"Der rote Bischof" Fernando Lugo ist der Favorit für die Präsidentenwahl in Paraguay

Ein Neuanfang ist möglich

Fast drei Millionen Paraguayer sind heute aufgerufen, einen neuen Präsidenten, das Parlament sowie die Provinzvertretungen zu wählen. Es könnte zu einem Politikwechsel kommen: Die seit 61 Jahren regierende konservative Colorado-Partei bangt um ihre Macht, Favorit ist ein katholischer Bischof im Ruhestand.

 (DR)

Vor dem Parlament von Paraguay findet ein Volksfest besonderer Art statt. Eine Band spielt Polkas, rot-weiß gekleidete Gaukler machen Faxen. Zwei große Bühnen sind mit Hunderten roter Luftballons geschmückt. Dann erleben Zehntausende im Zentrum von Asunción ein Feuerwerk. Die seit 61 Jahren regierende konservative Colorado-Partei zieht im Wahlkampf sämtliche Register, um eine drohende Niederlage am Sonntag (20. April) zu verhindern.

Als der scheidende Präsident Nicanor Duarte und seine Kandidatin Blanca Ovelar (50) die Bühne betreten, ertönt ohrenbetäubender Jubel, Tausende rote Tücher und Fahnen - in der Parteifarbe der Colorados - werden geschwenkt. Staatschef Duarte gibt die Tonlage vor: «Das hier ist die sonore Antwort des Colorado-Volkes. Es sagt der Welt, der internationalen Gemeinschaft, dass die Partei steht, lebendig und aktiv ist, und dass wir am 20. April gewinnen werden.»

Dann geht Duarte zur Attacke auf seinen Lieblingsfeind über: «Der gescheiterte Priester ist vom Vatikan bestraft worden, weil er ungläubig und treulos war», sagt er unter tosendem Beifall. Die Tirade gilt Fernando Lugo, katholischer Bischof im Ruhestand und Favorit für die Wahl am Sonntag.

Suspendiert vom Papst
Nachdem der Kirchenmann an Weihnachten 2006 seine Ambitionen auf die Präsidentschaft bekanntgegeben hatte, ließ ihn der Papst vom Priesteramt suspendieren. Seither scharte der 56-Jährige mit dem grauen Bart ein breites Bündnis von der Liberalen Partei bis zu linken Kleinparteien und 20 Basisorganisationen um sich, die «Patriotische Allianz für den Wandel».

Auf Lugos Kundgebungen ist die Begeisterung groß, wenn er gegen den «Mafia-Klüngel» wettert. Doch er hütet sich, seine Kontrahenten namentlich oder gar unter der Gürtellinie anzugreifen und setzt stattdessen auf religiöse Rhetorik. «Sie haben sich geirrt», ruft Lugo und meint damit die für ihre Korruption berüchtigten Colorados an der Regierung. «Aber wir hassen sie nicht, wir lieben sie, und wir werden ihnen zeigen, dass wir auch auf sie zählen. Aber sie müssen sich ändern, und viele werden Rechenschaft ablegen müssen.»

Dann ertönt sein Wahlkampfschlager. «Denn er liebt die Demütigen, und er liebt Paraguay, er hegt keinen Groll, er gibt nur Liebe, Lugo hat ein großes Herz», schallt es von der Bühne. Dann spricht Lugo über die vielen Mütter, die auf die Rückkehr ihrer Kinder hoffen: Jeder vierte Paraguayer - über zwei Millionen - hat wegen der miserablen Wirtschaftslage das Land verlassen, ging nach Argentinien und Brasilien, in die USA oder nach Europa. Und er verspricht «Pluralismus, Würde und Ehrlichkeit».

Dritter Kandidat mit Chancen
Der dritte Kandidat, der nach letzten Umfragen gleichauf mit Blanca Ovelar liegt, ist ein umstrittener Ex-General. Lino Oviedo (67) saß jahrelang wegen eines Putschversuchs im Gefängnis und wurde 2007 auf Geheiß Duartes auf freien Fuß gesetzt - um die Opposition zu spalten, so heißt es.

Bislang geht dieses Kalkül auf: Wie Lugo ist Oviedo besonders bei der armen Landbevölkerung populär, und deswegen kritisiert auch er den charismatischen Ex-Priester immer wieder als angeblichen Kompagnon der sozialistischen Präsidenten Venezuelas und Boliviens, Hugo Chávez und Evo Morales.