domradio.de: Sie haben über 35 Jahre Erfahrungen im interreligiösen Dialog. Welche Früchte konnten Sie schon ernten?
Dr. Timo Güzelmansur (Geschäftsführer der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle e.V. DBK): Einiges. Vor allem, durch die Papiere der Deutschen Bischofskonferenz wurden bei Themen, wie zum Beispiel dem Moscheebau, eine Versachlichung der Debatte herbeigeführt. Es geht darum, dass wir hier nicht einfach über Ängste sprechen, sondern über Menschen, die Orte suchen, um ihre Religion praktizieren zu können.
Ein weiteres Thema ist der islamische Religionsunterricht. Die Möglichkeit, dass Muslime ihre Religion adäquat an die kommenden Generationen weitergeben möchten. Das soll nicht irgendwo im Hinterzimmer stattfinden, sondern in der Schule als gleichberechtigte Bürger in diesem Staat und von wissenschaftlich gut ausgebildeten Personen. Das sind Themen, die ohne die Dialogbemühungen der katholischen Kirche so nicht erreicht worden wären.
domradio.de: Mit der AfD ist jetzt eine Partei in den Bundestag eingezogen, die sehr weit rechts steht. Daran lässt sich auch eine zum Teil tief gespaltene Gesellschaft in Deutschland erkennen. Macht das Ihre Arbeit schwieriger?
Güzelmansur: Auf jeden Fall. Ich erlebe selbst, überall wo ich einen Vortrag halte, sei es in einer Pfarrei, in einer Gemeinde oder in einer Akademie, dass Menschen dort Fragen oder Gedankengut äußern, die dieser Partei vielleicht nahestehen.
Das erschwert es, sachlich miteinander zu sprechen und es schürt Ängste. Wenn man aber genau hinhört und nachhakt, sind es pauschale Urteile, die mit der tatsächlichen Wirklichkeit nichts zu tun haben. Das macht uns schon Sorgen.
domradio.de: Sie beraten mit Ihrer Fachstelle die Deutsche Bischofskonferenz und tauschen sich aus. Wie sieht diese Beratung aus?
Güzelmansur: Wir sind in verschiedenen Meinungsbildungsprozessen eingebunden, wir geben unsere Expertise zu verschiedenen Themen auch weiter. Ich bin auch in der Unterkommission "Interreligiöser Dialog" eingebunden. So ist der Informationsfluss und der Austausch vorhanden – auch bilateral mit den Beratern der Unterkommissionen. Wir versuchen unser Wissen und unsere Kompetenz weiterzugeben und in die verschiedenen Gremien einzuspeisen.
domradio.de: Haben Sie einen Wunsch für den interreligiösen Dialog für die Zukunft?
Güzelmansur: Ich habe den Wunsch, dass wir weniger über politische und mehr über tatsächlich religiöse Themen sprechen. Wir sind religiöse Menschen, führen aus tiefster religiöser Überzeugung heraus diesen Dialog und möchten auch die religiöse Sicht der anderen verstehen.
Wir wollen schauen, wo wir gemeinsam für diese Gesellschaft wirken können, in friedlicher Art und Weise, damit wir unsere Gesellschaft in bester Art und Weise weiterentwickeln können. Mein Wunsch ist, dass wir die guten Potenziale unserer Religionen auch anderen Menschen zur Verfügung stellen und davon berichten können.
domradio.de: Können Sie von einer Freundschaft sprechen, die durch den interreligiösen Dialog entstanden ist?
Güzelmansur: Ja. Das merke ich in vielen Treffen mit muslimischen Gesprächspartnern. Das kann man immer wieder bei den Katholikentagen erleben, auf den Podien zum Beispiel. Da ist eine tiefe Freundschaft mit einigen muslimischen Gesprächspartnern. Es ist immer wieder schön sich zu treffen. Man merkt es, wenn man sich umarmt, wie man den anderen begrüßt - das ist immer wieder eine schöne Erfahrung.
Das Interview führte Jann-Jakob Loos.