Hochschulabsolventen oder Analphabeten? Die Bewertung des Bildungsstands der nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge ist komplex. Ende 2015 veröffentlichte das UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR eine Studie mit der Aussage, ein Großteil der syrischen Flüchtlinge sei hoch qualifiziert.
Zuvor hatte eine Vergleichsstudie der OECD konstatiert, dass das Bildungsniveau in Syrien dem deutschen deutlich hinterherhinke. Weitere Erhebungen zeigen starke Bildungsunterschiede zwischen Flüchtlingen verschiedener Herkunft.
Wahrnehmung der Bevölkerung
Das Münchner ifo-Institut hat nun nicht den Bildungsstand der Flüchtlinge untersucht, sondern dessen Wahrnehmung durch die deutsche Bevölkerung. Die am Mittwoch in Berlin vorgestellte repräsentative Studie zeigt: Die Deutschen sind skeptisch.
Drei Viertel schätzen demnach den durchschnittlichen Bildungsstand der Flüchtlinge als sehr oder eher niedrig ein. Dementsprechend bezweifelt die Mehrheit, dass die Flüchtlinge dabei helfen, den Fachkräftemangel der deutschen Wirtschaft zu verringern. Knapp ein Drittel ist indes der Meinung, dass die Schutzsuchenden die Fachkräfte von morgen sind.
Einschätzungen abhängig vom eigenen Bildungsstand
Dabei unterscheidet sich die Einstufung des Bildungsniveaus der Flüchtlinge je nach eigenem Bildungsstand. Während Befragte mit Abitur optimistischer sind, ist die Einschätzung bei Studienteilnehmern mit Hauptschulabschluss besonders negativ. Hier sind 82 Prozent der Meinung, dass das Bildungsniveau der Flüchtlinge eher oder sehr niedrig ist. Für das Bildungsbarometer wurden von April bis Anfang Juni rund 4.000 repräsentativ ausgewählte Personen ab 18 Jahren befragt.
Drei Viertel der Befragten sprechen sich demnach für staatlich finanzierte und verpflichtende Sprachkurse für Flüchtlinge aus. Beinahe die Hälfte, etwa 45 Prozent, sind sogar "sehr" für staatlich finanzierte Sprachkurse. Die staatlichen Bildungsausgaben pro Flüchtling sollten nach Ansicht der Hälfte der Befragten aber dafür nicht angehoben werden. Ein Viertel sieht indes Bedarf für mehr Bildungsinvestitionen für Flüchtlinge, ein weiteres Viertel spricht sich für weniger Bildungsausgaben aus.
Gespaltene Meinung zu Bleiberecht
Ebenfalls die Mehrheit befürwortet laut Studie eine Ausweitung der Schulpflicht bis 21 Jahre. Auch ein zweijähriges Bleiberecht nach Abschluss einer Ausbildung begrüßt jeder Zweite. Ein gutes Drittel ist indes der Meinung, dass diese verlängerte Bleibedauer nicht sein muss.
Gespalten sind die Bürger bei den Fragen einer staatlichen Übernahme von Ausbildungskosten der Betriebe und einem Ausbau verkürzter Ausbildungsberufe für Flüchtlinge. Hier sind 45 Prozent dafür, 41 dagegen und weiter 14 Prozent enthalten sind.
Mehrheit für gleichmäßige Verteilung der Schulkinder und zusätzliche Mittel
Um insbesondere Flüchtlingskinder besser zu fördern, befürwortet mit 81 Prozent die große Mehrheit der Befragten eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Kinder auf Schulen in den Regionen. 61 Prozent sind zudem der Meinung, dass zusätzliche Bundesmittel für Sozialarbeiter, Sprachlehrer und Psychologen an Schulen bereitgestellt werden sollten und knapp 56 Prozent sprechen sich für eine steuerlich finanzierte Kindergartenpflicht für Flüchtlingskinder ab drei Jahren aus.
Lehrer, die im diesjährigen ifo-Bildungsbarometer gesondert befragt wurden, sehen viele Bildungsreformen zur Integration von Flüchtlingen deutlich positiver als die Gesamtbevölkerung, etwa bei Mehrausgaben für die Bildung der Flüchtlinge, aber auch bei mehr Mitteln für Schulpersonal.
Zweifel an Glaubwürdigkeit der Medien
Die Meinung aller Befragten verändert sich dabei abhängig vom Informationsstand durch die Medien. Als die Forscher den Studienteilnehmern unterschiedliche Informationen zum Bildungsstand der Flüchtlinge gaben, zeigte sich, dass wenn die Berichte besagten, der Bildungsstand sei gut, der Optimismus überwog. Ebenso waren die Teilnehmer optimistischer, wenn ihnen widersprüchliche Informationen zum Bildungsstand gegeben wurden.
Grundsätzlich zeigte sich aber, dass ein beträchtlicher Teil der Befragten, unabhängig von den vorliegenden Informationen, die Glaubwürdigkeit der Medienberichte über Flüchtlinge anzweifelt.