papst Franziskus nutzt ein chemisches Klo, wie die normalen Leute", schrieb der italienische Jesuit Antonio Spadaro dazu.
Gegen Trägheit und Verzweiflung
Anschließend begab sich Franziskus zum Dom von Mailand, einer der berühmtesten Kirchen Italiens. Dort betete der Papst am Grab des heiligen Karl Borromäus (1538-1584) und traf mit rund 4.000 Priestern und Ordensleuten des Erzbistums zusammen. Dabei rief der Papst Priester und Ordensleute dazu auf, nicht auf Besitzstandswahrung zu achten, sondern "in die Peripherien" zu gehen, um Hoffnung zu verbreiten. Es sei wichtiger, Prozesse in Gang zu setzen als Raum zu besetzen, zitierte er aus seinem programmatischen Schreiben "Evangelii Gaudium".
Priestermangel und Überalterung der katholischen Kirche in Europa sind nach Ansicht von Papst Franziskus kein Grund zur Entmutigung. Dass Priester und Ordensleute in Europa oft nur noch eine Minderheit seien, dürfe nicht zu Trägheit oder gar Verzweiflung führen, sagte Franziskus. "Wenige ja, eine Minderheit ja, alte Menschen ja, aber nicht resigniert!", rief er Priestern und Ordensleuten zu. Statt eines nostalgischen Blicks in die Vergangenheit brauche es neuen Schwung für die Verkündigung der christlichen Botschaft.
Gemeinsames Risotto
Im Anschluss an den Besuch im Mailänder Dom aß Franziskus in einem Gefängnis in Mailand mit Häftlingen zu Mittag. An einem rund 50 Meter langen Tisch aß er in der Haftanstalt San Vittore inmitten von rund 100 Straftätern Mailänder Risotto und Kotelett. "Ich fühle mich zu Hause bei euch", sagte der Papst laut der Internetseite des Erzbistums Mailand.
Zuvor war Franziskus mit 80 von insgesamt knapp 900 Häftlingen des Gefängnisses zusammengetroffen. Zudem besuchte er die Abteilung für besonders geschützte Häftlinge, Transsexuelle und jene, die sich an Frauen, Kindern oder Alten vergangen haben.
Häftlinge liegen Franziskus besonders am Herzen. Seit seinem Amtsantritt im März 2013 hat er wiederholt Gefängnisse besucht. Zudem setzt er sich für die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe ein.
Zehntausende bereiteten dem Papst in den Straßen Mailands einen begeisterten Empfang. Der Besuch findet unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Insgesamt sind 2.500 Polizisten im Einsatz.