Corona-Krise hat Chinas Wirtschaft schweren Schaden zugefügt

Der Überwachungsstaat im Aufwind

Während in Europa ein Ausstieg aus dem "Shutdown" noch in weiter Ferne zu liegen scheint, beginnt in China allmählich wieder das Leben nach Corona. Manche Begleiteffekte sind allerdings beunruhigend.

Autor/in:
Stefanie Ball
Die Corona-Krise hat Chinas Wirtschaft schweren Schaden zugefügt / © Xiong Qi (dpa)
Die Corona-Krise hat Chinas Wirtschaft schweren Schaden zugefügt / © Xiong Qi ( dpa )

Die Yangtze Memory Technology Company durfte weiter Speicherchips produzieren, als Wuhan unter Quarantäne stand. In der Millionenmetropole südlich von Peking nahm die Corona-Krise ihren Ausgang; wochenlang galt für sämtliche Einwohner eine totale Ausgangssperre.

Nicht so für Angestellte von YMTC, die eine spezielle Arbeitserlaubnis erhielten. Auch Material durfte ins Werk geliefert werden und Endprodukte die Stadt verlassen.

Tesla wurde von Regierung in Peking unterstützt

Ebenso wurde der US-Autobauer Tesla, der für den Ausbau der Elektromobilität in China eine entscheidende Rolle spielt, von der Regierung in Peking unterstützt. Extra-Chargen Desinfektionsmittel und Schutzmasken wurden geliefert und für Mitarbeiter spezielle Unterkünfte und Bus-Transporte arrangiert.

So konnte die Fabrik in Shanghai bereits am 10. Februar wieder ihre Arbeit aufnehmen, während im Rest des Landes die Bänder stillstanden. Der Absturz der Wirtschaft ist gleichwohl gigantisch: Im Januar und Februar brach die Industrieproduktion um 13,5 Prozent ein; der Verkauf im Einzelhandel ging um 20,5 Prozent zurück. Ein Desaster für Chinas Wirtschaft, die schon vor Corona schwächelte.

Vertrauen zurückgewinnen

Die Einzelmaßnahmen waren denn auch vorrangig strategischer Natur. Sie sind Teil einer Propagandaoffensive der Kommunistischen Partei, die in der Corona-Krise verlorengegangenes Vertrauen in der eigenen Bevölkerung, aber auch der Welt zurückgewinnen will. Zu diesen Maßnahmen zählen auch die Lieferungen von Schutzmasken und Atemschutzgeräten nach Europa und in die USA, den neuen Epizentren der Seuche.

"China spielt seine Soft Power, seinen sanften Einfluss, aus, indem es sich als Modell beim Umgang mit gesundheitlichen Notfällen präsentiert", analysiert das Mercator-Institut für China-Studien (Merics) in Berlin. In offiziellen Erklärungen Pekings werde dabei beschönigend dargestellt, dass es sich bei den Hilfslieferungen und Spenden handele - und nicht um Exporte medizinischer Hilfsgüter, die von europäischen Ländern gekauft wurden.

Immer noch wirtschaftliche Schwierigkeiten

Zugleich beteuert die politische Führung, dass das Schlimmste überwunden sei. Demonstrativ zeigte sich Präsident Xi Jinping am Wochenende in strömendem Regen und mit Mundschutz - ohne den in China niemand mehr vor die Tür tritt - in der Hafenstadt Ningbo, einem wichtigen Umschlagplatz. Für die Staatsmedien eine klare Botschaft: Die Wirtschaft kommt wieder in Schwung.

Daran gibt es allerdings Zweifel. "Definitiv hat China immer noch Schwierigkeiten, die Wirtschaft in Fahrt zu bringen", sagt ein China-Insider, der seinen Namen nicht nennen möchte. Lieferketten seien weiter unterbrochen, so dass etwa die Landwirtschaft in der wichtigen Aussaat-Phase massive Probleme habe, Arbeiter und Dünger herbeizuschaffen. Längst nicht alle Betriebe haben ihre Produktion wieder aufgenommen. Laut Schätzungen sind es zwischen 60 und 70 Prozent. Viele Wanderarbeiter stecken noch immer zu Hause fest.

Zahl der Infizierten steigt nach Umstellung der Zählweise

"Der Weg zurück zur wirtschaftlichen Normalität ist noch weit", warnt auch der Präsident der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke - zumal mit dem "Shutdown" in Europa und den USA schlicht die Abnehmer fehlen. Auch bleibt die Sorge vor einer zweiten Infektionswelle. "Es gab in Wuhan nachweislich heimische Neuinfektionen, als schon behauptet wurde, diese seien nur von China-Rückkehrern importiert worden", so der China-Kenner.

Nach Umstellung der Zählweise ist die Zahl der Infizierten sogar wieder deutlich gestiegen. Erstmals werden seit dieser Woche Menschen in die Statistik aufgenommen, die positiv getestet wurden.

Überwachungsstaat als Hilfe gegen das Virus

In einem Punkt wird der chinesische Staat von der Pandemie allerdings langfristig profitieren: Die Macht des Überwachungsstaates, der sich schon zuvor moderner Technologien bediente, um die Menschen zu kontrollieren, nimmt weiter zu.

So hatte das Onlinebezahlsystem Alipay schon im Februar einen "Gesundheitscode" entwickelt, der auf Basis von Selbstauskünften des Handynutzers, etwa über Reisetätigkeit und Gesundheitszustand, das Erkrankungsrisiko für Covid-19 voraussagen soll.

Automatische Informationsweitergabe an Polizei

Je nach errechneter Wahrscheinlichkeit werden grüne, orangefarbene und rote Codes vergeben, wobei Rot eine 14-tägige Quarantäne bedeutet. Verlässlich sind die Berechnungen aber nicht unbedingt; so manche wurden auch nach 20 Tagen zuhause noch mit einer roten Flagge versehen, berichtet das Merics.

Außerdem werden, wie Recherchen der Zeitung "New York Times" ergeben haben, Informationen zum aktuellen Standort automatisch an die Polizei weitergegeben.

Verfolgung von 1,6 Milliarden Handys

Derweil haben drei Telekommunikationsunternehmen auf Weisung des Industrieministeriums ähnliche Programme entwickelt. Das Ergebnis ist ein neuer "Reiseroutenpass", der 1,6 Milliarden Handys verfolgt.

"Das ist das totale Monitoring", sagt der Chef der Deutschen Auslandshandelskammer in Hongkong, Wolfgang Niedermark - "und das wird von den Menschen gar nicht hinterfragt".


Quelle:
KNA