In Deutschland soll ein zentrales Migrationsmuseum entstehen

Das Thema Zuwanderung braucht eine Heimat

Museen über Migration gibt es heute in Paris, New York und Melbourne. Auch in Deutschland soll das Thema einen zentralen Dokumentationsort bekommen. Konkrete Pläne dazu wurden am Montag in Köln vorgestellt.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Exponate im Dokumentationszentrum / © Jörg Loeffke (KNA)
Exponate im Dokumentationszentrum / © Jörg Loeffke ( KNA )

"Die Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland", betonte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) noch 1991. Inzwischen sind aber die Enkel der einstigen "Gastarbeiter" in Ministerien, an Hochschulen und Unternehmensspitzen tätig. Seit etwa zehn Jahren betrachtet sich die Bundesrepublik auch offiziell als Einwanderungsland.

Höchste Zeit also für ein zentrales Migrationsmuseum, meint der Verein DOMiD. Das Kürzel steht für "Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland". Der Zusammenschluss wurde bereit 1990 in Köln von Zuwanderern gegründet. Bald wird wohl aus seiner Vision Wirklichkeit.

70.000 Objekte aus mehreren Jahrzehnten

Noch sind die meisten der rund 70.000 Objekte, die DOMiD seit Jahrzehnten zusammengetragen hat, in Kisten, Regalen und Aktenschränken im Gebäude des Bürgeramts im Kölner Stadtteil Ehrenfeld archiviert. "Aber es geht uns nicht darum, nur museale Gegenstände aus der Vergangenheit zu zeigen", betont DOMiD-Projektleiter Robert Fuchs am Montag vor Journalisten in Köln. Zuwanderung ist lebendige Entwicklung, so der Historiker. Also soll das künftige Museum ein Kompetenzzentrum zur Migrationsforschung werden.

Schon jetzt hat sich das DOMiD-Archiv in Fachkreisen, bei Schulen, wissenschaftlichen und politischen Institutionen als Ansprechpartner etabliert. Mit Diskussionen, Ausstellungen, Tagungen und der Umsetzung eines virtuellen Migrationsmuseums gibt es dem Thema Impulse. All das braucht aber einen festen und öffentlichkeitswirksamen Ort.

"Alltagsobjekte" sollen Eindruck vom Thema geben

So soll nun in einer ersten Umsetzungsphase - etwa bis Frühjahr 2016 - über Standort, Finanzierung und genaues Profil des zentralen Migrationsmuseums entschieden werden. Mit einer Eröffnung rechnet Fuchs erst in einigen Jahren. Für Besucher ist ein kleiner Teil der vielen Exponate rund um Zuwanderung in 23 Vitrinen ausgestellt. Sie geben einen sinnlichen Eindruck von der Tragweite des Themas. Vor allem handelt es sich um Alltagsobjekte wie Schutzhelme, Maurerkellen oder Schwesternhauben, die die ersten «Gastarbeiter» in den 1950er nutzten. Ein Flyer mit der Aufschrift "Mach meinen Kumpel nicht an" protestiert "gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus" - natürlich wird auch dieses Dokument prominent im DOMiD-Archiv behandelt. Reisepässe, Flugtickets und Visa erzählen von den Mühen auf dem Weg ins "gelobte Land" Deutschland.

Viele Zugewanderte haben dem DOMiD aber auch Pokale, Zeugnisse und Meisterbriefe geschickt - Belege für Erfolge in ihrer neuen Heimat. Und natürlich bringen die Zugewanderten auch ihre Religion mit, wie eine rote Plastikwanne zeigt, in der ein griechisch-orthodoxer Priester viele Kinder getauft hat. Ein Ikonenschrank mit orthodoxen Heiligenbildern findet sich ebenfalls in dem Kölner Archiv. Breiten Raum nimmt die Musik ein, denn sie ist emotionaler Ausdruck der eigenen Herkunft und Identität, so Projektleiter Fuchs. So sind unzählige Schallplatten etwa mit italienischen Schlagern zu finden. Eine Besonderheit sind die vielen Kassetten, die von den in Deutschland lebenden Vätern als akustische Briefe besprochen und an ihre Lieben zu Hause geschickt wurden - und umgekehrt. Zudem zeugen verschiedene Rundfunkgeräte davon, dass das Radio lange vor Internet und Facebook wichtigstes Medium der Einwanderer war.

Mitarbeiter haben internationale Wurzeln

Derzeit verfügt DOMiD über fünf feste und zahlreiche freie Mitarbeiter. Fast versteht es sich von selbst, dass viele von ihnen Wurzeln etwa in der Türkei, Frankreich, Italien, Polen oder Palästina haben. Ihre Arbeit wird von den nordrhein-westfälischen Ministerien für Migration und Kultur, der Stadt Köln und der NRW-Stiftung finanziert. Der Bund hält sich bisher bedeckt, wie NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) kritisiert.

Nach seinem Willen wäre ein Standort in seinem Bundesland wünschenswert, weil es die größte Erfahrung mit Einwanderung habe. Und DOMiD-Schirmherrin Rita Süssmuth, frühere Bundestagspräsidentin, lenkt den Blick auf eine schmerzliche Variation des Themas Zuwanderung: die Flüchtlinge, die an Europas Grenzen sterben. Auch der Umgang der Deutschen mit diesen Zuwanderern gehöre ins neue Museum.


Quelle:
KNA