Weist Russland einen deutschen Pfarrer der evangelischen Kirche aus, oder darf er weiter in Sankt Petersburg arbeiten? Darum ringen Vertreter der evangelische Kirche und deutsche Diplomaten gerade mit russischen Behörden. Propst Michael Schwarzkopf wurde am Dienstag in Russland festgenommen. Aus dem Polizeigewahrsam kam er inzwischen frei. Wie die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) aus Kirchenkreisen weiter erfuhr, muss er aber bestimmte Auflagen der russischen Strafverfolger erfüllen.
Schwarzkopfs traditionsreiche Gemeinde der Petrikirche teilte am Freitag mit, die Justiz führe ein Verfahren wegen einer mutmaßlichen Ordnungswidrigkeit gegen ihn. Angaben zu den Vorwürfen machte sie nicht. Laut russischen Medienberichten wird der Pfarrer beschuldigt, für einige Zeit an einem Ort gewohnt zu haben, ohne sich dort offiziell angemeldet zu haben. Ihm drohen demnach die Ausweisung aus Russland und eine Geldbuße. Schwarzkopf wird nach KNA-Informationen von einem Anwalt vertreten.
Pfarrer stammt aus Thüringen
Der aus Thüringen stammende Pfarrer ist seit 2014 als Propst für die lutherischen Gemeinden im Nordwesten Russlands verantwortlich. Bereits 2013 nahm er den Dienst an der Petrikirche an Sankt Petersburgs Prachstraße, dem Newski-Prospekt, auf. Er ist mit einer Russin verheiratet.
Für die Lutheraner in Sankt Petersburg hatte sich einst die Zarin Katharina die Große (1729-1796) stark gemacht. Sie kümmerte sich um ihre deutschen Landsleute im Russischen Reich und spendete für die Petrigemeinde. Dieser Gemeinde gehörten damals wie heute vor allem Menschen mit deutschen Wurzeln an.
Schwarzkopf ist in Russland nicht der einzige Geistliche, der mit mehr oder weniger fadenscheinigen Anschuldigungen zu kämpfen hat. Der Pressesprecher der katholischen Bischofskonferenz des Landes, Pater Kyrill Gorbunow, kann viel darüber berichten. Er kenne zwar Schwarzkopfs Situation nicht, sagt er der KNA. "Aber ich kann bestätigen, dass einige von unseren katholischen Geistlichen wegen ähnlicher Verstöße gegen die Aufenthaltsbestimmungen Russland verlassen mussten." Aus seiner Sicht werden diese Regeln gegenüber Kirchenmännern "teilweise mit übertriebener Strenge angewandt".
Experte: Nicht leichtsinnig sein
Für ausländische Geistliche sei es sehr schwierig, die Erlaubnis zur Einreise nach Russland für eine religiöse Tätigkeit zu erhalten, so Gorbunow. "Die Erlaubnis kann leicht kassiert werden." Man dürfe also nicht leichtsinnig sein.
Die katholische Kirche in Russland ist von solchen Schwierigkeiten mit den Behörden des Landes besonders betroffen. Denn mehr als drei Viertel ihrer Geistlichen sind Ausländer. Nur ein Weihbischof ist gebürtiger Russe, die anderen Bischöfe wurden in Italien, Deutschland und Kasachstan geboren.
Verschärfte Gesetze
2021 wurde das Religionsgesetz verschärft. Für ausländische Kirchenmitarbeiter reicht seither nicht mehr eine Ausbildung in ihrer Heimat aus, wenn sie in Russland Gottesdienste leiten oder eine missionarische oder Bildungstätigkeit aufnehmen wollen. Es wird von ihnen eine zusätzliche Ausbildung in Russland verlangt, in deren Mittelpunkt die Grundlagen der Beziehungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in dem Riesenreich stehen. Auch eine entsprechende Prüfung müssen sie bestehen.
Deutsche Stellen halten sich unterdessen zum Fall des evangelischen Pfarrers bedeckt. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, aus der Schwarzkopf stammt, will sich nicht äußern. Auch das Auswärtige Amt antwortete zunächst nicht auf Anfragen. Der Fall gilt als hochsensibel. Mit keinem Wort soll dem Pfarrer geschadet werden.
Diplomaten im "Spiegel": Vorwürfe sind fingiert
Laut "Spiegel" vermuten deutsche Diplomaten, die Vorwürfe gegen Schwarzkopf seien fingiert worden, um ihn einzuschüchtern und bei anderen deutschen Staatsbürgern Unruhe zu stiften. In der Vergangenheit hatten die russischen Behörden mehrfach Deutsche willkürlich festgenommen. Einige von ihnen wurden erst bei einem großen Gefangenenaustausch Anfang August freigelassen. Das Auswärtige Amt warnt seit Längerem vor Reisen nach Russland, da dort jederzeit Verhaftungen und Verurteilungen aufgrund konstruierter Vorwände erfolgten und inhaftierte Deutsche als "politisches Druckmittel" eingesetzt werden könnten.
Infolge des Angriffskrieges gegen die Ukraine sind auch religiöse Institutionen in Russland stark unter Druck geraten. Der leitende Erzbischof der evangelisch-lutherischen Kirche, Dietrich Brauer, war bereits im März 2022 aufgrund staatlicher Repressionen mit seiner Familie aus Moskau nach Deutschland geflohen. Auch Russlands damaliger Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt verließ 2022 das Land. Mitglieder der jüdischen Gemeinde seien von Behörden unter Druck gesetzt worden, den Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen, sagte er. Dem habe er sich widersetzt. Das Ergebnis: Der Rabbiner musste ebenfalls gehen.