Kirchenspaltung ist 500 Jahre nach dem Beginn der Reformation nicht nur ein Thema für Katholiken und Protestanten. Auch innerhalb der katholischen Kirche gab es 1517 einen Trennungsbeschluss: Papst Leo X. (1513-1521) verfügte, dass es von nun an zwei männliche Zweige des Franziskanerordens geben solle. Später kam noch eine dritte Ausgliederung hinzu. Mitte Juni trafen sich in einem Exerzitienhaus im Taunus 65 deutsche Franziskaner, Kapuziner und Minoriten, um diesen Teil ihrer Geschichte zu bedenken.
Im Anschluss machten geradezu euphorische Pressemeldungen die Runde, wonach eine Wiedervereinigung schon "in Reichweite" sei. Von einem "historischen Ereignis" war die Rede, vom "Geist von Hofheim", der die Versammelten beflügelt habe. Man wolle in den nächsten Jahren die Zusammenarbeit intensivieren und "das Zusammenwachsen fördern", hieß es.
"Warum wir anders sind"
Was war geschehen? Von den Generalministern der drei weltweit verbreiteten Gemeinschaften gibt es ein Foto, das in der zweiten Maihälfte bei einem Kongress in Spanien geschossen wurde. Die Drei stapeln ihre Hände aufeinander. Vor allem in Deutschland hat man dieses Bild als programmatische Zeichenhandlung verstanden, wenn auch möglicherweise etwas überinterpretiert.
Beschlüsse zur Anbahnung einer förmlichen Fusion gibt es bisher in keinem der drei Orden, aber das hat die Deutschen nicht davon abgehalten, einmal etwas die Fantasie spielen zu lassen, wie ein Teilnehmer des dreitägigen Treffens in Hofheim sagt. Immerhin leben alle nach der gleichen Regel, bei den einen ist die Kapuze etwas länger, bei den anderen die Farbe des Gewands eine Nuance dunkler. Aber "keiner versteht von außen, warum wir anders sind", sagt der deutsche Kapuzinerprovinzial Marinus Parzinger.
Lockende Vision
Andere verweisen auf bereits seit Jahrzehnten bewährte gemeinsame Aktivitäten in der weitverzweigten franziskanischen Ordensfamilie, sei es in der Ausbildung, aber auch in der Erforschung der eigenen Geschichte. Mancher lässt auch nicht unerwähnt, dass gerade im deutschen Sprachraum die Zahl der Brüder seit Jahren stark zurückgeht. So um die 500 Franziskaner, Kapuziner und Minoriten gibt es in Deutschland noch, wobei zuletzt reihenweise teils sehr traditionsreiche Klöster aufgegeben werden mussten. Deshalb spielen auch Synergieeffekte bei den Überlegungen eine Rolle.
Bei ihrem "Mattenkapitel" ließen sich die deutschen Ordensleute von Vorträgen inspirieren, die die historisch gewachsenen Unterschiede zwischen ihren Gemeinschaften als heute nicht mehr bedeutsam ansehen. In einer Zukunftswerkstatt loteten sie Möglichkeiten künftiger gemeinsamer Projekte aus. Spielerisch machten sie sich schon mal Gedanken über ihre künftige einheitliche Kluft und einen neuen Ordensnamen. Von einer "Vision, die uns lockt", spricht Bruder Marinus.
Aufblühen der Orden
Die Zukunft gleichsam vorwegnehmend, wurde eine fiktive Unionsbulle aus dem Jahr 2030 verlesen. Darin proklamiert ein Papst Franziskus III., dass "nach Jahrhunderten des Aufblühens, der wachsenden Ausbreitung sowie der Teilung des Ordens in verschiedene Ordensfamilien" nun "der heilsgeschichtliche Moment gekommen" sei, "in dem zusammengefügt werden soll, was zusammengehört". Wenn das Willy Brandt gehört hätte ...
Naja, 2030 sei vielleicht etwas zu ehrgeizig, meinten im Anschluss manche. "Andererseits erleben wir augenblicklich, dass sich vieles auch sehr schnell ändern kann", sagte der Franziskanerprovinzial Cornelius Bohl der "Münchner Kirchenzeitung". "Eine gemeinsame Bruderschaft würde unser Charisma deutlicher werden lassen. Franz von Assisi hat Menschen zusammen geführt und miteinander versöhnt - das sollte eigentlich an erster Stelle für seine Brüder gelten."
Natürlich - es müsse gerade international auch mit Widerständen gerechnet werden, räumt Bohl ein. Die Deutschen seien aber nicht allein, auch in Italien entdeckten die drei franziskanischen Männerorden derzeit sehr stark ihre Gemeinsamkeiten. Wobei das Wichtigste sei: "Der Zug Richtung Einheit muss im Herzen und im Kopf beginnen, an der Basis und bei jedem einzelnen."