“Die Menschen in Deutschland sagen, es ist schwer, heute seinen katholischen Glauben zu leben. Es ist schwer, heute in die Kirche zu gehen. Und da dachte ich, ich muss erzählen, wie es damals bei mir war. Die nächste katholische Kirche von uns war in der Sowjetunion zweitausend Kilometer entfernt”, beschreibt Alexander Krylov seine Motivation, ein Buch über seine Kindheit zu schreiben. ‘Wie ich zum Mann wurde. Ein Leben mit Kommunisten, Atheisten und anderen netten Menschen’, so heißt sein autobiographisch geprägtes Buch. Der Autor ist in der alten Sowjetunion aufgewachsen, in einem atheistisch diktatorischen System und in einer katholischen Familie. “Ich wollte über unseren Glauben erzählen, über das autoritäre System und auch über die Liebe, die die Menschen trotzdem in ihren Herzen tragen”, sagt der Autor.
In der Schule Lenin - zuhause Gott
Zwischen Lenin und Jesus ist Alexander Krylov aufgewachsen. "In der Schule wurden die Lehren Lenins als Heilsbotschaft verkündet", erzählt er. Und zu Hause galt die frohe Botschaft des Evangeliums. “Als Kind hat man beides irgendwie wahrgenommen. In der Schule war Lenin, zu Hause war Gott. Richtig bewusst ist mir dieser Widerspruch erst später geworden - mit elf oder zwölf Jahren, da habe ich angefangen zu reflektieren. Aber in meiner Kindheit, da hat beides so seinen Platz gehabt”. Manchmal stießen die beiden Glaubenswelten doch aufeinander. Das war zum Beispiel im Kindergarten so, als der fünfjährige Alexander den anderen Kindern von Gott erzählte. Da griff die Kindergärtnerin plötzlich ein. “Sie sagte mir damals, unser Kosmonaut Juri Gagarin sei im Weltall gewesen und habe Gott dort nirgends gesehen. Fasziniert kam ich mit dieser Nachricht nach Hause. Und ich habe meiner Oma verkündet, du brauchst nicht mehr zu beten. Unser Kosmonaut ist im Weltall gewesen und hat keinen Gott gesehen. Du bist jetzt frei”. Die Oma hat die Rede des Enkels natürlich nicht angefochten. Sie hat weiter zu Gott und Jesus gehalten. Und der Enkel natürlich auch.
Weihwasser mit Gottes Segen - selbst gemacht
Aber wie geht das? Katholisch sein, wenn die nächste katholische Kirche und der nächste Pfarrer zweitausend Kilometer entfernt sind. “Wir mussten da improvisieren”, erzählt Kaplan Krylov, z.B. beim Weihwasser. "Meine Oma hat das Weihwasser quasi selbstgemacht. Zweimal pro Jahr - zur Taufe des Herrn und zu Ostern – hat sie einen kleinen Altar aufgebaut, mit kleinen Heiligenbildchen und einer Schüssel mit Wasser, das dann gesegnet wurde. Ich habe das bis heute mitgenommen. Wenn ich heute allein als Kaplan irgendwo die Messe feiere, drehe ich mich zum Schluss der Messe um und segne alle Menschen, die auch heute nicht in die Kirche gehen dürfen oder können”.
In seinem Buch erzählt Alexander Krylov die Geschichte einer katholischen Kindheit in der Sowjetunion in Episoden. Oft muss man beim Lesen schmunzeln. “Der Humor gehört selbstverständlich zu unserem Leben dazu. Das kannte ich aus unserer Familie, von meiner Mutter, von meiner Oma. Das war aber auch nichts Künstliches. Und ich glaube auch heute, viele Schwierigkeiten müssen wir mit Humor und mit Vertrauen nehmen”, ist Kaplan Krylov überzeugt.
Die Freiheit, sich für Gott zu entscheiden
Heute lebt und arbeitet der Autor als Kaplan im Erzbistum Köln. Ja, sagt er, seine katholische Kindheit in der atheistischen Sowjetunion habe ihn schon geprägt. Und gewiss war das als bekennender Katholik nicht immer lustig. Aber das, was er immer wieder gefunden habe, seien die Liebe und die innere Freiheit, sich für Gott zu entscheiden, die alle Schwierigkeiten überlagern konnte. “Ich habe diese Freiheit von Gott bekommen, und wir können mit dieser Freiheit alles machen. Und wenn ich auf mein Leben zurückschaue, es ist wie ein Wunder, ich kann mir überhaupt gar nicht vorstellen, dass aus meinem Leben das geworden ist, was ich nun bin. Ich bin mit meinem Leben sehr glücklich”.