Mit dem "Requiem aeternam" von Gabriel Faure begannen am Freitag im Kölner Dom die zentralen Trauerfeierlichkeiten für die 150 Toten des Flugzeugabsturzes in Frankreich. 24 Tage nach dem Unfall fanden sich im Dom die deutsche Staatsspitze und 500 Angehörige der Opfer zusammen. Unter den 1.400 Gästen waren auch Spaniens Innenminister Jorge Fernandez Diaz und der französische Staatsminister für Verkehr, Alain Vidalies. Rund um den Kölner Dom galt die höchste Sicherheitsstufe. Bereits am Morgen suchten Polizisten mit Spürhunden nach möglichem Sprengstoff. Auf mehreren Plätzen in der Innenstadt sind Großleinwände aufgestellt.
Für die Opfer wurden im Dom 150 Kerzen entzündet, darunter eine für den Copiloten. In ihrer Predigt bezeichnete die Präses der Evangelischen Kirche in Westfalen, Annette Kurschus, den Flugzeugabsturz als unbegreifliche Tragödie. "Abgründe klaffen auf, in Seele und Menschenherz", sagte sie. Familien, Nachbarschaften, Schulen, Städte und Dörfer müssten das Unbegreifliche aushalten. Kein Mensch, kein Luftfahrtexperte und Psychologe, auch keine Bischöfin und kein Kardinal, könnten eine Brücke schlagen über dem aufgerissenen Abgrund, sagte die evangelische Geistliche. "Gott selbst muss einstehen für das, was geschehen ist und was er hat geschehen lassen." Gott müsse das Weinen der Menschen zu seinem Weinen machen.
Woelki: Diese 150 Menschen sind nicht ins Nichts gegangen
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bezeichnete den Flugzeugabsturz als "schrecklichen Einschnitt". Angehörige und Freunde seien "verzweifelt, tief traurig oder gar versteinert vor Schmerz", sagte er im Kölner Dom. "Bloße Wort, die sind zu schwach, Sie zu trösten", sagte der Erzbischof vor den Angehörigen. Ihnen solle Trost sein, dass "Sie jetzt nicht allein sind in diesen Stunden der Einsamkeit".
Weiter sagte der Erzbischof, dass er keine theoretische Antwort auf das schreckliche Unglück vom 24. März 2015 habe. Aber er könne zeigen auf die Antwort, an die er selbst glaube und die seine Hoffnung sei: "auf den mit-leidenden Gott am Kreuz" und die Auferstehung. "Wir glauben, dass diese 150 Menschen nicht verschwunden und nicht ins Nichts gegangen sind."
Er rief die Angehörigen auf, sich von den Menschen tragen zu lassen, die für sie beten. Das über so viele Grenzen hinweg entstandene Band der Solidarität wolle ins Leben zurückführen. "Menschlichkeit und Annahme sind das, was wir Menschen einander schenken können: durch Zärtlichkeit, durch Zuwendung, durch Zuhören, durch Zutrauen, durch Annahme", so der Erzbischof.
Zu dem Gedenken reisten auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, als Bundesratspräsident Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, an. 250 Plätze waren für die Bevölkerung reserviert. An dem Gottesdienst nahmen auch Vertreter der Hilfskräfte und Notfallseelsorger teil.
Holzengel als Zeichen des Trostes
Die Notfallseelsorger überreichten den Angehörigen kleine Holzengel als Zeichen der Solidarität, des Trostes und der Anteilnahme. "Menschen brauchen Engel, die ihnen den Weg zeigen und ihnen zur Seite sind", sagte der katholische Seelsorger Christoph Dörpinghaus. Der Engel solle dazu ermutigen, "nach Quellen der Bestärkung und der Zuversicht" zu suchen, ergänzte seine Kollegin Jutta Unruh von der Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Insgesamt wurden 300 Holzengel aus einer Behindertenwerkstatt im russischen Pskow verteilt, die von der "Initiative Pskow" der rheinischen Kirche getragen wird. Der Entwurf für die kleine kreuzförmige Figur stammt von dem Mülheimer Bildhauer Jochen Leyendecker. Die beiden Notfallseelsorger, der Kardinal Woelki und Präses Kurschus überreichten zudem weitere Figuren symbolisch an politische Repräsentanten.
Der spanische Innenminister Jorge Fernández Díaz erhielt einen Engel stellvertretend für die Angehörigen der spanischen Opfer. Bundespräsident Joachim Gauck nahm eine Figur als Zeichen der Anteilnahme stellvertretend für die Angehörigen der Verunglückten in allen anderen Staaten entgegen. Dem französischen Verkehrsminister Alain Vidalies gab Präses Kurschus eine Holzfigur als Zeichen der Dankbarkeit für die Helfer in Frankreich.
Trauerakt mit Bundespräsident Gauck
Nach dem ökumenischen Gottesdienst für die Opfer des Flugzeugopfers fand der staatliche Trauerakt statt. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bekundete den Angehörigen ihr Mitgefühl. "Auch mehr als drei Wochen nach dem Unglück und trotz zahlreicher technischer und psychologischer Deutungen bleibt doch die quälende Frage nach dem Warum", sagte sie am Freitag bei der staatlichen Trauerfeier im Kölner Dom. "Wir alle sind betroffen, hilflos und wütend."
Niemand könne die unfassbare und schmerzhafte Leere füllen, so Kraft. "Uns allen bleibt nur unser Trost, unser Mitgefühl." Kraft dankte den Helfern in Frankreich, die dort die Opfer geborgen hatten und "über ihre physischen und psychischen Grenzen hinausgegangen sind". Auch den Seelsorger dankte sie, "die zuhören, Hände halten, in den Arm nehmen, mit weinen und mit schweigen".
Bundespräsident Gauck äußerte in seiner Ansprache seine anhaltende Erschütterung über das Flugzeugunglück. Alle stünden immer noch unter dem unerhörten Schock vom 24. März, sagte er bei der Trauerfeier. "Es ist etwas zerstört worden, das in dieser Welt nicht mehr geheilt werden kann." Er dankte den Helfern, insbesondere den französischen Bürgern nahe der Absturzstelle, für die große Hilfe.
Der Bundespräsident unterstrich die Bedeutung der Solidarität in der Trauer. "Bis der Trost wirklich tröstet, und bis wir weitergehen können im Leben, bis dahin hilft oft nur das Wissen und das Gefühl, nicht allein zu sein. Dass wir erfahren: Wir werden begleitet, wir werden gehalten, wir werden getragen."
Eingehend äußerte sich Gauck zur Rolle des Copiloten. "Dieser eine hat die vielen anderen mit in den Tod gerissen, den er für sich selber gesucht hatte. Uns fehlen Worte für diese Tat." Bei vielen sei die Trauer in Wut und Zorn umgeschlagen. Niemand wisse aber, wie es im Inneren des Copiloten ausgesehen habe. "Wir wissen aber, dass auch seine Angehörigen am 24. März einen Menschen verloren haben, den sie geliebt haben und der eine Lücke in ihrem Leben hinterlässt ? auf eine Weise, für die sie genauso wenig einen Sinn finden, wie all die anderen Hinterbliebenen."
Es gebe "kein vollkommen kontrolliertes, zu hundertprozentiger Sicherheit führendes Leben", sagte Gauck. "Weder vor technischen Defekten noch vor menschlichem Versagen gibt es absolute Sicherheit und erst recht nicht vor menschlicher Schuld." Zugleich betonte der Bundespräsident, dass ein Leben ohne Vertrauen nicht vorstellbar sei.
Dies gelte gerade für herausragende Vertrauensstellungen wie Lehrer, Ärzte, Pfleger, Psychologen, Seelsorger, Lokführer, Schiffskapitäne oder Piloten. Wenn an diesen empfindlichen Stellen Vertrauen missbraucht werde, "dann trifft uns das ins Mark". Umso mehr danke er all jenen, die pflichtgetreu und gewissenhaft arbeiten.
Gauck sprach von einer "verstörenden Vernichtungstat". Es gebe keine Antwort auf die Frage, warum so viele Menschen durch den Entschluss eines Einzelnen in den Tod gehen mussten. Zu Trauer und Schmerz komme das tiefe Erschrecken "vor den Abgründen der menschlichen Seele" hinzu. Keine Psychologie und keine Technik könne das Böse gänzlich aus der Welt schaffen. Doch die Tatsache, dass der Mensch zum Guten fähig sei, lasse "Ja" sagen zum Leben. "Auch und gerade im Angesicht von Katastrophen, von Unglück, von Leid, wachsen Menschen oft über sich hinaus."
Kränze und Trauergestecke vor dem Dom
Auf dem Bahnhofsvorplatz wurde eine Fläche eingerichtet, auf der schon früh morgens Kränze und Trauergestecke abgelegt wurden. Auf Plakatträgern und Werbetafeln in der Kölner Innenstadt prangen schwarze Trauerschleifen mit der Flugnummer "4U9525".
Die Lufthansa gedachte mit einer ganzseitigen Traueranzeige in mehreren großen Tageszeitungen der Todesopfer. "Wir trauern um unsere Passagiere und Kollegen, die am 24. März 2015 bei dem Flugzeugunglück der Germanwings in der Nähe von Seyne-les-Alpes ihr Leben verloren haben", heißt es in der Anzeige. "Wir werden sie nie vergessen." Auch Angehörigen, Freunden und Kollegen der Verstorbenen gehöre das aufrichtige Mitgefühl der Lufthansa. "Wir werden Ihnen beistehen."