Katholiken müssen sich nach den Worten von Papst Franziskus nicht "wie Kaninchen" vermehren. In manchen Fällen sei es unverantwortlich, weitere Kinder zu bekommen, sagte der Papst am Montag auf dem Flug von Manila nach Rom vor mitreisenden Journalisten. Nötig sei vielmehr eine "verantwortete Elternschaft".
"Manche glauben, um gute Katholiken zu sein, müssen man, entschuldigt das Wort, sein wie Kaninchen. Nein!", sagte der Papst wörtlich. Es gehe vielmehr um "verantwortete Elternschaft". Zugleich betonte er, "Offenheit für das Leben" sei eine Bedingung für eine christliche Ehe sei.
Als Beispiel berichtete der Papst von einer Frau, die sieben Kinder durch Kaiserschnitt geboren hatte und ein achtes erwartete. "Wollen Sie sieben Waisen zurücklassen? Das heißt Gott herausfordern", habe er der Schwangeren gesagt. Die Kirche biete Ehepaaren Hilfe unter anderem durch Elternberatung. Zugleich seien Kinder für viele Arme "ein Schatz". Bei aller Vernunft dürfe die Aufopferungsbereitschaft vieler Mütter und Väter nicht vergessen werden.
Ausdrücklich nahm Franziskus seinen Vorgänger Paul VI. (1963-1978) in Schutz, der das Verbot künstlicher Verhütungsmittel ausgesprochen hatte. Dieser Papst sei nicht "antiquiert", sondern habe einen "weltweiten Neo-Malthusianismus" vorausgesehen. Franziskus bezog sich damit auf die These von Thomas Robert Malthus (1766-1834) von einer drohenden Überbevölkerung. Paul VI. sei "ein Prophet" gewesen.
Franziskus wies damit den Vorwurf zurück, die katholische Kirche fördere durch ihre Ablehnung künstlicher Verhütungsmethoden die Armut in armen Ländern.
Frage nach dem Leid Unschuldiger nicht zu beantworten
Die Frage nach dem Leiden Unschuldiger bleibt auch für Franziskus unbeantwortbar. Bei dem Gespräch auf dem Rückweg von den Philippinen verwies er auf ein zwölfjähriges Mädchen, das ihm in Manila von ihrem früheren Leben zwischen Drogen und Prostitution berichtet und unter Tränen gefragt hatte: "Warum lässt Gott das zu?"
Dieses Mädchen sei "die einzige, die diese Frage gestellt hat, die man nicht beantworten kann: Warum leiden Kinder?", sagte Franziskus. Auch "der große" Fjodor Dostojewski habe sie gestellt. "Und es ist ihm nicht gelungen, sie zu beantworten", sagte der Papst unter Anspielung auf Dostojewskis Roman "Die Brüder Karamasow" (1878-1880).
Wenn es Christen zu gut gehe oder sie sich an Ungerechtigkeiten gewöhnten, verlören sie die Fähigkeit zu weinen. "Wir Christen müssen die Gnade des Weinens erbitten. Besonders die wohlhabenden Christen", sagte Franziskus: "Weinen über die Ungerechtigkeiten. Weinen über die Sünden. Denn das Weinen öffnet dich, um neue Realitäten oder neue Dimensionen der Realität zu kapieren."
Begegnung mit Taifun-Opfern war stärkster Moment für Franziskus
Eine Messe mit Opfern der Taifun-Katastrophe war nach eigenem Bekunden für Franziskus der bewegendste Moment seiner Philippinen-Reise. "Das ganze Volk Gottes dort zu sehen, betend nach dieser Katastrophe, an meine Sünden zu denken und an diese Menschen - das war ein sehr starker Moment", bekannte der Papst vor vor den Journalisten.
Er habe sich wie erschlagen gefühlt. "Meine Stimme war quasi weg. Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist. Vielleicht waren es die Emotionen. Aber ich habe nichts anderes gefühlt", sagte er. Franziskus war am Samstag auf die philippinische Insel Leyte gereist, um in der Stadt Tacloban mit Opfern des Taifuns "Haiyan" vom November 2013 eine Messe zu feiern. Die Insel war von dem Sturm besonders stark betroffen. Von den 6.300 Menschen, die nach offiziellen Angaben landesweit ums Leben kamen, starben allein in Tacloban mindestens 2.474.
Franziskus: Bei Frauenförderung geht es nicht um Posten
Frauenförderung in der Kirche ist für Papst Franziskus eine Frage von Horizonterweiterung. "Wenn ich sage, dass es wichtig ist, dass Frauen in der Kirche mehr berücksichtigt werden sollen, geht es nicht nur darum, ihnen einen Posten zu geben", etwa als Nummer zwei in einer Vatikanbehörde, sagte Franziskus. Zwar sei auch das möglich; es gehe aber darum, "dass sie uns sagen, wie sie die Realität erleben". Frauen betrachteten die Dinge aus einer anderen Perspektive, mit einem größeren Reichtum, so der Papst.
Weiter wandte er sich gegen ein Aufzwingen der Gender-Theorie durch westliche Geldgeber in Entwicklungsländern. Wenn finanzielle Hilfe an Bedingungen geknüpft werde, etwa die Lehre der Gender-Theorie in den Schulen, verlören diese Völker ihre Identität, sagte er bei einer Pressekonferenz während seines Rückflugs von den Philippinen nach Rom.
Es gebe eine "ideologische Kolonisation" durch bestimmte Mächte, so der Papst. Sie strebten aus seiner Sicht eine völlige Gleichheit aller Kulturen an. Globalisierung sei zwar notwendig, müsse aber die Freiheit der Völker in all ihren Lebensbereichen beachten.
Während seines Besuchs auf den Philippinen hatte Franziskus eine "ideologische Kolonisation" vor allem mit Blick auf Angriffe gegen das traditionelle Familienbild und eine Relativierung der Ehe kritisiert. Die Philippiner rief er auf, ihren katholischen Traditionen treu zu bleiben.
Korruption auch in der Kirche
Korruption ist nach Meinung von Franziskus auch eine Plage der Kirche. Er erinnere sich an derartige Fälle aus seiner Zeit als Bischof in Argentinien, sagte er am Montag auf dem Flug von den Philippinen nach Rom vor mitreisenden Journalisten. Wo das Angebot groß genug sei, werde "selbst der Heilige auf die Probe gestellt", so Franziskus.
Damals, so berichtete Franziskus, seien zwei Männer auf ihn zugekommen und hätten ihm umgerechnet 400.000 Dollar für die Armen angeboten - unter der Voraussetzung, dass sie die Hälfte davon persönlich zurückerhielten. Er habe damals zwei Möglichkeiten gehabt: sie "dorthin zu treten, wo die Sonne nicht hinscheint", oder sich dumm zu stellen. Er habe die zweite Variante gewählt und ihnen angeboten, den Betrag gegen eine Quittung abzugeben. Er habe nie wieder von ihnen gehört.
Die Losung müsse sein: "Sünder ja, korrupt nein. Korrupt nie", forderte der Papst. Korruption sei eine Plage in der Kirche. "Aber es gibt auch viele Heilige, viele Heilige und heilige Sünder, aber nicht korrupte."
Papst: Meinungsfreiheit muss besonnen ausgeübt werden
Seine Aussage zu Grenzen der Meinungsfreiheit hat Franziskus auf dem Rückflug verteidigt. Die Freiheit müsse von Klugheit begleitet werden, sagte er. Gewaltsame Reaktionen seien immer schlecht; dennoch müsse der Gebrauch der Meinungsfreiheit "der menschlichen Natur Rechnung tragen". Man könne nicht beständig "eine Person beleidigen oder provozieren". Franziskus hatte sich zuvor im Blick auf die Zeitschrift "Charlie Hebdo" dafür ausgesprochen, auch Satire müsse Grenzen haben.
"In der Theorie können wir das sagen, was das Evangelium sagt: Wir müssen die andere Wange hinhalten. In der Theorie können wir sagen, dass wir die Meinungsfreiheit haben", so der Papst. "In der Theorie sind wir alle einverstanden. Aber wir sind Menschen." Nötig sei "die Klugheit, die eine Tugend des menschlichen Zusammenlebens ist". Wer andere zu sehr reize, riskiere "eine Reaktion, die nicht richtig ist", sagte der Papst.
Gute Beziehungen zu Dalai Lama und zu China
Schließlich bekräftigte Franziskus seine Bereitschaft zu einem Besuch in China. Beide Seiten gingen die Frage der gegenseitigen Beziehungen ruhig an. "Sie wissen, dass ich bereit bin, (sie) zu empfangen oder (dorthin) zu gehen", sagte Franziskus am Montag auf dem Flug von den Philippinen zurück nach Rom über chinesischem Territorium. "Wir machen die Sachen Schritt für Schritt, wie man die Sachen in der Geschichte macht", so der Papst. "Wir sind zivilisiert, und sie sind zivilisiert."
Zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China bestehen keine diplomatischen Beziehungen. In der Vergangenheit waren wiederholt Initiativen zur Normalisierung der Kontakte eingeleitet worden. Zugleich trat Franziskus Vermutungen entgegen, er habe im Dezember den Dalai Lama nicht empfangen, um China nicht zu verärgern. Das sei nicht wahr, sagte Franziskus vor mitfliegenden Journalisten. Das vatikanische Protokoll sehe vor, Staatsgäste und ähnliche ranghohe Gäste nicht zu empfangen, während sie bei einer internationalen Versammlung in Rom sind. Auch während der Tagung der Welternährungsorganisation FAO habe er keine Teilnehmer empfangen, auch nicht den Dalai Lama. Er stehe aber im Kontakt mit ihm. "Wir sind offen, wir wollen Frieden mit allen", betonte Franziskus.