Am Dienstagabend wird Papst Franziskus zu einem viertägigen Besuchsprogramm in den Vereinigten Staaten erwartet. Was der Vatikan fromm als "Apostolische Reise" bezeichnet, birgt mit Blick auf die demografische Entwicklung, Migration und den Präsidentschaftswahlkampf auch politischen Brennstoff.
Auf den ersten Blick sind die US-Katholiken für Päpste so etwas wie eine sichere Bank: Mit 71,8 Millionen Gläubigen stellen sie die viertgrößte nationale Gemeinde nach Brasilien, Mexiko und den Philippinen. Sie zählen zu den spendabelsten Unterstützern des Heiligen Stuhls und gelten traditionell als so romtreu, dass bis zu John Kennedy ein Katholik als US-Präsident aus Loyalitätsgründen unmöglich schien.
US-Katholiken zeigen sich liberal
Kein Wunder, dass Johannes Paul II. (1978-2005) die Verbindung pflegte: Sieben Mal betrat er US-amerikanischen Boden (zweimal allerdings nur in Alaska). Öfter war er nur in Frankreich - einschließlich Réunion - und in seinem Heimatland Polen. Doch seit dem ersten Besuch 1979 hat sich das demografische Profil gewandelt.
Zwar wuchs im vergangenen Vierteljahrhundert die katholische Herde um etwa 30 Prozent. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung schrumpfte jedoch (um 5 Prozentpunkte auf jetzt 22,7 Prozent) - und vor allem die Schar der Priester verringerte sich um 20.000 auf jetzt 38.000.
Das Kirchenvolk selbst hat sich derweil dem Geist der Welt angeglichen. In der Bewertung künstlicher Empfängnisverhütung unterscheiden sich Katholiken nicht wesentlich vom Durchschnitt. Wenn es um die moralische Erlaubtheit von Scheidung und die Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe geht, zeigen sich Katholiken sogar liberaler.
Spanisch in den Papst-Messen
Papst Franziskus trifft zugleich auf eine Gemeinde im kulturellen Umbruch. Gut ein Drittel der US-Katholiken sind Einwanderer oder Kinder von Einwanderern aus spanischsprachigen Ländern: 27 Prozent - fast doppelt so viel wie der Bevölkerungsdurchschnitt - wurden im Ausland geboren, bei weiteren 15 Prozent ist mindestens ein Elternteil Ausländer.
Der Anteil dieser sogenannten Hispanics in der katholischen Gemeinschaft wird laut dem Washingtoner Pew Research Center weiter wachsen. Der Grund liegt in der Altersstruktur: Unter den katholischen Jugendlichen, die um das Jahr 2000 geboren wurden, stellen die Hispanics 46 Prozent, die Weißen nur 43 Prozent.
Das Papst-Programm trägt dem Rechnung: In allen vier großen Messen, die Franziskus in den USA feiert, wird zumindest teilweise Spanisch gesprochen und gebetet. Die gilt zuerst für die Heiligsprechung des spanischen Nordamerika-Missionars Junipero Serra (1713-1784), eines aus Mallorca stammenden Franziskaners, am Mittwoch in Washington.
Nicht nur die betreffende Zeremonie vollzieht Franziskus auf Spanisch, auch das Evangelium mit dem Missionsbefehl Jesu "Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern§ wird in der Muttersprache des Papstes und des neuen Heiligen vorgetragen.
Saures bei den Reden in Kongress und bei den UN
Freitag besucht der Papst in New York eine katholische Schule in Brooklyn, deren Schüler hauptsächlich aus Lateinamerika, Afrika und dem Nahen Osten stammen; Samstag widmet er in Philadelphia der Gemeinde der Hispanics ein eigenes Treffen - ausgerechnet im Independence Park, einem Symbolort für die Staatswerdung der USA. Das könnte schon wie eine kleine Provokation wirken vor dem Hintergrund, dass Präsidentschaftskandidat Donald Trump zu verstehen gab, Spanisch habe in der US-amerikanischen Gesellschaft nicht viel verloren.
Mit harter Kost müssen die Republikaner auch bei den Papst-Reden im US-Kongress am Donnerstag und vor den Vereinten Nationen in New York am Freitag rechnen. Es wird erwartet, dass Franziskus dort neben dem Migrationsthema auch Fragen eines sozial gerechten Wirtschaftssystems und des Klimaschutzes anschneidet.
In Philadelphia können die Konservativen jedenfalls hoffen, dass der Papst Öl auf die Wunden träufelt, die er ihnen vorher geschlagen hat: Beim Welttreffen katholischer Familien sollte er erwartungsgemäß traditionelle Werte verteidigen. Aber Überraschungen sind nicht ausgeschlossen, und Süßes und Saures für Demokraten wie Republikaner ist gewiss.