DOMRADIO.DE: 21 neue Kardinäle wird es geben - wer sind denn die Berufenen?
Renardo Schlegelmilch (Chefredakteur DOMRADIO.DE): Da sind wirklich ganz unterschiedliche Namen und Biografien mit dabei. Interessant ist zum Beispiel der Erzbischof von Teheran, der aus Belgien stammende Franziskaner Dominique Mathieu. Gerade in der Zeit, wo der Krieg im Nahen Osten zu eskalieren scheint, ist das ein Zeichen. Die Elfenbeinküste ist dabei, mit Ignace Bessi Dogbo, dem Erzbischof von Abidjan. Für Köln ist der Erzbischof unseres Partnerbistums Tokio interessant, Tarcisio Isao Kikuchi, gleichzeitig Präsident von Caritas Internationalis.
Franziskus hat diesmal übrigens auch den ältesten und den jüngsten Kardinal der Moderne ernannt. Angelo Acerbi wurde 1925 geboren, war früher Vatikan-Diplomat und ist seit Jahrzehnten im Ruhestand. Wenn alles gut läuft, haben wir kommendes Jahr im September einen 100jährigen Kardinal.
Der jüngste ist Mykola Bichok, wurde 1980 geboren und ist damit 44 Jahre alt. Damit hat die Kirche das erste mal einen Millenial-Kardinal, also einen aus der "Generation Y". Der ist auch ziemlich spannend, er leitet die Eparchie der griechisch-katholischen Ukrainer in Australien, also einer unierten Ostkirche, deren Wurzeln in der Ukraine liegen.
DOMRADIO.DE: Gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges dürfte das ein Zeichen, oder?
Schlegelmilch: Definitiv. Man könnte aber auch die Frage stellen, warum wird ein relativ neuer ukrainischer Bischof aus Australien Kardinal und sein Oberhaupt, der Großerzbischof von Kiew, Swjatoslaw Schewtschuk, aber nicht? Vergangenes Jahr, auch in Kriegszeiten, hat Franziskus zum Beispiel den lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa, zum Kardinal erhoben, dann kann man ja die Frage stellen, warum der Bischof von Kiew dann keinen Kardinalstitel erhält.
Es gibt Stimmen, die sagen, das Verhältnis zwischen Franziskus und Großerzbischof Schewtschuk sei nicht das beste, weil die beiden sich noch aus Buenos Aires kennen, wo Schewtschuk zu Zeiten von Erzbischof Bergoglio die Eparchie der Ukrainer für den amerikanischen Kontinent geleitet hat, die in Buenos Aires ihren Hauptsitz hat. Vom Rang her war er damit Weihbischof des heutigen Papstes. Seitdem soll es wohl ein paar Reibungen zwischen den geben.
DOMRADIO.DE: Also Kardinäle gibt es aus dem Iran, Australien, aber niemanden aus Deutschland. Mag der Papst keine Deutschen?
Schlegelmilch: Das könnte man tatsächlich so vermuten. Der Papst hat seit 2013 nur zwei Deutsche erhoben, das ist Gerhard Ludwig Müller, der früher als Präfekt die Glaubenskongregation geleitet hat, das war aber direkt im ersten Amtsjahr von Franziskus. 2015 nahm er noch den ehemaligen Vatikanbeamten Karl-Josef Rauber dazu, der aber schon über 80 war, also nicht berechtigt an einer Papstwahl teilzunehmen.
Übrigens gibt es auch sonst keine Deutschen mehr in wichtigen Führungspositionen im Vatikan. Hierarchisch könnte man im Moment als höchsten Deutsche den ehemaligen Limburger Bischof Tebartz-van Elst ansehen, der als Delegat, also Bischof für Sonderaufgaben, mit dem Thema Neuevangelisierung und Katechese betraut ist. Solch ein Delegat nimmt keinen offiziellen Hierarchieposten ein, aber es gibt auch eigentlich niemand anderen aus Deutschland in ähnlicher Position.
Auch sonst hört man immer wieder, dass der Papst kein Fan der deutschen Kirche sei. Den Synodalen Weg kritisiert er zum Beispiel, und bei seinem Besuch in Luxemburg gerade hat er bei der Begrüßung des Trierer Weihbischofs Jörg Michael Peters gesagt: "Sie kommen von der Deutschen Kirche? Sind Sie denn katholisch?"
DOMRADIO.DE: Gäbe es denn Deutsche, die auf die Kardinalsernennung warten?
Schlegelmilch: Ganz oben auf der Liste steht da Heiner Koch als Erzbischof von Berlin. Seine Vorgänger Woelki, Sterzinsky und Meisner waren alle Kardinäle. Traditionell wäre vielleicht der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Bätzing aus Limburg ein Kandidat. Der fällt in die gleiche Kategorie wie sein Vorgänger Karl Lehmann aus Mainz, der auch nach vielen Jahren erst zum Kardinal ernannt wurde, obwohl sein Bistum kein klassischer Kardinalssitz ist. Der war allerdings viel länger im Amt, als Bätzing bis jetzt. Da aber eben der Papst anscheinend kein Fan der deutschen Kirche ist, sind das beides eher unwahrscheinliche Optionen.
DOMRADIO.DE: Franziskus hat inzwischen 80 Prozent des gesamten Kardinalskollegiums ernannt. Sichert er damit seine Nachfolge?
Schlegelmilch: Die Vermutung wird immer in den Raum gestellt, ein Konklave ist aber wirklich unvorhersehbar. Da kommt es immer drauf an, wie sich die Kandidaten darstellen, und nach katholischer Überzeugung spielt natürlich noch der Heilige Geist eine große Rolle. Man kann aber definitiv sagen, dass das Kardinalskollegium in den letzten elf Jahren sehr viel bunter und internationaler geworden ist. Einige kritisieren das auch, weil sich die Kardinäle nicht mehr so wirklich gut kennen und nur über die Medien voneinander wissen. Ich finde es relativ interessant, dass von den 142 wahlberechtigten Kardinälen ab jetzt 39 aus Lateinamerika kommen werden. Hätte man also seinen Vorgängern vorgeworfen, sie würden nur Kirchenleute aus ihrem eigenen Umfeld ernennen, ist der Vorwurf auch bei Franziskus nicht ganz unberechtigt.
Das Interview führte Dagmar Peters.