Der religiöse Beuys gastiert in Kölner Domschatzkammer

Auf der Suche nach seinem Rasierspiegel

Ein Jahr nach dem 100. Geburtstag des berühmten Künstlers widmet die Schatzkammer des Kölner Doms sich seinem Frühwerk. Im Mittelpunkt stehen viele Kreuze und ein verlorener Rasierspiegel.

Autor/in:
Annika Schmitz
Joseph Beuys / © Roedel (epd)
Joseph Beuys / © Roedel ( epd )

Eigentlich müsste man einmal um den Dom herumlaufen. Denn dort, im Südquerhaus, sind die vier monumentalen Bronzetüren in die Kathedrale eingebaut, an deren Neugestaltung Joseph Beuys (1921-1986) nach dem Zweiten Weltkrieg mitwirkte. Nun präsentiert die Kölner Domschatzkammer 101 Jahre nach Geburt des Künstlers eine Ausstellung zu seiner frühen Schaffensphase von 1947 bis 1955.

Das Werk von Beuys sei von "tiefem religiösen Bewusstsein getragen", betont Kuratorin Leonie Becks zur Ausstellungseröffnung am Mittwoch.

So stehen dann auch im Mittelpunkt der Schau in dem kleinen Raum im unterirdischen Gewölbe des Doms vor allem Werke mit christlicher Symbolik - insbesondere Kreuze und einige Mariendarstellungen. In vielen der Arbeiten setzt sich der Künstler mit dem Thema Leid auseinander.

Gesundheitlich bedingte Schaffenskrise

So zeigt ein Ausstellungskasten eine Pieta: Maria hält, den Kopf voll Schmerz zur Seite gelehnt, den Leichnam Jesu im Arm. Die Rippen des Gekreuzigten, einmal in einer Darstellung aus Eisen, einmal als Gipsabdruck, sind deutlich einzeln zu sehen. Auch die Kreuzzeichnung, die auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes gerahmt an der Wand hängt, hebt die Oberkörperknochen des Erlösers und seine Qualen in markanter Weise hervor.

Beuys, am 12. Mai 1921 in Krefeld geboren und im Katholizismus des Niederrheins aufgewachsen, hatte zwischen 1955 und 1957 eine gesundheitlich bedingte Schaffenskrise. Laut Domschatzkammer ist diese Zeit als künstlerische Zäsur zu sehen; ein plastisches Bild im Ausstellungsraum zeugt davon. Der Gipsabguss von 1961 zeigt ein verschollenes Vortragekreuz, das der Bildhauer 12 Jahre zuvor erschuf. In dem neueren Werk ist das Kreuz in drei Teile zerbrochen und auf ein Holzbrett montiert.

Auch mehrere Handkreuze spiegeln die Leidthematik. Ein Werk aus dunklem Nussbaumholz von 1948/49 ist überschrieben mit "Symbol der Erlösung". Die Figur Jesu und der Korpus gehen hier eine Symbiose ein, die immer wieder auftaucht. Beim Sonnenkreuz aus den ausgehenden 1940er Jahren spielt der Künstler mit der Dornenkrone, die normalerweise das Haupt Christi ziert. Hier sind es zackige Sonnenstrahlen - und es bleibt offen, ob der Kopf Jesu gar selbst die Sonne ist.

Am Ende des Raumes ziert eine 3 Meter hohe und 1,24 Meter breite Fotografie die Wand. Noch drei weitere Fotoleinwände gibt es, für die der kleine Saal jedoch nicht ausreichend Platz bietet. Es handelt sich dabei um eine Arbeit, die Beuys 1980 in einer Ausstellung des Kölnischen Kunstvereins und des Museums Ludwig zum 100. Jahrestag der Vollendung des Kölner Doms präsentierte. Jede große Fotografie ist einer jener vier Bronzetüren gewidmet, die Beuys zusammen mit seinem Lehrer Ewald Matare für die Kathedrale neu gestaltete.

Kunst mit dem Wappen von Kardinal Frings

Die ausgestellte Leinwand zeigt die Bischofstür, die unter anderem das Wappen des damaligen Kardinals Joseph Frings enthält. Beuys, großer Freund von Alltagsgegenständen in der Kunst, brachte dort seinen eigenen Rasierspiegel an. Bei Restaurationsarbeiten scheint dieser jedoch verloren gegangen und durch Mosaiksteine ersetzt worden zu sein. Dem Künstler fällt das bei seiner erneuten Beschäftigung mit den Türen der Kathedrale gleich auf. "Mein Rasierspiegel fehlt", schreibt er in rostroter Farbe auf die Leinwand von 1980 und markiert die Stelle mit einem Pfeil.

Josef Kardinal Frings / © KNA-Bild (KNA)
Josef Kardinal Frings / © KNA-Bild ( KNA )

Die große Fotografie überragt den Rest der kleinen Ausstellung. Doch gerade der Blick in die eher unscheinbaren Schaukästen im Vorraum lohnt. Da finden sich etwa zwei handgeschriebene Quittungen auf vergilbtem Papier. 49,70 für Mosaikarbeiten am 26.7.48, steht auf dem einen, unterschrieben von Joseph Beuys.

Ebenfalls gleich neben der Tür prangt ein Nachguss aus Eisen von 1953 an der Wand. Das Original befindet sich im Südquerhaus des Doms an der Pfingsttür und zeigt das brennende Köln. Aus den kleinen Häusern rings um den Dom schlagen überall Flammen empor - einzig die Kathedrale scheint vom Feuer verschont zu werden.

Kölner Dom

Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat ( shutterstock )

Der Kölner Dom ist eine der bedeutendsten Kirchen der Welt und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in Deutschland. Das Gotteshaus beherbergt die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die Erzbischof Rainald von Dassel 1164 aus Mailand nach Köln brachte.

Der Grundstein für den gotischen Neubau an der Stelle mehrerer Vorgängerkirchen wurde 1248 gelegt; 1322 wurde der Chor geweiht. Mittelschiff, Querhäuser und Seitenschiffe der Kölner Bischofskirche folgten bis 1560. Dann stoppten die Querelen um die Reformation und Geldmangel den Baubetrieb.

Quelle:
KNA