Der Philosoph Robert Spaemann ist 85

Vordenker des Papstes

Was den Anhängern des linken Flügels der europäischen Aufklärung Jürgen Habermas, das ist für Konservative Robert Spaemann. Im Mittelpunkt seines aristotelisch geprägten Denkens steht ein christlicher Glaube, der sich der geistigen Auseinandersetzung mit der vernunftgeprägten Moderne nicht verschließen soll. Am Wochenende hat Spaemann sein 85. Lebensjahr vollendet.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

Gegen alle Trends hält der knorrige, klar und zuweilen auch schneidend scharf formulierende Philosoph an vielem fest, was im modernen und postmodernen Diskurs schon längst als nicht mehr salonfähig aussortiert wurde: am Naturrecht als Grundlage für Recht und Gesetz, am Gottesbeweis, an den Tugenden und der Ethik des Aristoteles und an der alten Form der lateinischen Messe.



In der katholischen Kirche, in die sein Vater Heinrich einst übertrat und später Priester wurde, hat auch Robert Spaemann das Denken in langen Zeiträumen gelernt. Moden wie dem Marxismus, dem er selbst einmal in jüngeren Jahren anhing, misstraut er zutiefst. Dass das Wahre von den Zeitgenossen oft erst nach vielen Irrwegen erkannt wird, weiß er aus Erfahrung.



1979: Argumentation gegen Kernenergie

Als einer der ersten konservativen Denker vertrat er 1979 in einem Aufsatz die These, dass die friedliche Nutzung der Kernspaltung zur Energiegewinnung wegen der damit verbundenen viel zu hohen "Restrisiken" moralisch nicht zu verantworten sei. Erst zwei Atomkatastrophen später schlossen sich Deutschlands Christdemokraten im Jahre 2011 mehrheitlich dieser Argumentation an und entschieden sich für die "Energiewende".



Auch Spaemanns viel belächeltes Festhalten am "Naturrecht", das Moralphilosophen einst wie selbstverständlich als letzte Quelle für Gesetz und Moral annahmen, steht heute wieder in einem anderen Licht da. Als Papst Benedikt XVI. in seiner Grundsatzrede im Deutschen Bundestag eine Orientierung der Gesetzgebung an einer "Ökologie des Menschen" vorschlug, konnte sich sein Altersgenosse und Ratgeber Spaemann bestätigt sehen. Bis zu einer "Renaissance des Naturrechts" ist es noch ein weiter Weg, aber der Grundgedanke ist seit der Berliner Papstrede zumindest wieder diskussionswürdig.



Spaemanns Klassiker "Das unsterbliche Gerücht"

In dem Buch "Das unsterbliche Gerücht" hat Spaemann im Jahr 2006 sein philosophisches Nachdenken über Gott noch einmal neu zusammengestellt. Dass jemand im 21. Jahrhundert die Möglichkeit unbedingter Wahrheiten und den Gottesglauben als philosophische Grundannahme auch nur zu denken wagte, war schon an sich eine Provokation. Auch für jüngere konservative Querdenker ist das Buch inzwischen ein Klassiker.



Einen langen Atem hat Spaemann schließlich in der innerkatholischen Debatte um den alten Messritus bewiesen, der nach der Liturgiereform von 1969/70 weltweit aus den Kirchen verbannt worden war. Gemeinsam mit einigen anderen "Exoten" wie dem Schriftsteller Martin Mosebach hielt der konservative Philosoph an der traditionellen Liturgie auch dann noch fest, als diese eine Sache für "Schismatiker" aus dem Lager von Erzbischof Marcel Lefebvre zu werden schien. Dass Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 die alte Messe wieder als "außerordentliche Form" des römischen Ritus rehabilitierte, hat vermutlich auch mit Spaemanns geduldigem Werben in dieser Sache zu tun. Ein Jahr zuvor war er unter den Gelehrten gewesen, die Benedikt zu seinen sommerlichen Kolloquien in die päpstliche Sommerresidenz nach Castel Gandolfo eingeladen hatte.



Die Vorliebe für die gregorianische Messe hat Spaemann im hohen Alter noch einmal eine philosophische Lehrtätigkeit beschert. 19 Jahre nach seiner offiziellen Emeritierung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat er im vergangenen Jahr in der Trappistenabtei Mariawald einen Lehrauftrag im Rahmen des Hausstudiums der Mönche übernommen. Das kleine Kloster in der Eifel ist 2008 mit päpstlicher Genehmigung zum überlieferten Ritus zurückgekehrt und hat nun mit Spaemann als Philosophielehrer einen weiteren Anziehungspunkt gewonnen.