Der Papst will Lefebvres Kirchenspaltung überwinden

Zurück in den Schoß der Kirche?

In die Beziehung zwischen dem Vatikan und den Anhängern des exkommunizierten Erzbischofs Marcel Lefebvre (1905-1991) scheint neue Bewegung zu kommen. Offenbar will Benedikt XVI. die Exkommunikation der vier Bischöfe zurücknehmen, die 1988 illegal von Lefebvre geweiht und zusammen mit ihm automatisch aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen wurden.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Die exklusiv von der Mailänder Tageszeitung «Il Giornale» verbreitete Meldung wurde im Vatikan nicht kommentiert. Dennoch mehren sich die Indizien, dass sich der Vatikan noch in dieser Woche zu dem Vorgang äußert.

Am 30. Juni 1988 weihte Lefebvre ohne Genehmigung und trotz eindringlicher Warnung des Papstes vier Bischöfe für seine Priesterbruderschaft Pius X. Voraufgegangen waren Jahre der Polemik und der Entfremdung zwischen Rom und dem Missionsbischof, der die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) nicht mittragen wollte. Er bekämpfte vor allem die Liturgiereform, aber auch Aussagen zu Kirchenverständnis und Religionsfreiheit.
Monatelange Verhandlungen, die im Auftrag des Papstes der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger mit Lefebvre führte, schienen zunächst erfolgreich.

Der ultrakonservative «Rebellen-Bischof» unterzeichnete zunächst eine Fünf-Punkte-Erklärung: Er wollte der katholischen Kirche und dem Papst die Treue halten, die Konzilsaussagen über das kirchliche Lehramt annehmen, auf Polemik gegen das Konzil verzichten, die Gültigkeit der «neuen» Messe anerkennen und das Kirchenrecht respektieren. Im Gegenzug wollte der Vatikan die Priesterbruderschaft Pius X. in den Rang einer «Gesellschaft des Apostolischen Lebens» erheben, die ihre bisherigen liturgischen Bücher weiterbenutzen dürfe.

Doch über Nacht zog Lefebvre die Zusage zurück. In einem Brief vom 2. Juni bündelte er seine Differenzen mit dem «vom Modernismus verseuchten Rom» im Vorwurf eines «falschen Ökumenismus, der am Ursprung aller Erneuerungen des Konzils steht, in der Liturgie, in den neuen Beziehungen von Kirche und Welt, in der Auffassung von der Kirche selbst». Nach dem durch die Bischofsweihen ausgelösten Schisma lebten sich beide Seiten auseinander. Nur eine Minderheit der Traditionalisten, die den Bruch nicht mitmachen und dem Papst die Treue halten wollte, fand eine Heimat etwa in der Sankt-Petrus-Priesterbruderschaft, auf Grundlage des Fünf-Punkte-Abkommens.

Doch seit dem Jubiläumsjahr 2000, als Tradionalisten-Chef Bernard Fellay mit 5.000 Anhängern zur Rom-Wallfahrt in den Petersdom pilgerte, wurde immer wieder über eine Wiederannäherung auch mit dem harten Kern der Lefebvrianer spekuliert. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt empfing Ratzinger - inzwischen Papst Benedikt XVI. - Fellay in Audienz. Die Vatikan-Kommission Ecclesia Dei griff den Gesprächsfaden auf und unterbreitete Vorschläge.

Als deutliches Entgegenkommen Roms wertete man im Sommer 2007 die breite Wiederzulassung der vorkonziliaren Liturgie (in ihrer Fassung von 1962) als «außerordentlichen Ritus». Damit entzog Benedikt XVI. dem Hauptkritikpunkt der Traditionalisten die Grundlage. Seither hat ein Klärungsprozess begonnen, um herauszufinden, ob es letztlich nicht um viel tiefer liegende Differenzen ging.

Unklar ist - falls die Meldung von «Il Giornale» stimmt - welche Folgen eine Rücknahme der vier Exkommunikationen hätte. Wie wird Fellay darauf reagieren? Ziehen die rund 500 Priester und die übrigen Sympathisanten - man spricht von bis zu über einer Million - mit? Schon vor längerem hatte der Vatikan für den Fall einer Einigung eine eigene Struktur, etwa eine Personalprälatur analog zum Opus Dei, in Aussicht gestellt. Oder könnte eine Einigung eine neue Spaltung der Lefebvrianer in Einigungswillige und Hardliner auslösen?

Die spannende Frage lautet, welche Vorschriften der Papst den wieder aufgenommenen Bischöfen machen wird. Denn nach der Rücknahme der Exkommunikation kämen sie nicht nur in den Schoß der Kirche zurück, sondern auch unter die Jurisdiktion des Papstes. Sicher ist, dass die Aufarbeitung und Beendigung dieses Schismas für Benedikt XVI. ein Herzensanliegen ist. Vor und nach dem Bruch hatte er immer wieder gefordert, das Schisma «von innen her überflüssig» zu machen.